Tüte um Tüte: die Plastik-Ära
Autor: Marion Krüger-Hundrup
Bamberg, Mittwoch, 20. Mai 2020
Plastiktüten können Kult sein, aber auch Ärgernis. Das zeigt das Historische Museum Bamberg in Kooperation mit dem Flussparadies Franken e.V.
Doch, doch: Regina Hanemann ist trotz ihres Jobs als Hüterin der Vergangenheit auf der Höhe der Zeit. "Ich benutze schon lange keine Plastiktüten mehr - aus ökologischen Gründen", erklärt die Direktorin des Historischen Museums Bamberg. Fast verlegen räumt sie jedoch ein, dass sie aber noch ein "vergammeltes Exemplar" in Gebrauch hat.
Die promovierte Kunsthistorikerin kramt tatsächlich eine grau-weiße, große Plastiktüte hervor: "Wenn ich bei Regen mit dem Fahrrad unterwegs bin, wickle ich meine Aktentasche darin ein", erzählt sie freimütig über dieses wasserdichte Stück. Und sprudelt gleich weiter, dass sie eigentlich immer gern auf Plastiktüten geschaut habe: "ein interessantes Medium". Regina Hanemann ist sichtlich froh, dass zwei Privatsammlerinnen von solchen Zivilisationszeugnissen etliche für die neue Sonderausstellung im Historischen Museum zur Verfügung gestellt haben.
"Wir haben jetzt nicht die ultimative Plastiktütenausstellung", lacht Hanemann auf und verweist auf eine weitere Sammlerin im Ruhrgebiet, die gleich 200.000 Tüten ihr Eigen nennt. Doch die Bamberger Präsentation auf 700 Quadratmetern hat es trotzdem in sich.
Kuratorin Johanna Blume hat etwa 200 Tüten und Taschen aus verschiedenen Materialien wie Papier, Plastik, Bioplastik oder Baumwolle ausgewählt und arrangiert. Allesamt Objekte, die Kulturgeschichte erzählen und damit durchaus in ein Museum passen, das sich selbst als historisch bezeichnet. "Tüte um Tüte", wie diese Sonderausstellung titelt, Schauraum um Schauraum, Vitrine um Vitrine, Marstallbox um Box wird der Facettenreichtum dieses Sujets deutlich.
Zumal der Mensch schon seit er sesshaft wurde, Tüten aus pflanzlichen Materialien und Tierhäuten herstellte. Aus Papier gibt es sie in Europa erst seit dem 14. Jahrhundert. Vor allem Fernhändler, Krämer und Apotheker benötigten Tüten für kleinteilige Waren wie Gewürze, Medikamente oder Tabak. Bestanden diese Tüten zunächst aus alten Buchseiten, war es ab etwa 1850 möglich, Tüten aus frisch geschöpftem Papier maschinell herzustellen. Zusammengeklebt wurden sie in Gefängnissen und Zuchthäusern.
Ab den 1920er Jahren boten Geschäfte stabile Papiertaschen mit Tragebändern an. Plastiktüten gab es erst einige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland, die ersten Anfang der 1960er Jahre in der Lebensmittelabteilung des Kaufhauses Horten in Neuss. So weiß jedenfalls Kuratorin Johanna Blume zu berichten: "Die Wirtschaftlichkeit der Tüte war entdeckt; ihre Form hat sich stetig verändert."
Die Plastiktüten revolutionierten das Einkaufen und steigerten den Umsatz immens. Auch Museumschefin Hanemann hat ein Beispiel parat: "Je größer die Tüten zum Beispiel von Aldi und Lidl wurden, desto mehr Waren wurden eingekauft." Und zwar unabhängig davon, dass Discountertüten mit ihren einfachen Mustern und leuchtenden Farben für billige Produkte und geringes gesellschaftliches Ansehen stehen.