Tim Köhler: Vom eigenen Erfolg "irritiert"
Autor: Petra Mayer
Breitengüßbach, Montag, 26. Januar 2015
Als Liedermacher profiliert sich Tim Köhler ohne den Weltschmerz zu besingen. Von Breitengüßbach aus veranstaltet der gebürtige Bayreuther alle Jahre wieder auch ein "Gipfeltreffen" des Genres, über das wir mit dem Franken sprachen. Dazu gibt's Videos von Bühnenauftritten des Barden.
Seine ersten Songs schrieb er als Heavy-Metal-Fan "für 'ne harte Band, die's nie gab". Erst als Jurastudent betrat Tim Köhler die Bühne, nachdem ihn die Soul-Aktivisten von "Mrs. Martyn" rekrutierten. Später sang der Bayreuther bei "PhunkSyDunk" und beim chaotischen "Sendelbach-Duo". Als Liedermacher "outete" sich der heute 41-Jährige erst 2012. Und heimste seither diverse Auszeichnungen ein, was ihn selbst "am meisten irritierte". Wir baten den "Geburts- und Überzeugungs-Franken", der seit einigen Jahren in Breitengüßbach lebt, zum Interview.
Nicht bereit, "Sierra Madre" zu spielen
Ihr erstes Instrument war Papas "Alleinunterhalter-Keyboard", auf dem Sie Heavy Metal spielten. "Zum Davonlaufen" war das Ergebnis (Ihre Worte!). Dennoch musizierten Sie unbeirrt weiter.
Tim Köhler: Ja, weil ich meine Musik zu dieser Zeit noch niemandem vorspielen musste. Mein Vater hätte sich übrigens gefreut, wenn ich sein "Geschäft" übernommen hätte. Wogegen ich mich sträubte. Sicher wär's ne lukrative Sache gewesen, die ich mir durchaus zugetraut hätte. Nur bin ich nun mal nicht bereit, "Sierra Madre" zu spielen - egal, wie viel's einbringt.
Wünschten Sie sich nie, als Berufsmusiker zu arbeiten?
Definitiv nicht, zumal ich bei anderen mitbekomme, wohin das führt. Von der Musik leben zu können, bedeutet ja auch, von der Musik leben zu müssen. Klar, verbringe ich viel Zeit im Büro anstatt das zu tun, wonach mir mehr der Sinn steht. Aber dank meines geregelten Einkommens entscheide ich frei, in welche Richtung ich gehen möchte. Ich bin nicht auf andere angewiesen, muss keine Konzerte geben, auf die ich keine Lust habe. Für mich ist die Liedermacherei etwas, was ich gerne tue - unbeschwert, unbefleckt, frei von allen Zwängen des Geldverdienens.
Sind Sie beruflich zumindest im Musikbusiness tätig?
Nein, ich bin tatsächlich Beamter - obwohl's kaum zu glauben ist. Als Beamter wurde ich auch dienstlich von Bayreuth nach Bamberg versetzt und wohne darum in Breitengüßbach, weil mich die ewige Pendelei nervte.
Auf dem Sitz zusammengesunken
Sieht man sich Ihre Auszeichnungen an, war 2014 ein erfolgreiches Jahr. Ihr erfolgreichstes?
Schwer zu sagen. Ja, es war viel los. Es gab Auftritte von Süddeutschland bis nach Berlin - kreuz und quer. Ich gewann den Rhein-Main-Liedermacher-Wettbewerb in Hattersheim. Der Titel "Tänzer" meiner CD "also:" landete in der Liederbestenliste und in den Regionalcharts. Auch 2013 war ein gutes Jahr, obwohl die Liedermacherei noch ganz neu war. Ich sank auf meinem Sitz zusammen, als ich den Jury-Preis des 17. Liederfestes "Hoyschrecke" in Hoyerswerda gewann. Jahrelang war ich davon ausgegangen, dass sowas kein Mensch hören will.
Was fasziniert Sie gerade an dem Genre, das viele mit Betroffenheitslyrik verbinden?
