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Tatort Franken: So arbeitet die fränkische Polizei wirklich


Autor: Natalie Schalk

Nürnberg, Dienstag, 03. Sept. 2013

Der Bayerische Rundfunk hat ein Riesen-Geheimnis daraus gemacht - jetzt steht fest, wo der neue Tatort des Bayerischen Rundfunks spielt: in Nürnberg. Die TV-Mordkommission arbeitet allerdings in ganz Franken, und die Rechtsmediziner sitzen je nach Fall in Würzburg oder in Erlangen. Ein echter Kommissar erklärt, wie in Franken wirklich ermittelt wird.
Der "Tatort" wird fränkisch - diese Augen sind es schon: Sie gehören dem Bamberger Ersten Kriminalhauptkommissar Stephan Christa. Foto: Matthias Hoch


Über der Jeans trägt der Kommissar ein weiß-orange-blau-gestreiftes Hemd. Kein Schlapphut, kein Trenchcoat, nicht einmal 'n Lederblouson, wie der von Max Ballauf in Köln. Und schon gar nicht so ein versiffter Parka, wie der, mit dem Horst Schimanski zum Kult-Kommissar wurde.

Das Äußere von Stephan Christa ist gewöhnlich, unauffällig - Tarnung? "Praktisch", sagt der Erste Kriminalhauptkommissar der Kriminalpolizeiinspektion Bamberg und Leiter des Kriminaldauerdienstes (KDD). "Wir müssen funktionell angezogen sein. Keiner kommt im Anzug zum Tatort raus und matscht dann im Dreck rum - obwohl das im Film ganz lustig sein kann."

Christa schaut im Fernsehen gern den "Tatort". Er amüsiert sich, wenn der Münsteraner TV-Rechtsmediziner Professor Dr. Karl-Friedrich Boerne seine Smokinghose schmutzig macht.

Der echte Kommissar vergleicht aber auch die Darstellung im Fernsehen mit der Realität: "Im Film ist die Personalisierung ganz stark, der Charakter, den die Schauspieler darstellen. Bei uns sind mit einer Mordermittlung nicht ein, zwei Kommissare beschäftigt, sondern eine Sonderkommission aus 10, 15 Leuten, die zusammenarbeiten. Da gibt's nicht den großen Star, sondern das Team."

Lokalkolorit als Erfolgsrezept
Der Filmkrimi verdankt seinen Erfolg aber vor allem den Kommissar-Persönlichkeiten aus den verschiedenen Bundesländern. Sie verkörpern nicht nur die Polizei, sondern vermitteln auch den Charakter einer Region. Der "Tatort" ist die am längsten laufende und nach Einschaltquoten erfolgreichste Krimiserie im deutschsprachigen Raum. Bisher gibt es 21 Kommissare und Kommissaren-Duos, die in 18 deutschen Städten, in Wien und in Luzern ermitteln.

Bislang spielten der "Tatort" und der "Polizeiruf" des Bayerischen Rundfunks in Altbayern.

"Es wird Zeit für einen Franken-Tatort", findet Christa. "Bayern besteht schließlich nicht nur aus München und Oberbayern." Mit dieser Meinung steht der 49-Jährige nicht alleine. Aus den fränkischen Regierungsbezirken wird schon seit langem ein "Tatort" aus dem Norden Bayerns gefordert. Jahrelang hat der Sender die Rufe ignoriert.

Christa erinnert sich an einen halbherzigen Versuch, etwas Fränkisches in den bayerischen Krimi zu bringen: "Die Münchner Tatort-Kommissare Batic und Leitmayr hatten mal nen Franken dabei", sagt Christa und schüttelt sich. "Der sprach einen ganz ordinären Nürnberger Dialekt und wurde nur als Depp dargestellt.

Das muss nicht sein! Die Franken machen ihre Arbeit genauso wie die Münchner."

Bamberg als mörderisch-malerische Kulisse
Der echte Kommissar hätte sich einen Fernseh-Mord in Bamberg gewünscht. "Weil die Kulisse fantastisch ist. Schließlich werden hier auch Weltfilme wie die drei Musketiere gedreht."

