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Trotz Rauchverbots in Bayern: Ärger mit den Kippen im Sand


Autor: Stephan Großmann

Bamberg, Mittwoch, 07. August 2019

Auf Spielplätzen in Bayern ist das Rauchen verboten. Eigentlich. Denn kontrolliert wird kaum. Oft bleiben die Stummel von Zigaretten im Sand zurück. Das kann unter Umständen sogar gefährlich werden. Reicht der Appell an die Vernunft?


"Iiieh, nimm das nicht in die Hand!" Schon wieder hat der eineinhalbjährige Arthur einen Zigarettenstummel aus dem Sand gewühlt. Schnell nimmt ihm seine Mutter die Kippe ab und wirft sie in den Mülleimer. "Jeden Tag liegen hier alte Zigaretten herum, das muss doch nicht sein, ich kann die Kleinen quasi kaum aus den Augen lassen", ärgert sich die 32-jährige Bambergerin. Tagsüber qualmen unbesonnene Eltern zwischen den Spielgeräten, abends bevölkern rauchende Jugendliche die Schaukeln.

Nach einem Volksentscheid ist das Rauchen in öffentlichen Gebäuden und Gaststätten seit dem 1. August 2010 bayernweit verboten. Per Gesetz. Das schließt auch Sandkästen mit ein: "Auf Spielplätzen gilt das Rauchverbot unabhängig davon, ob der Spielplatz räumlich und organisatorisch zu einer Einrichtung gehört", heißt es etwa in Artikel 2 des Gesundheitsschutzgesetzes (GSG). Überhaupt setzt der Freistaat den Nichtraucherschutz strikter um als alle anderen Bundesländer. Zumindest in der Theorie.

Kontrolliert geschweige denn sanktioniert werden Verstöße kaum. Dafür bräuchte es einen kommunalen Ordnungsdienst, den es in den meisten Städten nicht gibt. Schon alleine die Anzahl der Spielplätze (in Bamberg sind es beispielsweise mehr als 100) mache die Kontrolle des Verbotes beinahe unmöglich. Auch Schilder, die auf das Rauchverbot hinweisen, sind auf vielen fränkischen Spielplätzen Mangelware.

Dabei hatte eine Studie des Deutschen Krebsforschungszentrums Heidelberg (DKFZ) vor zehn Jahren gezeigt, dass Rauchverbote ohne Hinweisschilder hierzulande nicht viel nützen: In Würzburg wurden auf Spielplätzen beispielsweise trotz Rauchverbots fast genauso viele Kippen gefunden wie in Mannheim, wo es kein Rauchverbot gibt. In Würzburg wurde nicht auf das Verbot hingewiesen.

Ob und wie stark die Verschmutzung öffentlicher Spielplätze von den Kommunen wahrgenommen wird, ist unterschiedlich. Das ergab eine Umfrage dieser Zeitung. Während Stadtverwaltungen etwa in Coburg, Forchheim und Schweinfurt durchaus Probleme sehen, erkennen Kronach und auch Bamberg kaum Ärger. "Die Lage ist nicht so dramatisch, dass Handlungsbedarf besteht", sagt Stephanie Schirken-Gerster von der Stadt Bamberg.

Das könnte aber auch daran liegen, dass viele Eltern die gefundenen Überreste in der Regel sofort entsorgen. "Wir appellieren an die Vernunft der Leute", so Schirken-Gerster. Gleichwohl werden die Spielplätze regelmäßig gereinigt und etwaiger Unrat entfernt. Viel mehr könne eine Stadt nicht tun.

Rauchfrei: Deutschland kein Vorreiter

Aktuell bekommt das Thema wieder medialen Aufwind, weil Schweden seit Juli auf ein verschärftes Rauchverbot setzt: tabu sind Eingangs- und Außenbereiche von Gaststätten, Bushaltestellen, Bahnsteige oder Sportstätten - und öffentliche Spielplätze. Die Bestimmungen gelten - anders als in Bayern - auch für E-Zigaretten. Dahinter steckt ein hehres Ziel: Schweden will bis 2025 rauchfrei werden. "Rauchfrei" bedeutet für die Skandinavier unter anderem, dass der Anteil der Raucher an der Bevölkerung auf unter fünf Prozent sinken soll. Dabei gilt Schweden mit einer Quote von weniger als neun Prozent schon heute als das EU-Land mit den wenigsten regelmäßigen Rauchern.

