Steigerwald: Nationalpark-Gegner sind die Sieger
Autor: Günter Flegel
Ebrach, Dienstag, 18. November 2014
Die Staatsregierung will kein großes Schutzgebiet im Steigerwald. Sie möchte aber, dass die Unesco der Region das höchste Gütesiegel verleiht. Wie das funktionieren soll, ist ein Rätsel. Die Gegner eines Nationalparks können sich als Sieger in dem Konflikt sehen.
Ministerpräsident Horst Seehofer hat im Steigerwald kein Machtwort gesprochen. Sein salomonischer Lösungsweg im Streit um einen Nationalpark in Franken folgt eher dem Grundsatz aus Goethes "Faust": "Der Worte sind genug gewechselt". Weder Nationalpark noch Großschutzgebiet. Der CSU-Chef steht zu seinem Wort. Auf der anderen Seite strebt er den Titel "Welterbe" für die Region an. Wie er zu des Pudels Kern kommen will, ist erst mal sein Geheimnis.
Faustisch gedacht, weiß der Ministerpräsident, dass er manchem etwas bringt, wenn er vieles bringt. So gesehen ist der Weg aus dem Dilemma im Wald, den Seehofer am späten Montagabend den Landräten aus Bamberg, Schweinfurt und Haßfurt, seinem Forstminister und seiner Umweltministerin aufgezeigt hat, ein Geniestreich.
Alle mit im Boot?
Der Landesvater gibt einem Nationalpark im Steigerwald keine Chance; er sorgt
Selbst viele Befürworter eines Nationalparks im Steigerwald, so etwa der frühere Haßberge-Landrat Rudolf Handwerker (CSU) und auch das Bundesamt für Naturschutz in Bonn, hatten "Welterbe" immer als Ziel ausgegeben und "Nationalpark" vor allem als Etappe auf dem Weg dorthin.
Entweder - oder doch ...?
Tatsächlich knüpft die Unesco (Vereinte Nationen) den Titel "Welterbe" an einen ganzen Katalog von Bedingungen. Naturerbestätten finden sich in der Regel in Nationalparken oder Biosphärenreservaten - Schutzgebieten der höchsten mit eigener Verwaltung. So etwas gibt es im Steigerwald nicht.
Deswegen vertritt der Bund Naturschutz (BN) die Meinung, dass es ein Weltnaturerbe im Steigerwald nur geben kann, wenn dort ein Nationalpark eingerichtet wird. "Dabei bleiben wir auch. Immerhin ist die Meinungsänderung in München ein erster Schritt in diese Richtung", lobt der BN-Vorsitzende Hubert Weiger zaghaft.
Weit gefehlt, kontern Seehofer und die bayerische Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU), die den Königsweg im Steigerwald am Dienstag im Kabinett erläuterte: "Wir wollen im Steigerwald das erste Weltnaturerbe in Bayern schaffen." Dies aber ohne ein großes Schutzgebiet, ein rotes Tuch in der Region.
Die Gegner eines Nationalparks haben sich um den Innenstaatssekretär in Seehofers Kabinett, Gerhard Eck (CSU), geschart, der dem Verein "Unser Steigerwald" vorsitzt. Die Gegenposition vertritt der neue Verein "Nationalpark Nordsteigerwald", dessen knapp 1000 Mitglieder Eck und Co. die Meinungshoheit streitig machen. Und mit Worten ließe sich trefflich wohl noch ewig streiten ...
Arbeitsgruppe eingerichtet
Jetzt hat eine Arbeitsgruppe das Wort: Die Steigerwald-Landkreise und die Staatsregierung wollen bis Januar prüfen, ob und wie eine Welterbe-Bewerbung auf den Weg gebracht werden kann. Dabei legt man sich offenbar nicht auf das Naturerbe fest.
In Verbindung mit dem ehemaligen Ebracher Kloster könnte ein Teil der seit Jahrhunderten durch Bewirtschaftung geprägten Wälder zum Kulturerbe deklariert werden. Und im Steigerwald bliebe, frei nach Faust, (fast) alles beim alten.
