Druckartikel: Turiner Grabtuch in Bamberg

Turiner Grabtuch in Bamberg


Autor: Marion Krüger-Hundrup

Bamberg, Freitag, 01. Sept. 2017

Das berühmteste Leinentuch der Welt steht als Faksimile ab 8. September im Fokus einer Präsentation im Diözesanmuseum.
Die Ausstellung zeigt auch eine Rekonstruktion der Dornenkrone, die Jesus nach der biblischen Überlieferung aufgesetzt wurde. Foto: Malteser/Lux


"Wer ist der Mann auf dem Tuch? Eine Spurensuche" - so titelt die Sonderausstellung im Bamberger Diözesanmuseum rund um das Turiner Grabtuch, das berühmteste Leinentuch der Welt, das Millionen Christen in den Bann zieht. Zuletzt wurde das in der katholischen Kirche als Ikone verehrte, über 4,40 Meter lange und 1,13 Meter breite Stück Stoff 2015 im Dom von Turin öffentlich präsentiert. Die Bamberger haben nun die Gelegenheit, selber nachzuforschen, ob es sich auf dem Tuch tatsächlich um das Abbild des gekreuzigten Jesus von Nazareth handelt.

"Die Ausstellung ist eine großartige Gelegenheit, ein zentrales Objekt des Glaubens und der Kirchengeschichte in allen Aspekten zu beleuchten und den Besuchern nahe zu bringen", sagt Museumschef Holger Kempkens. Und auch wenn das Turiner Grabtuch verständlicherweise nicht im Original, sondern lediglich als Faksimile gezeigt werden könne, liege gegenüber Turin "ein Mehrwert in der Sonderausstellung", erklärt Kempkens. Denn dank modernster Techniken liege zum Beispiel "der Leichnam optisch vor Augen": nämlich eine lebensgroße Skulptur des gemarterten Körpers, wie er aufgrund der dreidimensionalen Bildanalyse-Informationen rekonstruiert werden konnte.

Dieses Kernexponat zeigt den Körper in der mit dem Kreuzestod eingesetzten Leichenstarre in bezeichnender verkrampften Haltung und mit angewinkelten Beinen. Um Kindern und empfindlicheren Ausstellungsbesuchern einen schockierenden Anblick zu ersparen, wurde auf eine stark realistische Darstellung des gemarterten Körpers und Kopfes verzichtet. Die Arme des Leichnams wurden bei der Grablegung nach unten gebogen, so dass, wie auf dem Grabtuch zu sehen, die Hände die Blöße bedecken.

Daneben besteht die Ausstellung aus sieben Exponaten: Nachbildungen der Dornenhaube, des Flagrums, mit dem die Geißelung erfolgte, und der Münzen, die auf die Augenlider des Leichnams gelegt waren als Herkunfts- und Datierungsbeweise sowie eine antike Speerspitze (Stich in die Seite), Nägel wie sie zu einer Kreuzigung Verwendung fanden, sowie Strick und Rohrstock. 22 Stelen mit Erläuterungen zu Wissenschaft, Traumatologie, Geschichte und Spiritualität geben neben acht Sitzwürfeln mit Informationen zur Historie einen umfassenden Eindruck vom heutigen Stand der Grabtuchforschung.

Des Weiteren umfasst die Schau einen Monitor mit einem Film über das Grabtuch. Er wurde von dem Turiner Institut für Grabtuchforschung produziert und liegt in mehreren Sprachen vor. Darüber hinaus steht eine App zur Verfügung, die interaktiv und in HD-Qualität den Ausstellungsgegenstand und die Forschungsergebnisse vorführt.

Die von den deutschen Maltesern als Wanderausstellung konzipierte Präsentation haben bisher in Deutschland über Hunderttausend Besucher gesehen. Kuratorin ist die Malteserin Bettina von Trott zu Solz, die die Ausstellung als "bewusste Spurensuche" bezeichnet: "Jeder ist eingeladen, diese Spuren zu suchen." Zumal die Malteser bekannt seien für ihre Hilfe am Nächsten, aber auch für die Bezeugung des Glaubens: "Wir wollen helfen beim Glauben", so die Kuratorin.

