Stieringer will in die SPD-Fraktion wechseln
Autor: Michael Wehner
Bamberg, Freitag, 18. Januar 2013
Fünf Tage nach dem Wechsel von Gaby Seidl zur CSU folgt in Bamberg der nächste kommunalpolitische Paukenschlag. BR-Stadtrat Klaus Stieringer will die SPD-Fraktion verstärken. Die legt den roten Teppich aus.
Im Bamberger Stadttrat geht es zurzeit zu wie beim Dominospielen. Ein Stein fällt und reißt den anderen mit. Der zweite Wackelkandidat in dieser Woche heißt Klaus Stieringer, seines Zeichens Geschäftsführer von Stadtmarketing und seit 2008 Mitglied der Fraktion der Bamberger Realisten. Die hat sich binnen einer Woche in Luft aufgelöst. Dem Weggang von Gaby Seidl zur CSU folgt der Absprung von Klaus Stieringer zur SPD. Übrig bleibt Michael Bosch - als Einzelkämpfer.
Stieringer hat am Freitag offiziell seinen Antrag auf Aufnahme in die SPD-Fraktion abgegeben. "Eine Rolle als Einzelkämpfer zu spielen oder sich mit Kollegen Tscherner und Reinfelder zusammenzutun, das hätte aus meiner Sicht wenig Sinn gemacht. Ich glaube, dass es besser ist, wenn ich meinen wirtschaftlichen Sachverstand in eine große Fraktion einbringe", begründet der 43-jährige Geschäftsführer von Stadtmarketing seine Entscheidung. Erst vor wenigen Wochen wurde er mit dem Titel Kulturmanager des Jahres.
Der politische Kurswechsel von einer Partei der Mittelständler zu den Sozialdemokraten scheint reine Formsache. Zwar entscheidet die SPD-Fraktion erst am Montag über die Neuaufnahme. Doch intern wurde der Neuzugang so weit vorbereitet, dass kritische Stimmen im Hintergrund bleiben. "Die SPD freut sich über die Ankündigung von Klaus Stieringer, in die SPD-Fraktion eintreten zu wollen. Mit ihm gewinnen wir einen ausgewiesenen Wirtschaftsexperten, der mit seinen kostenlos zugänglichen Veranstaltungen enorm viel für das Bamberger Kulturleben getan hat", teilt der SPD-Fraktionssprecher Wolfgang Metzner mit.
Sondierungsgespräche hätten ein hohes Maß an politischer Übereinstimmung ergeben, stellt Metzner fest und spricht die Beschlüsse zur Erba-Insel, dem Witt-Gelände und das Ja der SPD zum verkaufsoffenen Sonntag an. In einer Erklärung der SPD heißt es, prominente SPD-Politiker unterstützten den Wunsch von Stieringer. Unter anderem wird Alt-Bürgermeister Max Reichelt mit dem Satz zitiert, Stieringer sei ein Glücksgriff für die SPD. Auch Ehrenvorsitzender Heinz Kuntke habe grünes Licht gegeben: "Stieringer verkörpert Wirtschaftskompetenz und Bürgernähe. Er passt deswegen genau zur SPD."
"Kein Sozialdemokrat"
Doch es gibt auch kritische Stimmen unter SPD-Stadträten. Etwa die von Monika Bieber: "Stieringer ist kein Sozialdemokrat - das ist schon mal klar", sagt die frühere SPD-Kreisvorsitzende. Nachdem dieser in Wahlkämpfen die etablierten Parteien mit Spott überzogen habe, sei sein Interesse an der SPD nun doch sehr erstaunlich. Stieringer müsse erst beweisen, dass er bereit sei, SPD-Politik zu machen, sagt Bieber mit Blick auf die Debatte um die geplante Sperrzeitenverlängerung. Damals habe es Stieringer geschafft, die SPD-Position durch eine Kampagne auszuhebeln.
Auf dem falschen Weg sieht Stadträtin Sabine Sauer die Bamberger SPD . Sie hat die Partei nach der Wahl Wolfgang Metzners zum Fraktionsvorsitzenden enttäuscht verlassen und sieht sich durch die Aufnahme Stieringers in die SPD in ihrer Entscheidung, der Fraktion den Rücken zu kehren, bestätigt: "Ich vermisse ein klares und von anderen Parteien unterscheidbares sozialdemokratisches Profil in der Fraktion. Das sehe ich auch bei Stieringer nicht", sagt Sauer, die immer noch SPD-Mitglied ist.
"Überrascht" vom plötzlichen Abschied seines Kollegen wurde auch der, der am meisten betroffen ist: Michael Bosch. Der Schlossermeister, gleichsam über Nacht seiner Ausschusssitze beraubt, fragt sich vor allem nach dem Grund dieses Richtungswechsels. "Dass Stieringer als Vertreter des Mittelstands nun zu den Sozialdemokraten wechselt, das passt ja gar nicht. Aber wer in der SPD ist eigentlich noch ein Sozialdemokrat?"
Über seine eigene Zukunft hat Bosch noch keine Entscheidung getroffen. Es bestehe die Möglichkeit, eine Ausschussgemeinschaft zu gründen. Aber auch der Wechsel zu anderen Fraktionen sei denkbar. Ein eindeutiges Signal gab dazu Dieter Weinsheimer ab: "Michael Bosch wäre bei uns willkommen."
Gehörige Portion Skepsis
Mit dem Wechsel Stieringers zur SPD-Fraktion verfügt diese wieder über elf Sitze und kommt der CSU mit 15 Mandaten wieder ein Stückchen näher. Trotzdem wertete CSU-Fraktionschef Helmut Müller die Nachricht positiv: "Es ist gut, dass die Zersplitterung im Stadtrat dadurch abnimmt und die großen Parteien zulegen." Allerdings fragt sich auch Müller, ob Stieringer als ausgesprochener Wirtschaftslobbyist in der SPD die richtige Heimat gefunden hat.
Mit einer gehörigen Portion Skepsis begegnen die Bamberger Grünen dem fortgesetzten politischen Fahnenwechsel unter ihren Kollegen im Stadtrat: "Dieser Schritt ist absolut unlogisch. Denn verkehrspolitisch ist Klaus Stieringer Welten von der SPD-Position und auch vom Oberbürgermeister entfernt", meint Ursula Sowa. Entscheidungen wie die Geschwindigkeitskontrolle oder die Parkraumbewirtschaftung würden deshalb zur Nagelprobe der neuen Zusammenarbeit. Auch Peter Gack von den Grünen findet Stieringers Entscheidung schade, denn sie unterhöhle die politische Glaubwürdigkeit: "Das fällt auf den gesamten Stadtrat zurück."