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Streckensperrung: Fast 2000 Menschen stranden in Hirschaid


Autor: Gertrud Glössner-Möschk

Hirschaid, Dienstag, 06. Dezember 2016

Mehr als 1900 Bahnfahrer hingen am Samstag in Hirschaid fest. Die DLRG half aus der größten Not.
Kein schöner Ort, um stundenlang in der Kälte auszuharren  Foto: R. Rinklef


Wegen eines Oberleitungsschadens der Bahn sind am Samstagnachmittag mehr als 1900 Fahrgäste in Hirschaid gestrandet: Ihre Züge konnten nicht mehr weiter in Richtung Süden fahren. Bei klirrender Kälte und ohne Toilette mussten die Menschen stundenlang im Freien ausharren, bis sie einen Platz in einem der raren Schienenersatzbusse ergattern konnten oder mit privaten Fahrzeugen abgeholt wurden. Der Grund: Hirschaid hat keinen ordentlichen Bahnhof mehr, sondern nur noch einen "Haltepunkt" ohne jegliche Infrastruktur.


In Kürze alle Kräfte mobilisiert

Notburga Füßl, eine 75 Jahre alte Dame aus Lauf, gehörte am Samstag zu einer Gruppe von fast 300 Menschen, die bis 16.30 Uhr in Hirschaid angekommen waren und in der Folge schlimme Stunden erleben mussten. Sie hätte allen Grund, sich zu beschweren, aber sie will sich in erster Linie bei der Ortsgruppe Hirschaid der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft bedanken: DLRG-Einsatzleiter Hans-Jürgen Wittmann hatte alle verfügbaren Kräfte zusammengetrommelt, nachdem Notburga Füßl in ihrer Verzweiflung an das neben der Bahn stehende DLRG-Wasserrettungszentrum geklopft hatte. Ihr Glück: Sie traf auf Menschen, weil im Haus gerade ein Sanitätskurs stattfand. Die Hilfe der Bahn überzeugte sie hingegen nicht: Die eingesetzten Schienenersatzbusse reichten nach ihrer Beobachtung nicht annähernd aus.


Heißer Tee und Suppe

In kürzester Zeit mobilisierte Wittmann nach Rücksprache mit der integrierten Leitstelle 37 Rettungskräfte aus den Ortsverbänden Hirschaid und Forchheim, die sich unverzüglich um die "Gestrandeten" kümmerten, vor allem um die älteren und körperlich Gebrechlichen unter den Bahnfahrern. Diese durften in einem warmen Aufenthaltsraum Platz nehmen und bekamen heißen Tee und Suppe, die von der Verpflegungsgruppe der DLRG Hirschaid zubereitet wurden.

Die Helfer sorgten dafür, dass sie nicht in der Kälte auf den Bus warten mussten. Laut Einsatzleiter Wittmann waren es gegen 16.45 Uhr etwa 250 Fahrgäste, für die in Hirschaid erst einmal "Endstation" war und die um diese Zeit bereits eineinhalb Stunden bei minus 3 Grad Celsius ausgeharrt hatten. Weitere Stunden vergingen, bis alle einen Weitertransport gefunden hatten. Frau Füßl zum Beispiel bekam erst um 19 Uhr eine Mitfahrgelegenheit in einem Privatauto und war kurz vor 20 Uhr zu Hause. Nach unbestätigten Angaben sollen während des Samstags insgesamt mehr als 1900 Personen von dem Ausfall betroffen gewesen und für Stunden in Hirschaid gelandet sein.


"Wütende Massen"

Auf Facebook bedankten sich Betroffene und Angehörige ausdrücklich bei der DLRG Hirschaid. Eine Dame schrieb: "Ein mir bekannter Lokführer meinte, er wäre ohne die Jungs und Mädels (von der DLRG) an diesem Tag echt aufgeschmissen gewesen, da die zu Recht wütenden Massen sonst nicht zu händeln gewesen wären. Danke Danke Danke."


Mehrere "Explosionen"

Ein Sprecher der Bahn lieferte auf Anfrage der Redaktion einige Eckdaten zu den Vorkommnissen: Von Ausfällen, Umleitungen und Verspätungen waren rund 50 Züge betroffen, die zwischen Bamberg und Vach verkehren.
Die Störungen dauerten von 13.07 Uhr bis 20.05 Uhr. In Hirschaid "trafen" sich die aus Bamberg mit der S-Bahn ankommenden Kunden mit den Passagieren des Busnotverkehrs aus Vach. Zur Evakuierung setzte die Bahn sechs Busse ein, im Busnotverkehr fuhren 15 Busse.

Zu allem Überfluss kam es am Hirschaider Haltepunkt gegen 18.45 Uhr noch zu einem Vorfall, der die Polizei auf den Plan rief; Ermittlungsbehörde ist die für die Bahn zuständige Bundespolizeiinspektion Würzburg: Bislang unbekannte Täter aus einer Gruppe von Fußballfans sollen Feuerwerkskörper gezündet haben. Ein Zeuge hatte der Polizei berichtet, mehrere "Explosionen" im Bereich des Bahnhofs gehört zu haben.

Vor Ort konnten die eingesetzten Beamten aber keine tatverdächtigen Personen antreffen, und auch bei den Fußballfans, die den Schienenersatzverkehr nutzten, fanden sie keine Pyrotechnik. Die Bundespolizei ermittelt nun wegen Verstößen gegen das Sprengstoffgesetz sowie versuchter gefährlicher Körperverletzung und hofft auf Zeugenhinweise unter der Rufnummer 0931/322 590.