Ich habe den Liedermacherbereich nicht bewusst gewählt. Früher kannte ich diese Art von Musik kaum, und was ich kannte, lag mir nicht. So komponierte ich, ohne mir darüber Gedanken zu machen. Erst nachdem ich mich mit meinen Songs nach Jahren tatsächlich vor die Tür wagte, kam ich in Kontakt mit dem Genre. Da spürte ich die Faszination, die noch immer weiter und weiter wächst. Es ist toll, zu sehen, wie viele wirklich gute Liedermacher es gibt. Sie verzichten bewusst darauf, allen gefällig zu sein und bringen stattdessen ehrliche Gedanken und Gefühle zu Papier, seien sie humorvoll, melancholisch oder kritisch. Es ist ein spezieller Menschenschlag, der mit " so was Uncoolem" auch noch auf der Bühne steht. Schade, dass das so wenig wahrgenommen wird. Immerhin bleibt der Bereich im Verborgenen kuschlig.
Die Liedermacher-Szene ist also kein Haifischbecken wie die Rock- und Pop-Branche, in der eine Retortenband nach der anderen produziert und verschlissen wird?
So wie ich die Szene bisher kenne: nein, ganz und gar nicht. Ich mache ja schon lange Musik und habe viel Neid und Missgunst erlebt. Ganz selten aber bei Liedermachern. Das mag daran liegen, dass wir Nischen-Musik produzieren. Mit Titeln, deren Texte Zuhörer auch wirklich zuhören lassen, landet man selten in den Charts und schon gar nicht in Bierzelten. Wir treten eher im intimen Rahmen auf, der uns kaum hoffen lässt, wirklich berühmt zu werden. Deswegen geht's bei Liedermachern wohl weniger verkrampft zu. Man unterstützt sich gegenseitig und respektiert, was der jeweils andere tut.
Nächstes Gipfeltreffen im November?
So organisierten Sie im vorigen Jahr auch ein Liedermacher-Gipfeltreffen. Wann folgt Volume 2?
Irgendwann im November. Ich möchte der Premiere im vergangenen Jahr eine langlebige Veranstaltungsreihe folgen lassen. Überall in Deutschland gibt's schließlich Liedermacher, die vor sich hin wurschteln. Man trifft sich nur zufällig bei Festivals. Darum meine Idee, mir mit netten Leuten, die gute Songs schreiben, und einem interessierten Publikum schöne gemeinsame Abende zu machen.
Sind außer den jährlichen Treffen gemeinsame CD-Projekte geplant?
Erst mal nicht. Wobei ich solche Gedanken auch schon hatte. Und mich angesichts dessen, was in den letzten zwei Jahren passiert ist, davor hüte, "nie" zu sagen.
Ebenso viele Musiker wie Zuschauer
Hatten Sie als Liedermacher auch Auftritte, die gründlich schief gingen.
Zum Glück selten. Richtig unangenehm war nur ein Gig bei einer Gratisveranstaltung. Da saßen ausgerechnet die Zuschauer direkt vor der Bühne, die sich für Liedermacher-Songs null interessieren. Sie quatschten so lautstark, dass der Rest im Saal kaum noch was mitbekam. Da spiele ich lieber vor wenigen Interessierten. Wobei's nicht zu wenig sein dürfen wie bei einem Auftritt mit Nadine Maria Schmidt in Berlin. Am gleichen Abend gab's die ganzen Mauerfall-Festivitäten, wogegen's bei uns eher ruhig blieb. Immerhin machten wir das Beste daraus: Einer der Zuschauer war selbst Liedermacher und spielte spontan mit uns. Das Zahlenverhältnis zwischen Musikern und Publikum war somit "Drei gegen Drei". Ein lauschiger Abend unter Freunden.
Was ist 2015 geplant?
Die ersten Konzerttermine stehen schon fest - darunter mein Auftritt beim Berliner Festival Musik und Politik. Auch freue ich mich darauf, als Liedermacher wieder Regionen zu besuchen, in denen ich nie zuvor war. Mit meiner lieben Kollegin Nadine Maria Schmidt möchte ich eine kleine gemeinsame Tour machen, voraussichtlich durch Ostdeutschland. Ansonsten: Mal sehen, was sich ergibt.
Haben Sie eigentlich ein Lebensmotto?
Es gibt stehende Sätze, die ich mir und anderen immer wieder sage. Dazu gehört das, was zu meinem Liedermacherdasein führte: "Manchmal sollte die Frage nicht ,warum?', sondern ,warum nicht?' lauten."