So bietet diese Ausstellung Information und Kontemplation zugleich. Sie verbindet Glauben und Wissen auf beeindruckende Weise: Texte der Heiligen Schrift zum Kreuzweg Jesu Christi und neueste Untersuchungsergebnisse der Forschung zum Abdruck eines Mannes auf dem Turiner Grabtuch verdichten die Annahme, dass dieser Mann Jesus von Nazareth ist.

Als im Jahre 1898 aus Anlass der 400-Jahr-Feier der Kathedrale von Turin das dort aufbewahrte Grabtuch, in das der Überlieferung nach der Leichnam Jesu Christi gehüllt war, zum ersten Mal fotografiert wurde, geschah eine atemberaubende Sensation. Der Fotograf hatte auf der Negativplatte das ausdrucksstarke positive Abbild eines bärtigen Mannes. Also musste das eher undeutliche Abbild auf dem Tuch etwas Ähnliches wie ein Negativ sein. Doch wen zeigt es, und wie ist es darauf gekommen?

Diese Fragen und die zu vielen weiteren Spuren sowie die nach Alter und Herkunft des Tuches beschäftigen die Wissenschaft nun seit mehr als hundert Jahren. Kein anderes archäologische Objekt ist auch nur annähernd so intensiv erforscht worden wie dieses Stück Stoff: das "Sacra Sindone". Das Diözesanmuseum ermöglicht nun, in die Geheimnisse des Turiner Grabtuches einzutauchen.



"Niemand muss an die Echtheit des Tuches glauben"

Seit seiner Gymnasialzeit beschäftigt sich der heute 86-jährige Erzbischof emeritus Karl Braun mit dem Turiner Grabtuch. Auch sein bischöflicher Wahlspruch "Sie werden auf den schauen, den sie durchbohrt haben (Joh. 19,37)" prädestiniert ihn für eine spirituelle Betrachtung des Tuches. So wird der in Wildensorg lebende Alt-Erzbischof die Eröffnung der Ausstellung "Wer ist der Mann auf dem Tuch? Eine Spurensuche" mit seiner Ansprache "Von Angesicht zu Angesicht - Begegnung von Außen nach Innen" mitgestalten. Unsere Zeitung sprach mit ihm über die Bedeutung der Präsentation im Diözesanmuseum.

Der Mensch des 21. Jahrhunderts ist nur schwer oder gar nicht davon zu überzeugen, dass das Turiner Grabtuch ein authentischer Beweis für die Existenz des Jesus von Nazareth sein könnte. Was soll dann eine solche Ausstellung über das Tuch bewirken?
Karl Braun: In der herrschenden Gottesfinsternis kann die Ausstellung ein Türchen öffnen. Denn durch die gesamte Menschheitsgeschichte und in allen Religionen zieht sich die Sehnsucht, Gott möge sich in anschaulicher Weise zeigen.
Für Christen hat sich dieses Sehnen in Jesus Christus erfüllt. In ihm ist tatsächlich der unsichtbare Gott sichtbar geworden, sichtbar in einer individuellen menschlichen Existenz. Bei unserer Suche nach ihrer authentischen Gestalt finden wir die wohl überzeugendste Antwort im Turiner Grabtuch.

Kritische Geister halten eine solche Behauptung - mit Verlaub - doch wohl eher für Humbug, oder?
Niemand ist verpflichtet, an die Echtheit des Tuches zu glauben. Die Kirche spricht deshalb hier nicht von einer Reliquie, weil es bisher keine hundertprozentigen wissenschaftlichen Beweise für die Authentizität des Tuches gibt. Sie bezeichnet es vielmehr als eine mit Blut geschriebene Ikone, wie Papst Benedikt XVI. sagte.

In welcher Grundhaltung sollte sich der Ausstellungsbesucher denn den Exponaten rund um diese Ikone nähern?
Ich empfehle, die Exponate nicht ausschließlich nach wissenschaftlich-pragmatischen Kriterien anzuschauen, sie zu beurteilen und sich damit zu begnügen. Es sollte schon für den Hintergrund, für die geistig-geistliche Aussage der verschiedenen Objekte Interesse aufgebracht werden.
Das Schauen mit den Augen der Seele und des Herzens bedarf im Zeitalter einer überbordenden Bilderkultur einer gewissen Übung.

Das Gespräch führte
Marion Krüger-Hundrup.