Tempo 130 auf Autobahnen: Was bringt uns eine Begrenzung?
Autor: Christoph Hägele, Stephan Großmann
Bamberg, Dienstag, 22. Januar 2019
Mehr Klimaschutz und Sicherheit, dafür weniger Freiheit? Die Debatte um Tempo 130 spaltet die Autonation. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
70 Millionen Tonnen Kohlendioxid gingen in Deutschland 2017 auf das Konto des Verkehrs. Wie sich der Ausstoß reduzieren lässt, diskutiert derzeit die Kommission "Nationale Plattform Zukunft der Mobilität". Sie soll Maßnahmen identifizieren, mit denen sich die Klimaziele bis 2030 erreichen lassen. Demnach müssen die CO2-Emissionen bis dann um 40 Prozent sinken.
Als einen von 19 Vorschlägen hat die Kommission ein Tempolimit von 130 Stundenkilometern auf deutschen Straßen in die Diskussion gebracht. Nutzt ein Tempolimit der Umwelt? Laut einer Studie des Umweltbundesamts würden sich bei 120 km/h die -Emissionen um neun Prozent reduzieren - bezogen auf den Pkw-Verkehr auf Autobahnen. Allerdings verursacht laut Umweltamt der Pkw-Verkehr nur etwa 13 Prozent der Emissionen in Deutschland. Hinzu kommt, dass Pkw nur ein Drittel ihrer Fahrleistung auf Autobahnen erbringen.
Laut Umweltbundesamt würde ein Tempolimit den Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxid um deutlich weniger als ein Prozent reduzieren. Im Ringen um einen klimaschonenderen Verkehr vertraut der Verband stattdessen auf die Vernetzung von Fahrzeugen untereinander: "Die Digitalisierung des Verkehrs verhindert Staus", sagt der VDA. Auch Lisa Badum, Grünen-Bundespolitikern aus Forchheim, identifiziert im Tempo-Limit nur eine von mehreren Maßnahmen: "Hinzu kommen müssen die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene sowie der Ausbau des ÖPNVs und der Fahrradinfrastruktur."
Erhöht ein Tempolimit die Verkehrssicherheit? Fast 200 schwere Unfälle mit Verletzten hat es 2017 wegen unangepasster Geschwindigkeit auf oberfränkischen Autobahnen gegeben, drei Menschen sind gestorben. Auf Landstraßen gab es in der Region 572 Unfälle mit Verletzten, 14 gingen tödlich aus. "Zu schnelles Fahren ist die Hauptursache für schwere Unfälle", sagt Jürgen Stadter vom Polizeipräsidium Oberfranken.
Auch die Gewerkschaft der Polizei sieht Handlungsbedarf. "Wenn jemand mit Tempo 180 unterwegs ist und vor ihm schert ein Fahrzeug mit Tempo 90 auf die Überholspur aus, geht das schnell schief", sagt der stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende Michael Mertens. Der Automobilclub AvD hält einen Einfluss genereller Tempobegrenzungen auf die Unfallzahlen für nicht erwiesen. Stattdessen plädiert der Verband für Geschwindigkeitsbegrenzungen an Gefahrenstellen und Unfallschwerpunkten. Gefährdet ein Tempolimit Arbeitsplätze? Laut VDA ist die Zahl der in der Autoindustrie Beschäftigungen um zwei Prozent auf 833 700 Mitarbeiter gestiegen. Alleine in Bayern belief sich deren Zahl laut dem Verband der bayerischen Wirtschaft (vbw) auf 221 000.
Gerade Franken mit seinen großen Zulieferern wie Brose, Schaeffler oder Bosch ist in hohem Maße von der Auftragslage der Autoindustrie abhängig. Dass ein Tempolimit den Absatz der PS-starken Flotten deutscher Autobauer einbrechen lassen würde, fürchtet der VDA nicht. "Die Kunden kaufen deutsche Autos nicht nur, um mit ihnen schneller auf Autobahnen unterwegs zu sein", sagte gestern ein VDA-Sprecher. Benachteiligt ein Tempolimit Pendler? "Eher nicht", sagt Wolfgang Lieberth vom ADAC Nordbayern. Vor allem zu den Hauptzeiten sei die Fließgeschwindigkeit meist langsamer als das diskutierte Limit. Besser sei der Ausbau elektronischer Streckenbeeinflussungsanlagen. Diese reagieren sofort auf den Verkehrsfluss. Jeder zweite Bayer pendelte 2016 zwischen Wohn- und Arbeitsort, 69 Prozent im Auto, teilt das Landesamt für Statistik mit.
Beschneidet ein Tempolimit Freiheitsrechte? Ein gesetzlich geschützten Anspruch auf freie Fahrt existiert nicht. Die Debatte ist dennoch weltanschaulich aufgeladen. Nicht von ungefähr fühlt sich der frühere Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir an die Diskussion über das Recht der Amerikaner auf Waffenbesitz erinnert. Özdemir selbst nennt Tempolimits als "Gebot der Vernunft". Sebastian Körber, der aus Forchheim stammende Verkehrsexperte der FDP im Landtag, schmäht Tempolimits dagegen als "Eingriffe in die Freiheit zur selbstbestimmten Fortbewegung.