Druckartikel: Trucker - gestrandet in Franken

Trucker - gestrandet in Franken


Autor: Marion Krüger-Hundrup

LKR Bamberg, Montag, 26. Dezember 2016

Der Truckerclub "Franken-Strolche" verteilte Geschenke an Lkw-Fahrer, die auf den Parkplätzen entlang der A73 eine Zwangspause einlegen mussten.
My Truck is my Castle: Jaroslaw Gonza muss Weihachten fern der Heimat im Führerhaus verbringen.


Der Fahrer des Lastkraftwagens mit deutschem Kennzeichen hatte wohl die Nase voll von Weihnachtsrührseligkeit. Oder er war völlig gefrustet von der Tatsache, dass er die Feiertage fern von daheim verbringen sollte. Am Nachmittag von Heilig Abend verschwand er in sein Fahrerhaus, zog die Vorhänge an den Fenstern zu. Heraus kam der Mann auch nicht, als die beiden Lkw des Truckerclubs "Franken- Strolche" herbei brummten.
Manfred Hanna und sein Sohn Benjamin saßen jeweils am Steuer, bugsierten ihre Trucks sicher in die unmittelbare Nähe anderer Lastzüge aus Polen und Litauen, die auf dem Autohof parkten. "Wir haben das Herz am rechten Fleck!" lachten die Truckerclub-Mitglieder Karin Enke und Stefanie Gruslinski fröhlich, die in ihren Pkw ankamen und sich den männlichen Kollegen anschlossen.


Das harte Geschäft der Straße

Mit dieser Herzensbeschreibung begründeten die Frauen eine Aktion, die es an Heilig Abend so nur noch in Norddeutschland gab: dass Trucker-clubs die Trucker beschenken, die zum Fest auf Parkplätzen gestrandet waren. Pastoralreferent Norbert Jungkunz, Fernfahrerseelsorger im Erzbistum Bamberg, hatte diese Aktion ins Leben gerufen. Er gehört zum Vorstand der "Franken-Strolche", kennt aber auch durch seine Arbeit das harte Geschäft der Trucker - gleich ob deutscher oder ausländischer Herkunft.
"Wer keine Retour-Fuhren für osteuropäische Länder oder auch für Deutschland hat oder nicht ausladen darf, muss über Weihnachten auf Parkplätzen bleiben, und das sind nicht wenige", weiß Jungkunz. Diesen Männern "wollen wir mit unserer Bescherung ein wenig die Tage verschönern", ergänzen die Vereinsmitglieder. Zumal gerade die Fahrer aus Osteuropa derart niedrige Löhne bekommen, dass Ausgaben an den Autohöfen und Raststätten für Essen, Trinken und Toilettenbenutzung für sie kaum erschwinglich seien.
Weitere "Strolche" tauchten in Breitengüßbach auf, inklusive des jüngsten "Strolches" Philipp, viereinhalb Monate altes Söhnchen von Michael Fuchs. Philipp verschlief allerdings in Solidarität mit dem deutschen Trucker in der Fahrerkoje, wie sich Papa und Kameraden mit prall gefüllten Stoffbeuteln ans Werk machten.
Karin Enke winkte Jaroslaw Gonza herbei, der neugierig von seinem Lkw einer polnischen Firma aus die Truppe beäugte. Mit Händen und Füßen, mit Lächeln und Brocken in Polnisch, Englisch, Russisch entwickelte sich eine Unterhaltung über alle Sprachgrenzen hinweg. Manfred Hanna holt Becher mit dampfendem Kaffee aus seinem Lkw. Jaroslaw schluckt dankbar das heiße Getränk und radebrecht, dass er Ukrainer ist und nicht heimfahren kann. Er zeigt die Papiere: Seine Ladung ist für Betriebe in Ebensfeld und Strullendorf bestimmt. Die arbeiten erst wieder nach Weihnachten.


Christstollen und Dosenfleisch

Der Mittvierziger Gonza strahlt, als er in die Geschenktasche blickt: Christstollen, Lebkuchen, Apfelsinen, Dosenfleisch, Glühwein-Bonbons und mehr sind willkommene Gaumenfreuden. "Wir haben 80 Taschen gepackt", berichten die "Franken-Strolche" - finanziert durch Spenden von Sponsoren und aus den Vereinsbeiträgen.
Vorstandsmitglied Sebastian Rauer drückt Jaroslaw Gonza noch einen Flyer mit dem Truckerclub-Logo in die Hand: "Ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest!" steht da in mehreren Sprachen. Und: "Wir überreichen Dir dieses Weihnachtsgeschenk als Zeichen der Wertschätzung und der Kollegialität." Der ukrainische Kollege ist gerührt. Und drückt seine Hoffnung aus, dass er bald seine Ehefrau und die drei Kinder wiedersehen kann: möglichst rechtzeitig zum 6. Januar, wenn die Familie als ukrainisch-griechisch-katholische Gläubige Weihnachten feiert. "Weihnachten heute auch!" sagt Jaroslaw Gonza auf Deutsch und mit einem strahlenden Lächeln, verabschiedet sich von jedem mit einem warmen Händedruck.