Straßenmusikant Moritz Rabe: Geld oder Gefängnis
Autor: Anna Lienhardt
Bamberg, Dienstag, 13. August 2013
Der Bamberger Straßenmusiker Moritz Rabe singt ohne Genehmigung. Die kostet 15 Euro am Tag. Weil Rabe das Geld nicht zahlt, drohen ihm nun vier Tage Haft.
Die Turnschuhe sind fest zugeschnürt. Das ist untypisch für Moritz Rabe, der eigentlich auf locker sitzendes Schuhwerk steht. Doch damit lässt es sich schlecht weg laufen. Genau das hat er aber vor, wenn die Polizei ihn festnehmen will. "Wenn sie mich kriegen, müssen sie mich mit Handschellen abführen. Freiwillig gehe ich nicht" - ins Gefängnis. Was ist passiert, dass es überhaupt soweit kommen musste?
"Jeder, der in Bamberg Straßenmusik macht, muss eine Genehmigung beantragen, die 15 Euro pro Tag kostet", erklärt Ulrike Siebenhaar von der Pressestelle der Stadt. Bei Straßenmusik handele es sich nach dem Bayerischen Straßen- und Wegegesetz um eine Sondernutzung.
Während einer Routinekontrolle sei entdeckt worden, dass Rabe die Gebühren nicht zahlt. Er sei dann - ohne Verwarnung - aufgefordert worden, dies zukünftig zu tun. Der Straßenmusiker weigere sich aber bis heute.
Das streitet der gar nicht ab. Doch für jemanden, der seinen Lebensunterhalt auf der Straße verdiene, sei das zu viel Geld. "Ich kann nicht jeden Tag 15 Euro zahlen. Es gibt miese Tage, an denen ich wenig verdiene", sagt Rabe.
Er versuche, täglich 50 Euro mit seiner Musik zu erspielen. In guten Monaten landen nach seinen Angaben bis zu 1200 Euro in seinem Hut, in schlechten 800. "Ich bekomme kein Hartz IV, zahle meine Versicherung, Miete und Verpflegung selbst", sagt Rabe. Manchmal könne er nur drei Stunden am Tag spielen, etwa bei schlechtem Wetter, wenn er seine Stimme schonen müsse oder Zeit zur Vorbereitung brauche.
Vom Finanziellen abgesehen sagt er außerdem: "Ich sehe mich als Teil der Bamberger Kultur. Es ist eine Entwürdigung, jeden Tag aufs neue zum Amt zu gehen, zu sagen, wie ich heiße, was ich spiele und welches Instrument ich dabei habe."
Er hat sich also angemeldet? "Ja, zwei Mal war ich dort. Ich musste zwei Stunden auf die Bearbeitung warten. Wenn es in dieser Zeit zu regnen anfängt, ist das mein Problem."
Rund 3700 Euro Geldbuße
Regen dürfte momentan seine geringste Sorge sein. Weil er mehrmals beim Singen ohne Genehmigung erwischt wurde, muss er bei der Stadt eine Geldbuße von 3713,50 Euro begleichen. Die Summe setzt sich aus gestaffelten Bußgeldbescheiden, Gebühren und Auslagen zusammen. "Insgesamt sind 14 Verfahren anhängig, wobei zehn Fälle an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet wurden", sagt Siebenhaar. Zwei davon könnten Rabe ins Gefängnis bringen.
Bardo Backert, Leitender Oberstaatsanwalt in Bamberg, erklärt: "Ein Betroffener kann Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid erheben. Das hat Moritz Rabe nicht getan und die Bescheide damit rechtskräftig werden lassen." Nun sei Rabe verpflichtet, das Bußgeld für die beiden vorliegenden Bescheide zu bezahlen. Dazu sei er mehrfach aufgefordert worden, doch er habe auf die Schreiben der Stadt nicht reagiert.
"Also hat die Stadt einen Antrag auf die Festsetzung einer Erzwingungshaft gestellt. Das ist ein reines Beugemittel", erläutert Backert. Heißt auch: Das Geld muss Rabe auch zahlen, wenn er ins Gefängnis geht.
Die Haftzeit würde bei Moritz Rabe vier Tage betragen. Die Androhung sei ihm schriftlich zugestellt worden, Rechtsmittel hat er nach Aussage des Leitenden Oberstaatsanwalts keine eingelegt. Die Ladung habe ihm die Polizei bereits übergeben.
Meldung in der JVA
Darin stand, dass Rabe sich innerhalb einer Woche bei der JVA im Sandgebiet melden und seine viertägige Haft verbüßen soll. "Sobald der Zustellungsnachweis für die Ladung eingeht und Rabe die Frist von einer Woche verstreichen lässt, werden wir Haftbefehl erlassen ", sagt Backert klar.
Er betont aber: Rabe könne die Erzwingungshaft jederzeit vermeiden, indem er der Stadt die rund 3700 Euro zahle. Der Straßenmusiker sagt: "Die Stadt weiß, dass ich nicht zahlen kann." Die Stadt sagt: "Er hätte Einspruch erheben und genau das darlegen können. Wir haben ihn mehrfach belehrt", so Pressesprecherin Ulrike Siebenhaar.
Sie betont: "Wir haben nichts gegen Singen und Musizieren. Aber wir können Moritz Rabe keine Sonderbehandlung zukommen lassen, da so andere Musiker benachteiligt werden."
Rabe hatte dem Sozial- und Umweltreferat angeboten, monatlich 100 Euro als Pauschalbetrag zu zahlen. Dies ist laut Siebenhaar aber grundsätzlich nicht möglich, um einer Überfrachtung der Fußgängerzone mit Straßenmusikanten und damit einer Belästigung der Geschäftsinhaber und Passanten vorzubeugen. Es würden Bescheide für maximal zwei Tage erteilt.
Rabe spricht beim Stichwort "Überfrachtung" von "Unfug." Er will sich bei seiner Verhaftung zumindest verbal wehren. "Ich werde laut werden, eine Menschentraube wird sich bilden. Ich werde meine Meinung sagen: In einer Stadt, in der singende Menschen inhaftiert werden, kann etwas nicht stimmen!"
Am 31. August möchte er um 20 Uhr ein Konzert in einer Brauerei in Herrnsdorf geben. Sein - Zitat - "provozierendes angestrebtes Ziel": 3700 Euro. Damit will Rabe nicht etwa seine Schulden begleichen, sondern das Geld an einen gemeinnützigen Verein spenden - falls er vorher nicht von der Polizei gefasst wird. Klaus Linsner, stellvertretender Leiter der Bamberger Polizei, sagt: "Wir stürmen jetzt nicht sofort alle los und suchen Moritz Rabe. Aber wenn der Haftbefehl durchgeht, werden wir ihn festnehmen."
