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Theater: Spaß und Nervenkitzel "inklusive"


Autor: Petra Mayer

Bamberg, Donnerstag, 19. November 2015

Alle interessierten Bamberger können sich neben Teilnehmern der OBA in der neuen "Kulturwerkstatt" der Lebenshilfe engagieren. Profis leiten die Theater-, Tanz-, Musik- und Kunstprojekte, die zu einem Stück verschmelzen.
Vor großem Publikum traten Darsteller der OBA schon am E.T.A.-Hoffmann-Theater auf. Foto: Lebenshilfe


Gerade kämpft Burkard als "Herakles" mit der zischenden "Hydra". Er schwingt die Schaumstoffkeule, der Thomas, Stefan und all die anderen "Schlangenköpfe" kaum ausweichen können. Das Reptil kriecht über den Boden, wehrt und windet sich - den Anweisungen des "Regisseurs" folgend. Bis sich die "Hydra" irgendwann, vom Helden besiegt, nicht mehr regt. Und erst Minuten später in anderer Besetzung zu neuem Leben erwacht.

Eine Szene aus der "Künstlerwerkstatt Theater", in der sich allwöchentlich zehn "behinderte" und "nichtbehinderte" Bühnenakteure treffen. Wer lieber in einer Band spielt oder Instrumente lernen möchte, engagiert sich in der "Künstlerwerkstatt Musik". Dann gibt es noch die "Künstlerwerkstatt Bildende Kunst" und die "Künstlerwerkstatt Tanz" als weitere Teile der "Inklusiven Kulturwerkstatt", die die Offene Behindertenarbeit der Lebenshilfe (OBA) in Bamberg anbietet. "Unser Projekt will Kunst und Kultur von Menschen mit Behinderung vom Rand in die Mitte der Gesellschaft tragen", erläutert Michael Hemm als Leiter der OBA.


Im E.T.A.-Hoffmann-Theater

Zurück zu "Herakles" und seiner "Hydra", die sich wild gebärdet und dabei ungewollt in ihre Einzelteile zerlegt. "Hakt Euch jetzt alle mal ein und bildet einen Kreis", ruft Harald Rink, den viele Bamberger sicher von den Anonymen Impronikern her kennen. Gerade stehen bei der Theatergruppe auch Improvisationen an, über die Teilnehmer einen individuellen Bezug zum sagenhaften Geschehen entwickeln. Der nächste "Schlangenkopf" wird abgeschlagen und ist raus aus dem Spiel: Stefan Senger. Ein Mime, der mit anderen OBA-Darstellern schon auf der Bühne des E.T.A.-Hoffmann-Theaters stand, wie der 47-Jährige berichtet: "Vor Publikum aufzutreten, ist aufregend. Ich hab' einen Toten gespielt - im Wilden Westen." Zu Texten Georg Paulmichls, der als Maler und Autor mit "geistiger Behinderung" Erfolge feiert, hatte die Truppe mehrere Szenen gezeigt.

Von genau dieser Aufführung las Thomas Klauer, der neben Stefan Senger auf seinen nächsten Einsatz wartet. Zu den Einrichtungen der Lebenshilfe hatte der Bamberger, der bereits mit den Äh-Werkern und anderen Theatergruppen auftrat, bis dahin wenig Bezug. "Nachdem ich aber in der Zeitung von dem Projekt las, wollte ich in diese andere Welt blicken", sagt der 54-Jährige. Und wie ist's mit Darstellern zu arbeiten, denen die Gesellschaft viel zu lange mit Vorurteilen begegnete? "Es macht Spaß", meint Klauer, der dann auch schon wieder gefragt ist und die "Ersatzbank" verlässt. Mit den anderen Teilnehmern erarbeitet der Franke ein Theaterstück, das im kommenden Jahr vor Publikum zu sehen ist.

Michael Backert spielt vor Zuschauern keine Rolle. Er trommelt lieber für den Erfolg der "Künstlerwerkstatt Musik". "Ich war bereits zu Schulzeiten der Drummer", sagt der 31-Jährige, der sich für die unterschiedlichsten Rhythmen begeistern kann. So genießt es der Mitarbeiter einer Lebenshilfe-Werkstatt, in seiner Freizeit wieder die Sticks zu schwingen. Vielleicht wechselt Backert von der Percussion-Gruppe, mit der er sich einmal pro Woche unter der Leitung von Philipp Zeitler trifft, später in die "O - Band": Auch sie gehört als "inklusive Gruppe" zur "Künstlerwerkstatt Musik". Neben dem Zusammenspiel mit anderen lernen die Mitglieder, ihre Instrumente noch besser zu beherrschen. Wobei Nick Skarupke als Leiter der Band den Ton angibt, der sich in Bamberg auch als Poetry Slammer profilierte.


Gefühle vermitteln

In der "Künstlerwerkstatt Tanz" lernen die Teilnehmer, sich über Bewegung, ihre Körpersprache auszudrücken. Wie Olga Weber, für die Tanzen mehr als nur eine liebe Freizeitbeschäftigung ist. "Ich kann meine Freude zeigen, Liebe und jedes andere Gefühl vermitteln", schwärmt die 46-Jährige, die nach einer dreijährigen Projektphase mit all den anderen Protagonisten der "inklusiven Kulturwerkstatt" auf der Bühne des E.T.A-Hoffmann-Theaters steht, wo die abschließende Aufführung gezeigt wird.


Ausstellungen geplant

Und wer sorgt fürs Bühnenbild, wenn sich die Mimen, Musiker und Tänzer vor Publikum präsentieren? Die "Künstlerwerkstatt Bildende Kunst", in der kreative Köpfe wie Timur Manapow mit Pinsel und Farbe, dem Zeichenstift, Ton oder einer Kamera arbeiten. Unter der Anleitung renommierter Künstler wie Karlheinz Beer und Michael Knobel können Teilnehmer eine eigene Bild- und Formensprache entwickeln, wie der Leiter der OBA berichtet. Auch Workshops zu ausgewählten Themen und künstlerischen Techniken sind geplant. "Ob großformatige Malerei, kleinteilige Bleistiftzeichnungen, Skulpturen oder Fotografie - alles ist möglich. Denn ungewöhnliche Menschen schaffen ungewöhnliche Kunst": Werke, die schon während der Projektphase in Ausstellungen gezeigt werden, um "die Aufmerksamkeit auf den besonderen kulturellen Beitrag von Outsider-Kunst im öffentlichen Raum zu lenken."