Tausend Jahre in einem Buch
Autor: Marion Krüger-Hundrup
Kemmern, Freitag, 16. Juni 2017
Schwergewichtig und qualitätsvoll ist die druckfrische Ortschronik, die die Gemeinde Kemmern zum Jubiläum herausgegeben hat.
           
Als Bettlektüre eignet sich die neue Ortschronik Kemmerns nicht unbedingt. Dafür ist das knapp 300 Seiten umfassende Werk zu schwer und großformatig. Doch das druckfrische Buch wird nicht nur geschichtsinteressierte Kemmerner begeistern: "Weißt du noch? Kennst du noch?" Diese Fragen drängen sich allein schon beim Betrachten der vielen hundert Fotos - auch aus privaten Fotoalben - auf, die gerade die alteingesessenen Ortsbewohner begeistern dürften. Die Wieder- und Neuentdeckung liebenswürdiger Kemmerner früherer Zeiten ist garantiert.
  
  Von Würzburg nach Bamberg
 
Vor 1000 Jahren, am 26. Oktober 1017, wurde Kemmern ("Camerin") erstmals urkundlich erwähnt. Kaiser Heinrich II. hatte dieses Schriftstück ausgestellt auf Bitte der Bischöfe von Bamberg und Würzburg. Die beiden Oberhirten hatten sich auf ein Tauschgeschäft geeinigt. Der Würzburger Bischof übertrug durch den Vogt des Bistums das Kirchengut in Erlangen, Forchheim, Eggolsheim und Kersbach an Bamberg, dazu vier Fischer in Kemmern. Eingeschlossen wurden Äcker, Felder und sonstige Grundstücke, Hutflächen und Wälder, Jagdrechte, Fischrechte, Mühlen, alle Abgaben und Einkünfte und der Zehnt. Im Gegenzug erhielt Würzburg aus dem Besitz der Bamberger Kirche Gaukönigshofen und Trennfeld am Main.Siedlungsgeschichtlich ist Kemmern weitaus älter als 1000 Jahre. Doch dass der heute 2650 Einwohner zählende Ort im Landkreis Bamberg vor einem Millennium aus dem Dunkel der Geschichte auftauchte, ist für ganz Kemmern Anlass genug, ausgiebig zu feiern.
So also auch mit der neuen Chronik mit dem Titel "Kemmern - Leben am Main. Ein fränkisches Dorf und seine Menschen im Wandel". Für Ersten Bürgermeister Rüdiger Gerst (CSU), selbst studierter Historiker, war es ein Herzensanliegen, 1000 Jahre Ortsgeschichte sozusagen zwischen Buchdeckeln vorlegen zu können. Zumal die von Konrad Schrott verfasste Ortsgeschichte für Kemmern bereits 1986 erschienen war "und sich seitdem nicht nur das Gesicht der Gemeinde Kemmern erheblich gewandelt hat, sondern sich mittlerweile auch neuere methodische Ansätze zur Erforschung einer Ortsgeschichte durchgesetzt haben". So begründet der Bürgermeister das ehrgeizige Projekt "Fortschreibung der Ortchronik".
  
  Schwerpunkt 20. Jahrhundert
 
Gemeinsam mit Zweitem Bürgermeister Hans-Dieter Ruß (CSU) gelang es Gerst, eine ausgewiesene Expertin für dieses Vorhaben zu gewinnen: Barbara Spies aus Hallstadt-Dörfleins, Kreisarchivpflegerin des Landkreises Bamberg, die Volkskunde, Kunstgeschichte und Denkmalpflege in Bamberg studiert hat."Beide Chroniken ergänzen sich", sagt Barbara Spies bescheiden zu ihrer sorgfältig recherchierten Arbeit. Dabei gelang es ihr in der übernommenen Gesamtredaktion, die vergangenen 30 Jahre zu veranschaulichen. Vor allem aber konnte sie einen inhaltlichen Schwerpunkt auf das 20. Jahrhundert setzen und auch die schwierigen Jahre des nationalsozialistischen Regimes in Kemmern aufarbeiten. "Der Abstand zum Dritten Reich ist heute größer geworden", erklärt Spies, so dass etwa Zeitzeugen und Nachkommen sachlicher damit umgehen könnten.
Denn "Oral History", von Zeitzeugen erzählte Geschichte, macht generell den besonderen Reiz der neuen Ortchronik aus. Barbara Spies hat mit älteren Bewohnern Interviews durchgeführt. Diese wörtlichen Erzählungen - kursiv im Buch gesetzt - fließen in die Texte ein und veranschaulichen die nüchternen Daten und Fakten - auch aus den "politisch schwierigen 1950er, 1960er Jahren".
  
  Beiträge von Gastautoren
 
Akribisch und dennoch flüssig lesbar legt Barbara Spies dar, wie Glauben, Kirche, Kinder, der Fluss Main das Leben in Kemmern bis zum heutigen Tag prägen. Die facettenreiche Vereinslandschaft wird beleuchtet, die gelungene Integration von Heimatvertriebenen und Flüchtlingen dargelegt.Das Buch - erschienen im Michael Imhof Verlag - punktet zudem mit Beiträgen von Gastautoren wie Bezirksheimatpfleger Günter Dippold, Thomas Gunzelmann, Hauptkonservator beim Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege in Memmelsdorf/Seehof, oder Britta Ziegler, Dozentin am Lehrstuhl für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit der Universität Bamberg.
Die Chronik wird für alle Kemmerner am Montag, 19. Juni, 19 Uhr, im Pfarrheim vorgestellt.