Symphonie der Pandemie - Bamberger Cellist komponiert Corona-Stück
Autor: Marion Krüger-Hundrup
Bamberg, Donnerstag, 04. Juni 2020
Eduard Resatsch, Cellist der Bamberger Symphoniker, hat eine musikalische Antwort auf die Corona-Pandemie komponiert. Diese erste rein digitale Uraufführung des Orchesters verstört und weckt zugleich Hoffnung.
Eduard Resatsch wohnt in Bamberg in der Hölle. So heißt zwar wirklich ein Sträßlein bei der Oberen Pfarre. Doch durch die Hölle ist der Cellist der Bamberger Symphoniker in der akuten Phase des Corona bedingten Lockdowns im übertragenen Sinne tatsächlich gegangen. Der Ausnahmezustand war für ihn ein schrecklicher Schock, wie er sagt. Als Reaktion darauf hat sich der mehrfach preisgekrönte Musiker in einem "zehn Tage Marathon" daran gemacht, die Erfahrungen mit der Pandemie in Töne zu kleiden. Herausgekommen ist ein künstlerisches Dokument dieser Zeit, für das er seine Orchesterkollegen samt Chefdirigent und Management gewinnen konnte: Eduard Resatschs Komposition "Reflections of hope" reüssiert als erste rein digitale Uraufführung der Bamberger Symphoniker.
Rund 230 000 Aufrufe verzeichnet der Videoclip bisher auf Facebook: "Meine Komposition verbreitet sich wie das Virus bis nach Japan", lächelt der 48-jährige gebürtige Ukrainer. 86 Symphoniker haben das Werk in ihren jeweiligen Wohnzimmern aufgenommen. Denn zusammen auftreten dürfen sie wegen der Hygienevorschriften ja nicht. Der Münchner Tonmeister Georg Obermayer hat die digitalen Dateien übereinander gelegt und damit ein Konzerterlebnis geschaffen, das ins 21. Jahrhundert passt. Zumal der renommierte Filmemacher Michael Wende die Komposition von Eduard Resatsch in Bilder umgesetzt hat. Da tauchen zwischen den Musikern Schlagzeilen zu Corona aus internationalen Zeitungen auf. Ärzte und Pflegepersonal in Schutzkleidung. Oder Wissenschaftler an Mikroskopen und Reagenzgläsern, die nach einem Impfstoff forschen.
Text in 20 Sprachen
Eine Besonderheit der Komposition ist der gesprochene Mittelteil, in dem die Orchestermitglieder jeweils in ihrer Muttersprache aktuelle Begriffe wie Atemschutzmaske, Fallzahlen oder Covid 19 rezitieren. In mehr als 20 Sprachen wird gemurmelt, gesprochen und geschrien: "Je nachdem, wie jeder einzelne Musiker auf Corona reagiert", erklärt Resatsch. Im Flüstern oder Schreien steigert sich die Komposition zu einer Verdichtung geteilter Erfahrungshorizonte. Es sind Emotionen pur, die auch in der Musik von Resatsch zum Ausdruck kommen. Etwa in den langen, klagenden Tönen der Querflöten, die von Einsamkeit, Leere, Unfreiheit künden. In nachhallenden Paukenschlägen und zu Herzen gehenden Geigen.
Die sieben Minuten Hör- und Seherlebnis verstören. Lassen persönliche Interpretationen und Gefühle zu. Doch am Ende steht Hoffnung - "hope" eben. Hoffnung, dass die Pandemie vorübergeht, und die Welt nach Corona eine bessere wird.
Für Resatsch war das Komponieren dieser symphonischen Antwort auf das zerstörerische Virus "ein Akt der Befreiung davon". Er ist allen Beteiligten dankbar. Damit hätte das Orchester gezeigt, dass es gemeinsam etwas Neues erschaffen und den ungewohnten Umständen durch Zusammenhalt trotzen kann. Resatsch denkt auch weiter: "Ich wünsche mir, dass es zu einer Aufführung von Reflections of hope in wieder normalen Zeiten kommt."