Deutschland liege mit einer Raucherquote von 25 Prozent europaweit im oberen Mittelfeld, sagt ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums mit Verweis auf Daten von 2017. Die Verbotsregelungen hierzulande gleichen einem Flickenteppich. "Ein bundesweites Rauchverbot auf Spielplätzen wäre sinnvoll", sagt Katrin Schaller, Expertin für Tabakkontrolle beim DKFZ. Es schütze vor Passivrauchen, unterstütze die Vorbildfunktion der Eltern und helfe, Kippenmüll zu vermeiden, der vor allem für Kleinkinder gefährlich sei.

Die Mama des Jung-Bambergers Arthurs wird aber weiterhin Kippen aus dem Sand sammeln und entsorgen müssen. So lange, bis es auch der letzte Raucher schafft, seine Fluppe nicht einfach auf den Spielplatz zu schnipsen.

Wie gefährlich sind Kippen für Kinder? Das sagt der Arzt

Dr. Alexander Kiefer, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin am Uniklinikum Erlangen:

"Dreck reinigt den Magen", heißt es. Stimmt das?

Der Magen reinigt sich selbst, eine gebesserte Reinigung durch "Dreck" findet nicht statt.

Wie gefährlich ist es, wenn ein Kleinkind Tabak zu sich nimmt?

Nikotin ist hochgiftig. Oral zugeführter Zigarettentabak wird langsam und unvollständig resorbiert, so dass schwerwiegende Intoxikationen nur selten auftreten. Bei Zigarren, Kau- oder Schnupftabak reichen schon kleine Mengen. Besonders gefährlich ist Tabaksud (Zigaretten in Flaschen oder Dosen), da Nikotin in der Flüssigkeit gelöst und schneller vom Körper aufgenommen wird.

Was muss ich tun?

Typische Symptome sind etwa Erbrechen, Blässe und Unruhe. Selten kann es zu Ohnmacht, Krampfanfällen, Blutdruckabfall und Atemdepression kommen. Dann ist ein Arztbesuch, eventuell stationäre Behandlung notwendig.

"Ein Verbot, das nicht viel taugt" - Kommentar des Autors Stephan Großmann

Schon oft wurde an dieser Stelle über staatliche Verbotskultur debattiert. Zu recht: Mündige Bürger haben Besseres verdient, als jede ihrer Taten staatlich reglementiert zu wissen. Ein Land ist nur so frei wie die Entscheidungen, die seine Bewohner treffen können. Aber mit der Freiheit kommt auch die Verantwortung.

Raucher mussten in Bayern spätestens mit dem landesweiten Rauchverbot vor neun Jahren große Einschnitte hinnehmen. "Unfair", maulen die Qualmer, "zu lasch", jammern die Genervten. Wenngleich es jedem selbst überlassen sei, sich Schaden zuzufügen, muss blauer Dunst spätestens auf dem Kinderspielplatz tabu sein. Dafür sollte es kein Gesetz geben müssen.Dasselbe gilt für Hundehinterlassenschaften.

Den Gemeinden ist es nicht zuzumuten, die unverbesserlichen Egoisten mit ihren Glimmstängeln von den Kindern fernzuhalten. Zu aufwendig, zu teuer, zu ineffektiv. Da weder Appelle an die Vernunft noch ein Nichtraucherschutzgesetz ausreichen, hilft nur folgendes: Tabakwerbung restlos verbieten und Rauchwaren noch viel teurer machen. Schon löst sich das Kippenproblem in Rauch auf. Auch zum Wohl der Konsumenten selbst.