Stimmen aus der Region
Die Botschaft aus München hört man wohl, aber vielen fehlt der Glaube. Der Vorsitzende des Vereins "Nationalpark Nordsteigerwald", Benedikt Schmitt aus Geusfeld, wittert in Horst Seehofers Kompromissvorschlag eine "Finte", einen Versuch, aus "politischem Kalkül Zeit zu gewinnen".
Schmitt geht davon aus, dass eine Welterbe-Bewerbung aus dem Steigerwald ohne ein großes förmliches Schutzgebiet ins Leere geht. "Dann kann die Staatsregierung sagen, wir haben ja alles versucht, und im Steigerwald wird sich nie etwas verändern", befürchtet er.
Der Bamberger Landrat Johann Kalb (CSU) sieht in der mit Seehofer am späten Montagabend ausgehandelten Lösung "einen gemeinsamen Weg zur Anerkennung des Steigerwaldes als Welterbe". Es sei gelungen, nach jahrelangem Streit die Region mit einer Stimme sprechen zu lassen: "Es ist ein großer Erfolg, dass auch von den Nachbarlandkreisen mein Vorschlag zur Anerkennung des Steigerwaldes als Welterbe aufgegriffen wurde." Wie das von seinem Vorgänger im Amt, Günther Denzler (CSU), installierte Waldschutzgebiet bei Ebrach (800 Hektar) demontiert werden soll, sagt Kalb nicht. Diese Frage wird noch geprüft.
Ebenso zuversichtlich, dass im Steigerwald Ruhe einkehrt und die Entwicklung der Region nachhaltig gefördert werden kann, sind die Landräte Florian Töpper (SPD) aus Schweinfurt und Wilhelm Schneider (CSU) aus Haßfurt; eine große Koalition im Steigerwald.
Der Vorsitzende des Bundes Naturschutz, Hubert Weiger, staunt über den Meinungsumschwung des Ministerpräsidenten; anders als Seehofer will er den Nationalpark Steigerwald aber nicht zu den Akten legen. "Die Bewerbung um eine Welterbe kann nur ein erster richtiger und wichtiger Schritt
Definitionen
Naturpark: Status Quo im Steigerwald, Schutz auf einer unteren Stufe: Im Naturpark gibt es zwar Einschränkungen etwa bei Bauvorhaben, der Wald kann aber wie gewohnt bewirtschaftet werden. Das tun im Steigerwald vor allem die Bayerischen Staatsforsten. In Deutschland gibt es 104 Naturparke, die etwa ein Viertel der Landesfläche bedecken.
Naturschutzgebiet: Hier verbietet das Gesetz die Nutzung weitgehend, Eingriffe in die Natur sind nur mit Genehmigung und unter strikten Auflagen erlaubt. Die 8413 Naturschutzgebiete in Deutschland entziehen 3,6 Prozent der Landesfläche dem Zugriff; in Bayern sind es 587 Flächen (2,25 Prozent).
Nationalpark: In einem Nationalpark genießt der Schutz der Natur absoluten Vorrang, sie wird sich selbst überlassen, die Wildnis wird bewahrt (oder soll entstehen wie in den 15 deutschen Nationalparken, die ein halbes Prozent der Landesfläche bedecken). Bayern hat zwei Nationalparke: Berchtesgaden und Bayerischer Wald (0,64 Prozent der Landesfläche). Ziel der Bundesregierung ist es, auf zwei Prozent der Landesfläche Wildnis entstehen zu lassen. Davon ist man weit entfernt.
Weltnaturerbe: In Deutschland stehen nur drei Naturlandschaften unter dem besonderen Schutz der Weltgemeinschaft: die Fossiliengrube Messel, der Nationalpark Wattenmeer und mehrere Nationalparke/Biosphärenreservate in alten Buchenwäldern (zum Beispiel Hainich in Thüringen).
Weltkulturerbe: Damit ist Deutschland reich gesegnet, nur zwei Staaten der Welt haben noch mehr Kulturschätze, die unter universellem Schutz stehen. Zum Weltkulturerbe gehören in Franken die Würzburger Residenz mit Tiepolos Kuppel über dem Treppenhaus und die Altstadt von Bamberg mit ihrer großteils noch mittelalterlichen Bausubstanz.