Manchmal kommen ihm noch die Tränen: Ein Bamberger Palliativpfleger erzählt aus seinem Alltag
Autor: Stephan Großmann
Bamberg, Samstag, 14. Dezember 2019
Seit 20 Jahren wird Helmut Metzger tagtäglich mit dem Tod konfrontiert. Der Palliativpfleger aus Bamberg hat gelernt, damit umzugehen - es ist sogar der beste Beruf, den er sich vorstellen kann. In manchen Fällen kommen aber selbst ihm noch die Tränen.
Helmut Metzger lächelt, wenn er das Zimmer betritt. Das tut er immer. Dafür muss sich der 55-Jährige gar nicht anstrengen, obwohl seinen Besuchen nur selten ein freudiger Anlass vorausgeht. Auch jetzt: Auf dem Bett liegt eine ältere Dame, Metzger kennt sie von seinen Besuchen bei ihr zu Hause. Ihr Zustand hat sich etwas verschlechtert, nun ist sie vorübergehend auf die Palliativstation des Bamberger Klinikums gezogen. Metzger lässt es sich auf keinen Fall nehmen, ihr selbst nach Dienstschluss Hallo zu sagen. Denn der Palliativpfleger weiß nicht, wie oft er noch die Chance dazu hat.
"Wir werden den Tod nicht aufhalten", sagt Metzger. "Und das wollen wir auch gar nicht." Aber im Bamberger Palliativzentrum liegt mehr als nur der Tod in der Luft. Bücherschränke und Spielecken, Terrassenmöbel und Springbrunnen zeugen vom Leben, das sich in diesen Räumen abspielt. Abspielen kann. Zur Palliativversorgung gehört mehr als nur begleitetes Sterben - nicht selten werden Menschen wieder zurück auf andere Stationen überwiesen oder gar nach Hause entlassen.
In der Regel schwerwiegende Diagnosen
In der Regel aber begegnet Metzger Menschen mit schwerwiegenden Diagnosen. Wie viele er bereits beim Sterben begleitet hat, kann er nicht mehr zählen. Seit nunmehr 20 Jahren ist der Bamberger in der Palliativpflege tätig, seither bestimmen Sterbenskranke seinen Berufsalltag. Zweimal sei er an einem Punkt gewesen, seinen Beruf wechseln zu wollen. "Zum Glück bin ich geblieben", sagt er. Denn Helmut Metzger liebt seine Arbeit.
Erst mit 31 Jahren entschied sich der vormals gelernte Automechaniker für einen Pflegeberuf. "Ich wollte weg von Maschinen, hin zu den Menschen." Nach langen Reisen um die Welt und innerer Einkehr fasst Metzger den Entschluss, Krankenpfleger werden zu wollen. Recht schnell nach seinem Examen zum Krankenpfleger wird das Palliativzentrum in Bamberg gegründet. Metzger ist von Beginn an dabei, hilft beim Aufbau der Station.
"Die Patienten gewinnen", sagt Chefärztin Dr. Brigitte Lotter. "Der Tod kommt sowieso irgendwann. Wie gut die Patienten bis dahin leben können, ist entscheidend." Die Schulmedizin konzentriere sich auf das Bekämpfen der Erkrankungen, "aber kranke Menschen sind mehr als nur ihre Krankheit". Daher ist der Ansatz der Palliativmedizin ein besonderer, Untersuchungen und lebensverlängernde Maßnahmen werden weitgehend vermieden. Vor allem dann, wenn Patienten keine Therapien mehr wünschten oder weitere Anwendungen mehr Schaden anrichten als Nutzen bringen würden.
Auch Hygiene, Frühstück und sonstige pflegerische Betreuung schlagen in einem anderen Takt. Auf der Station gibt es zwölf Betten in gemütlich eingerichteten Einzelzimmern. Wer morgens länger schlafen möchte, könne dies tun. "Hier geht es um die Bedürfnisse der Menschen", sagt Lotter. Darum, dass sie sich wohlfühlen in den manchmal nur vermeintlich letzten Stunden.
Palliative Lebensverlängerung?
Eine Studie zweier Wissenschaftler aus dem US-amerikanischen Bundesstaat Portland geht sogar davon aus, dass palliative Therapien das Leben verlängern könnten. Wie die Forscher kürzlich im Fachmagazin "Jama Oncology" veröffentlichten, spielt die Zeit des Therapiestarts eine Rolle: Zwischen 31 und 365 Tage nach der Diagnose zu beginnen, hatte das Leben jedes zweiten Probanden verlängert, heißt es. Den Zusammenhang eindeutig erklären können Donald R. Sullivan und seine Kollegen zwar nicht, aber sie gehen davon aus, dass die geringere Symptomlast, die gestiegene Lebensqualität und ein besseres Verständnis der Erkrankung ausschlaggebend sein könnten.