Totenmasken: Gesichter des Todes
Autor: Petra Mayer
Bamberg, Sonntag, 01. November 2015
Seit über drei Jahrzehnten erstellt Beate Pohlus Totenmasken und widmet sich nun auch in Bamberg dieser selten praktizierten Kunst. Mit ihren plastischen Erinnerungsstücken möchte die Bildhauerin, die vor einem Jahr nach Oberfranken zog, Angehörigen Trost spenden.
Schmerzen, Angst, Verzweiflung, der innere Kampf vor dem letzten Atemzug: All das ist vorbei, wenn Beate Pohlus mit ihrer Arbeit beginnt. Dann ist es still. "Und ich sehe bei den Verstorbenen immer diesen friedlichen Gesichtsausdruck, der mir sagt, dass alles in Ordnung ist", meint die Künstlerin.
Mit einem weichen Pinsel trägt Beate Pohlus Creme auf die Haut des Leichnams auf, um danach eine erste dünne Gipsschicht folgen zu lassen. Rund vier Stunden dauert es, bis das Negativ der späteren Maske abgenommen ist - in der Wohnung der Verstorbenen, einer Klinik, Pathologie oder Leichenhalle. Nein, Beate Pohlus fürchtet den Tod nicht wie die meisten Menschen, die ihn bis zuletzt aus ihrem Leben verbannen. Die Bamberger Gymnasiallehrerin sucht in ihrer Freizeit sogar seine Nähe: "Ich habe selbst früh meinen Vater verloren und möchte Angehörigen in ähnlichen Situationen über plastische Erinnerungsstücke Trost spenden": das "letzte Gesicht", das Beate Pohlus gestaltet.
An der Schwelle zum Tod
Seit mehr als drei Jahrzehnten arbeitet die Bildhauerin und promovierte Kunsthistorikerin nun schon an der Schwelle zwischen Leben und Tod. "Dabei verwende ich ein über 500 Jahre altes Verfahren, das ich während meines Studiums an der Münchner Akademie der Bildenden Künste kennen lernte." Damals kam Pohlus zu ihrer Passion, als sie bei der Abnahme der Totenmaske von Carl Orff assistierte. Während Kollegen in derartigen Situationen Berührungsängste zeigten, "sah ich den Frieden im Gesicht der Verstorbenen, die allen Schmerz hinter sich ließen". Ein tröstliches Bild, das die gebürtige Münchnerin seither trauernden Angehörigen vermittelt: Menschen, die sich oftmals mit Selbstvorwürfen quälen statt sich an glückliche Momente zurückzuerinnern - und loszulassen.
Ins Gesicht geschrieben
Um die 60 Masken fertigte Beate Pohlus im Lauf der Jahre, neben zahlreichen Handformen. Wobei sie die einstige Präsenz, ja das Wesen der Verblichenen einzufangen sucht. "Güte, Wärme, Großzügigkeit: Das Gesicht offenbart, wie ein Mensch gelebt hat." Im Gegensatz zu vielen Bestattern, die Totenmasken abnehmen, verzichtet die Wahlbambergerin aber ganz bewusst auf Silikon. "Ich arbeite ausschließlich mit Gips, der die letzten Züge eines Menschen wesentlich genauer wiedergibt." Jede Pore, jedes Härchen käme zum Vorschein.Übers Internet finden Hinterbliebene die Bildhauerin, die seit einem Jahr in Bamberg lebt und als Kunsterzieherin am Clavius-Gymnasium unterrichtet. Auch Bestatter stellten vielfach schon den Kontakt zu Beate Pohlus her, die aus nahe liegenden Gründen landesweit noch verhältnismäßig wenig Konkurrenz hat und somit beispielsweise auch vom Bayerischen Fernsehen porträtiert wurde. Bis nach Österreich und Italien führten Aufträge die Künstlerin im Lauf der Zeit, die die Todesphobie vieler Menschen erlebte: "In Wien sogar bei einem Bestatter, den ich in der Pathologie traf ." Als er einem Verstorbenen die Augen schließen sollte, weigerte sich der Mann: "Na, do fassi ned hin." So führt jede Begegnung mit dem Tod auch zu interessanten zwischenmenschlichen Erfahrungen.
Vielen Angehörigen stand Beate Pohlus, die ein eigenes "Ritual des Abschieds" bietet, in der Trauer bei. Dazu gehört ein Gebet, das die 55-Jährige spricht, bevor sie sich der Verstobenen annimmt. Die meisten Hinterbliebenen geben sich im Beisein der Künstlerin währenddessen verhältnismäßig gefasst. "Dann aber wieder gibt es Menschen wie einen Mann, dessen Mutter gerade gestorben war. Er war so verzweifelt, dass ich mit ihm erst mal drei Stunden lang spazieren ging."