BR-Intendant Ulrich Wilhelm hatte einen eigenen Franken-"Tatort" erstmals im Oktober vergangenen Jahres offiziell angekündigt, bis Dienstag aber geheim gehalten, wo er spielen soll. Nun werden die fränkischen Tatort-Ermittler also in Nürnberg sitzen, aber sie sollen Fälle aus Unter-, Mittel- und Oberfranken lösen.

 


Drehbeginn im Frühjahr 2014
Stephanie Heckner, Redaktionsleitung Reihen und Mehrteiler des Bayerischen Fernsehens, erklärt, dass das Ermittlerteam und der erste Fall in Nürnberg, Fürth und Umgebung starten. Der Franken-Tatort wird im Frühjahr 2014 gedreht und kann Ende 2014 ausgestrahlt werden. Hauptdarsteller, Regisseur und Thema des Krimis sind noch nicht bekannt.


"Im zweiten Franken-Tatort ermittelt die Mordkommission bereits in einer anderen Region", sagt Heckner. Vielleicht gibt's dann ja einen Bamberg-Tatort. "Nürnberg ist schon auch toll", sagt Christa. "Und die Wahrscheinlichkeit, dass in der Großstadt, in einem Viertel, wo es multikulturell zugeht, was passiert, ist natürlich größer als auf dem Land."

Wobei dem Bamberger die "Leichensachbearbeitung", wie es im Polizeijargon heißt, nicht fremd ist: Etwa 150 bis 200 Fälle werden

 

vom KDD Bamberg jährlich zu den Akten gelegt, darunter auch Unfälle. "Es gibt viele tragische Geschichten, die einem nachgehen", sagt der Erste Kriminalhauptkommissar.

An einem echten Tatort ist der KDD zuerst
Der KDD ist normalerweise nach einer uniformierten Streife als erstes an einem (potenziellen) Tatort. "Da muss man schon ordentlich hinschauen und aufpassen, dass keine Spuren verfälscht werden - denn dann kommt der Notarzt, der Rettungsdienst - und später müssen wir nachvollziehen können, wie zum Beispiel der Schließzustand der Tür war, ob das Fenster gekippt war, ob der Fernseher lief. Wir müssen möglichst schnell da sein und die Situation einfrieren."
 

 


Der Rest der Ermittlung wird im Team verteilt. Das ist anders als im Fernsehen.

 

Auch das Privatleben unterscheidet sich deutlich: Während sich die TV-Kommissare nach Dienstschluss mit den Kollegen in der Eckkneipe einen Absacker genehmigen, fahren die echten Ermittler nach Hause. Zumindest in Franken.

"Das mag in München so sein, wenn die Kollegen wo anders wohnen. Aber hier hat jeder seine Familie, seine Vereine und Verpflichtungen. Wir sind ganz normale Leute, die mitten im Leben stehen, die einen Job machen, der nicht einfach ist." Und danach wollen sie nach Hause.

"Sehr realistisch"
Besonders im Vergleich zu amerikanischen Krimi-Filmchen findet der echte Kommissar den "Tatort" doch "schon sehr realistisch. Abgesehen von kleinen Details, davon, wer welche Arbeit in welcher Reihenfolge macht, und bis zu gewissen Grenzen: "Es geht nicht, dass ein Fall in 90 Minuten geklärt wird."
 

 


Und es gibt auch keine gesamtfränkisch ermittelnde Mordkommission.

 

Aber ganz falsch ist dieser Dreh nicht: die fränkische Polizei hat nur ein Fachkommissariat, das ausschließlich für Tötungsdelikte zuständig ist - und das sitzt in Nürnberg.

Außerdem: Der Idee einer "Mordkommission Franken" verdanken die Zuschauer, dass bald auch Mordfälle in Bad Kisssingen und Coburg, auf dem Kreuzberg in der Rhön oder in den Kletterwänden der Fränkischen Schweiz möglich sind.

Bettina Reitz, die Fernsehdirektorin des Bayerischen Rundfunks, hat das erkannt: "Die Vielfalt Frankens, der Charme der Regionen und die Unterschiedlichkeit der Charaktere bieten sehr viele Stoffideen und Erzählvarianten für einen Krimi."

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