Stolpersteine: Mahnung und Aufruf zum Frieden
Autor: Marion Krüger-Hundrup
Trabelsdorf, Freitag, 04. November 2016
Stellvertretend für die deportierten Juden aus Trabelsdorf und Lisberg verlegte Gunter Demnig einen "Stolperstein gegen das Vergessen" für Luise Löwenfels.
"Manchmal ist es gut, ein Zeichen des Schweigens zu setzen gegen die lauten Töne der Betriebsamkeit." Mit diesen Worten lud Andrea Friedrich die abendliche Versammlung in der Trabelsdorfer Ortsmitte zu einer Schweigeminute ein. Die Pastoralreferentin der katholischen Pfarrgemeinde Priesendorf bat dazu im Namen der Opfer des Holocaust. Opfer aus Trabelsdorf und Lisberg, einstige jüdische Mitbürger. Frauke Hansen hatte die Namen und Lebensdaten dieser Personen zuvor verlesen. "Verschollen im KZ Izbica...". "Ermordet in Theresienstadt...". "Ermordet im KZ Auschwitz...". Das Grauen der betreten zuhörenden Schar war greifbar.
Anlass dieses Gedenkens war die Verlegung eines "Stolpersteins gegen das Vergessen" für die aus Trabelsdorf stammende Luise Löwenfels. Die gebürtige Jüdin und zum katholischen Glauben konvertierte Ordensschwester Aloysia wurde zusammen mit anderen Ordensleuten, darunter die heilige Edith Stein, am 9.
Mutige Glaubenszeugin
Auch die mutige Glaubenszeugin Aloysia Luise Löwenfels soll nun zur Ehre der Altäre erhoben werden: Für sie hat ein Seligsprechungsverfahren begonnen. Als Kennerin der biografischen Gegebenheiten von Aloysia Luise Löwenfels ist Pastoralreferentin Andrea Friedrich darin eingebunden. Domkapitular Norbert Jung, Ordensreferent des Erzbistums Bamberg und Kirchenhistoriker, ist Mitglied in der historischen Fachkommission des Seligsprechungsverfahrens. Die Pfarrgemeinde Priesendorf, zu deren Gebiet auch Trabelsdorf gehört, hatte bei der Kommune Lisberg den Antrag gestellt, den Stolperstein für Luise Löwenfels nahe ihres Elternhauses verlegen zu dürfen. Unterstützt wurde sie dabei von der Willy-Aron-Gesellschaft, die die Stolperstein-Aktion in der Bamberger Region koordiniert.
Erinnerung an die Geschichte der Gemeinde
Die Priesendorfer stießen mit ihrem Anliegen auf offene Ohren. So war es für Bürgermeister Michael Bergrab eine Selbstverständlichkeit, den feierlichen Akt zu eröffnen: "Dieser Stolperstein soll für uns alle Erinnerung an die Geschichte unserer Gemeinde sein sowie Mahnung und Aufruf an die nachfolgenden Generationen, ihren Weg friedlich zu gehen und allen kriminellen Machenschaften entgegen zu wirken." Nationalsozialistische, rassistische, menschenverachtende Gedanken entstünden nicht plötzlich, sondern würden langsam wachsen, ihr Nährboden sei Hass und Intoleranz, so Bürgermeister Bergrab.
Menschlichkeit bewahren und sich für ein tolerantes Miteinander einsetzen könne nur, wer die Grausamkeiten der Vergangenheit nicht verdränge.Domkapitular Jung nannte es "gut", wenn mit Aloysia Luise Löwenfels eines der vielen Millionen kleinen und unbekannten Opfer des Nationalsozialismus selig gesprochen werde und nicht einer der vielen Vertreter der Hierarchie, die damals aus Angst vor dem Kommunismus gemeint hätten, ihre Kompromisse mit den faschistischen Machthabern schließen zu müssen.
"Die Kirchenleitung damals hat viel zu spät gemerkt, mit welchen Mächten sie da paktiert hatte", beklagte der Domkapitular. Zwar hätten viele Christen und Ordensgemeinschaften Verfolgten des Naziregimes Zuflucht gewährt beziehungsweise selber Widerstand geleistet: "Aber die Judenverfolgung an sich hat historisch gesehen auch eine vermeintlich christliche Wurzel", erklärte Jung. So solle der Stolperstein, der verlegt werde, auch ein "Stolperstein für die Kirche als Institution sein, wir sind es Luise Löwenfels schuldig".
"Jeder Stolperstein ist etwas Besonderes"
Der Kölner Bildhauer Gunter Demnig, der die Stolpersteine für Opfer des Holocausts begründet hat, nahm die Verlegung in Trabelsdorf höchstpersönlich vor. Obwohl der Künstler schon rund 60 000 Stolpersteine in 1300 Orten in 21 europäischen Ländern verlegt hat, verwahrt er sich gegen Sprüche wie "nur noch Routine": "Jeder Stolperstein ist etwas Besonders und bewegt mich immer noch, weil Menschenschicksale dahinter stehen", bekannte Demnig gegenüber unserer Zeitung. Jede Inschrift auf einem Stein "geht über meinen Schreibtisch". Und die von Aloysia Luise Löwenfels habe ihn gerade beschäftigt.
Denn sie sei erst die zweite Ordensfrau mit jüdischen Wurzeln, für die er den Stolperstein einlassen dürfe: "Die erste Nonne ist Edith Stein, sie bekam gleich fünf Stolpersteine an verschiedenen Orten", so Demnig.Die junge Trabelsdorferin Verena Hirschlein ließ für eine Sonate in A-Moll ihre Querflöte erklingen. Nach und nach traten Männer und Frauen an den neuen Stolperstein, legten brennende Kerzen, Rosen, Rosenblätter nieder. Andrea Friedrich erinnerte an den Gottesdienst in der Priesendorfer Pfarrkirche - Sonntag, 6. November, 10 Uhr - in dem Domkapitular Norbert Jung das Leben und Wirken der Luise Löwenfels darlegen werde.
In Trabelsdorf selbst hatte die Pastoralreferentin gemeinsam mit Andreas Ullmann und Christa Horn von der Willy-Aron-Gesellschaft bereits einige Tage zuvor einen Informationsabend über die Stolperstein-Aktion sowie die Lebensgeschichte der Aloysia Luise Löwenfels angeboten, der auf große Resonanz stieß.