Druckartikel: Teurer Rauswurf: Muss Bamberg Abfindungen bezahlen?

Teurer Rauswurf: Muss Bamberg Abfindungen bezahlen?


Autor: Michael Wehner

Bamberg, Montag, 03. November 2014

Die Trennung der künftigen Intendantin Sibylle Broll-Pape von 20 Künstlern bürdet der Stadt wegen nötiger Abfindungen möglicherweise hohe Zusatzkosten auf. Nicht nur diese Aussicht löst bei Finanzpolitikern Unbehagen aus.
In den vergangenen Jahren war es ein Vorteil, dass sich das Bamberger Theaterpublikum mit den Schauspielern identifizierte - die Besucherzahlen blieben hoch. Nach dem Ärger um den Rauswurf von 20 Künstlerinnen und Künstlern ist das unsicher.   Archivbild: Ronald Rinklef


Gabi Friedlein liebt das Theater, ganz besonders das Bamberger Haus. Doch in diesem Herbst wird ihre Begeisterung für die Bretter, die die Welt bedeuten, auf eine harte Probe gestellt. "Ich bin empört über das, was in Bamberg geschieht. Über Nacht wirft man 20 Künstler raus, während die neue Intendantin nicht einmal eine Probezeit hat. Das wird viele Zuschauer kosten."

Es wird kosten. So viel ist sicher. Nicht nur Abos oder Reputation beim Bamberger Stammpublikum stehen auf dem Spiel. Auch öffentliches Geld. Im Normalvertrag Bühne Solo für das künstlerische Personal an deutschen Bühnen ist in Paragraph 6 die Frage der "Abfindungen bei Intendanzwechsel" geregelt. Eine simple Vereinbarung der Tarifparteien: Wenn wie in Bamberg 20 Schauspieler, Dramaturgen und Mitarbeiter der Ausstattung keine Vertragsverlängerung erhalten, können sie je nach Zugehörigkeit zum Ensemble auf drei bis sechs Monatsgehälter Abfindung hoffen. Dazu kommen noch Umzugshilfen bis zu einem Monatsgehalt.

Finanzieller Rettungsschirm

Was für die betroffenen Künstler eine Art finanziellen Rettungsschirms darstellt, falls sie keinen Anschlussvertrag an einer anderen Bühne finden, ist für die Kommune eine finanzielle Mehrbelastung. Anders formuliert: In dem Maße, in dem der harte Kurs der neuen Intendantin unerwartete Mehrkosten verursacht, muss Dieter Strattner, Chef der Theaterverwaltung, eine Vergrößerung des Theaterbudgets im übernächsten Jahr einplanen. Das Theaterdefizit, 2014 bei 2,8 Millionen Euro, wird also steigen.

Um wie viel? Im Rathaus kann man noch keine Summe nennen, auch deshalb, weil die Hoffnung besteht, dass möglichst viele Künstler andernorts unterkommen und doch keine Abfindungen fällig werden. Sicher ist: Es werden keine sechsstelligen Beträge sein. Sicher ist aber auch: Es ist der Steuerzahler, der für den Schaden aufkommt, denn es ist bekanntlich die Stadt, die den Theaterhaushalt finanziert.

Deshalb löst die Nachricht bei jenen Finanzpolitikern im Rathaus Unbehagen aus, die nach ihrem Bekunden bisher gar nichts von möglichen Abfindungen wussten. Etwa Helmut Müller, Fraktionschef der CSU: "Auch wenn es nur wenige Euro sind, so würde uns das sehr treffen. Wir stehen bekanntlich vor großen Aufgaben und unser Haushalt ist extrem eng gestrickt", beschreibt Müller den jährlichen Wettlauf sozialer und kultureller Institutionen um öffentliche Gelder. Von Chapeau Claque bis zum Zirkus Giovanni: "Was wir zusätzlich ausgeben, das fehlt woanders."

Auch für die Grünen ist offenbar neu, dass der "radikale Wechsel" neben der öffentlichen Debatte möglicherweise auch Kosten auslöst. Fraktionschefin Ursula Sowa erinnert sich daran, dass die neue Intendantin im Vorstellungsgespräch versprochen habe, "so schonend wie möglich" vorzugehen. Dass dies nicht passiert, irritiert sie. Dennoch müsse man Sibylle Broll-Pape eine Chance geben.

Natürlich sind in der öffentlichen Diskussion in Bamberg nicht nur kritische Stimmen zur Haltung der aus Bochum stammenden künftigen Prinzipalin zu hören: Es gibt auch solche, die dazu aufrufen, die Chancen eines Wechsels zu sehen.

Dafür plädiert etwa der Autor Peter Braun: Die leider hierorts weitverbreitete Haltung des Duldens und Schönredens habe dem Theater ebenso geschadet wie dessen Nutzung als Intendanten-Privattheater. Dass die neue Intendantin reinen Tisch machen wolle, spreche - natürlich mit Abstrichen - für sie.

Freilich überwiegt bei den Bambergern ein Jahr vor dem Start in eine neue, möglicherweise bewegende Schauspiel-Ära die Ablehnung der Broll-Papeschen Personalpolitik. 62 Prozent von über 244 Usern unserer Umfrage auf infranken.de finden das Ausmaß, mit dem die Nachfolgerin Lewandowskis in ein bestehendes Ensemble eingreift, als nicht hinnehmbar.

Das Spiegelbild dieser Haltung findet sich mittlerweile offenbar sogar in der obersten Etage im Rathaus. Kulturbürgermeister Christian Lange (CSU) betont zwar, dass er sich in die künstlerischen Entscheidungen der Intendantin nicht einmischen werde. Andererseits gibt der Bamberger Kulturchef Broll-Pape auch keine öffentliche Rückendeckung.

Man muss wissen. Auch im Rathaus ist man sich über die Risiken eines möglicherweise zu heftigen Kurswechsels bewusst. Das hat vor allem mit Geld zu tun. Wegen der überdurchschnittlich hohen Auslastung von 80 Prozent gelang es der Stadt, die Eigenbeteiligung in den vergangenen Jahren vergleichsweise niedrig zu halten. "Ein solches Ergebnis ist nicht selbstverständlich", sagt Dieter Strattner. Das konservative fränkische Publikum habe sich in den vergangenen Jahren als treu erwiesen, auch deshalb, weil es sich mit "seinen Schauspielern" identifiziert habe.

Konkurrenztheater in Gründung

Sibylle Broll-Pape hat unterdessen in einem Interview bekräftigt, dass sie in Bamberg dem zeitgenössischen Theater mehr Platz einräumen will. Ihr Verständnis von Bühnenarbeit schließt es ausdrücklich ein, mit den Leuten der Stadt, mit Bürgerinitiativen oder auch anderen Kultureinrichtungen in Kontakt zu treten. Dazu hat sie ab 2015 möglicherweise mehr Gelegenheit als gedacht: Ein Teil der geschassten Schauspieler des E.T.A.-Hoffmann-Theaters plant bereits, ein kleines Konkurrenztheater zu gründen.



Lade TED
 
Ted wird geladen, bitte warten...