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Stromversorgung in Bayern: Beide Trassen kommen


Autor: Günter Flegel

Bamberg, Donnerstag, 02. Juli 2015

Beim Koalitionsgipfel in Berlin hat Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer den Widerstand gegen neue Leitungen aufgegeben. Damit beginnt die Planung wieder bei Null. Viele Fragen sind offen, aber fest steht eins: Die Energiewende wird so noch teurer.
Stromleitung im Maintal Foto: Günter Flegel


Stell' dir vor, es ist Energiewende, und keiner merkt's: Diese neue Formel für die Stromversorgung in Bayern hat Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) spät in der Nacht zum Donnerstag vom Energiegipfel in Berlin mitgebracht.

"Die Monstertrassen sind vom Tisch", verkündete der CSU-Chef am Donnerstagmorgen in München, was erst einmal so klingt, als habe der Anwalt der Trassengegner im Freistaat im Bundeskanzleramt einen fulminanten Sieg errungen.

Energiewende gerettet

Tatsächlich werden beide Leitungen, die Seehofer verhindern wollte, gebaut. Das erklärte zur gleichen Zeit Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) in Berlin. Während die Dritte in der Energierunde, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), sich schon wieder leichteren Aufgaben zuwandte, der Rettung Griechenlands zum Beispiel.

Das Rettungspaket für die Energiewende, das um 0.47 Uhr fertig geschnürt war, ist kompakt, komplex und vor allem kompliziert. Das für Franken wichtigste Ergebnis ist, dass die beiden Gleichstromtrassen gebaut werden, wenn auch nicht als "Monstertrassen", sondern light und fast unsichtbar.

Gabriel und Seehofer haben sich darauf verständigt, dass die neuen Leitungen in bestehende Systeme integriert oder unter der Erde verlegt werden sollen. Das betrifft Unterfranken mit "Südlink" aus dem Raum Hamburg in Richtung Schweinfurt/Grafenrheinfeld und Ober- sowie Mittelfranken mit einer neuen Leitung, die aus Sachsen-Anhalt nach Landshut führen soll.

Noch keine Details

Details zum Trassenverlauf legten die Koalitionsspitzen nicht fest; ihr Auftrag an die Netzbetreiber lautet, die Trassen komplett neu zu planen und insbesondere den "Netzknoten Grafenrheinfeld" zu entlasten. "Wir fangen bei Null an", lautete das Stoßgebet in einem der Stromunternehmen am Tag eins nach der Entscheidung.

Ein wesentliches Ergebnis des Energiegipfels betrifft nicht nur die Bürger in Franken, die sich gegen die Verbauung der Landschaft mit Masten und Leitungen stemmen. Was Merkel, Gabriel und Seehofer beschlossen haben, macht die Energiewende und damit den Strom für alle teurer, darin sind sich die Experten einig. Die neue Planung für die Netze kostet Zeit und Geld. Bei der Erdverkabelung von Höchstspannungsleitungen betritt Deutschland technisches Neuland; Erdkabel sind auf jeden Fall teurer als Freileitungen; um welchen Faktor, ist unter den Fachleuten umstritten. Gabriel spricht von Kosten, die nur doppelt so hoch sind, andere schätzen die sechs- bis achtfache Summe. Aus dem Zwei-Milliarden-Euro-Projekt "Südlink" würde also wenigstens ein Vier-, vielleicht sogar ein 16-Milliarden-Euro-Vorhaben. Umgelegt werden die Kosten für den Netzausbau, egal wie hoch sie sind, auf den Strompreis.

Bayern kriegt Gas

Ins Geld gehen auch weitere Bestandteile des Energiepakets: Die Betreiber alter Braunkohlekraftwerke werden nicht zur Kasse gebeten; stattdessen erhalten sie Prämien, wenn sie ihre Anlagen als "Reserve" in den Ruhestand schicken. Zur Vermeidung möglicher Stromlücken bleibt das Gaskraftwerk Irsching mit öffentlicher Förderung am Netz, und zwei zusätzliche Gaskraftwerke sollen ab 2021 die Versorgungssicherheit in Süddeutschland garantieren.