Stehbier: Kippt diese Woche das Verbot ?
Autor: Michael Wehner
Bamberg, Mittwoch, 12. August 2020
Die Verfügung der Stadt gegen den Alkoholausschank im Sand steht auf wackeligen Füßen. Wird der Bayerische Verwaltungsgerichtshof einer Klage statt geben?
Eigentlich geht es nur um das Stehbier im Sand.
Doch es hat Auswirkungen auf ganz Bayern, wenn die Münchner Verwaltungsrichter in dem Streit zwischen dem Bamberger Wirt Florian Müller und der Stadt Bamberg schlichten. Dürfen Städte die Infektionsschutzgesetze auf dem Umweg über die Wirte durchsetzen?
Klar ist: Sollte der Verwaltungsgerichtshof (VGH) die Rechtsauffassung Müllers stützen, würde dies das Aus für vergleichbare Allgemeinverfügungen bedeuten, die den Bierausschank über die Straße regulieren. Schon diese Woche könnte das Urteil fallen.
Worum geht es bei dem Streit?
Die Stadt hat Ende Juli die Allgemeinverfügung zum Verkaufsverbot von alkoholischen Getränken in der Sandstraße und im angrenzenden Bereich verlängert. Ab 20 Uhr ist am Freitag und Samstagabend das Bier "to go" tabu, außerdem durchgängig von Donnerstag, 20. August, bis Montag 24. August, dem Zeitpunkt der wegen der Pandemie verschobenen 70. Sandkerwa. Erklärtes Ziel der Stadt ist es, die Risiken der Corona-Verbreitung dadurch zu vermindern, dass der Alkoholkonsum im Stehen verringert und Menschenansammlungen vermieden werden. Gegen diese Begründung und die mit der Verordnung verbundenen wirtschaftlichen Einbußen hat der Bamberger Gastronom Florian Müller geklagt. Müller beruft sich darauf, dass die Stadt den falschen Personenkreis in Haftung nimmt , wenn sie den Infektionsschutz durchsetzen will, indem sie den Alkoholverkauf einschränkt und nicht gegen die Menschen vorgeht, die das Abstandsgebot missachten. Um das Problem zu verdeutlichen, wählt Müller ein Beispiel: Ein Mann erschlägt seine Frau mit einer Zange. Soll man dann den Verkauf von Zangen im Baumarkt verbieten?" Was sagt das Verwaltungsgericht dazu? Das Verwaltungsgericht in Bayreuth hat die Rechtsauffassung von Müller im Wesentlichen bestätigt und seinem Antrag auf einstweilige Verfügung gegen das Stehbierverbot statt gegeben. Der Inhaber von zwei Gastronomiebetrieben im Sandgebiet darf am Wochenende wieder in vollem Umfang alkoholische Getränke verkaufen, hat davon aber bislang keinen Gebrauch gemacht. Auch für das noch ausstehende Hauptsacheverfahren geben die Richter in Bayreuth eine günstige Prognose. Bei summarischer Prüfung spreche ganz Überwiegendes dafür, dass die Klage der Antragstellerin erfolgreich sein werde, lautet die Zusammenfassung. Im Klartext: Müller wird gewinnen. Warum hat die Stadt den VGH angerufen? Als sich die Stadt Anfang Juli entschlossen hat, den Gefahren einer Ansteckung mit dem Corona-Virus in der Sandstraße mit einem Ausschankverbot zu begegnen, hatte sie starke Unterstützer: Das bayerische Gesundheits- und auch das Innenministerium ermunterten die Stadt nach eigener Darstellung zu dem Schritt. Auch sei die Verhältnismäßigkeit der Verordnung gewahrt gewesen, weil sich das Verbot auf die Abendstunden des Wochenendes beschränke. Nun versucht die Kommune mit der Beschwerde bei der nächst höheren Instanz, die umstrittene Allgemeinverfügung doch noch zu retten. Bambergs Rechtsreferent Christian Hinterstein sieht dafür Chancen. So verweist er auf die Erfahrungen der Polizei. Es sei eine gesicherte Erkenntnis, dass mit steigendem Alkoholpegel die Beachtung des Abstandsgebots sinke. Die letzten drei Wochen hätten zudem nachweislich eine Entspannung gebracht. Die Menschanballungen seien weniger geworden. In ihrer Rechtsauffassung sieht sich die Stadt Bamberg außerdem durch ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Bremen bestätigt. Das habe das Infektionsschutzgesetz als Basis für die Allgemeinverfügung anerkannt. Freilich gibt es auch gegenläufige Gerichtsentscheidungen. Christian Hinterstein lässt deshalb keinen Zweifel, dass die Verfügung zurückgezogen wird, sollte der VGH die gegnerische Sicht bestätigen. Welche Alternativen hat die Stadt beim Infektionsschutz in der Feier-Meile? Sollte der VGH die Beschwerde der Stadt zurückweisen, steht sie dennoch nicht mit leeren Händen da. Laut Hinterstein prüft die Stadt derzeit, ob Artikel 30 des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes geeignet ist, um die Infektionsgefahr zu verringern. Es untersagt den Genuss von alkoholischen Getränken auf bestimmten öffentlichen Flächen, wenn anzunehmen sei, dass dort auf Grund übermäßigen Alkoholkonsums regelmäßig Straftaten begangen werden. Bisher habe die Stadt davor zurückgeschreckt, zu diesem "scharfen Schwert" zu greifen, das nicht mit dem dem bereits vorhandenen Alkoholverbot auf Basis des Sondernutzungsrechtes zu vergleichen sei. Bisher sei Paragraph 30 nur dort zur Anwendung gekommen, wo sich nachweislich Schwerpunkte des Verbrechens entwickelt hätten, etwa in der Nachbarschaft des Nürnberger oder des Münchner Hauptbahnhofs. Allerdings sei Bambergs mit dem Sandgebiet massiv von unerlaubten Menschenanballungen betroffen. Es gehe darum, den Ausbruch des Virus und auch einen weiteren Lockdown zu verhindern. Welche Ziele verfolgt Florian Müller? Der 38-jährige Gastronomen, der auch Vorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbandes ist, schließt Schadensersatzforderungen nicht aus, sollte er den Streit gewinnen. Dennoch geht es ihm nach eigenem Bekunden darum, gemeinsam mit der Stadt eine tragfähige Lösung zu entwickeln. Er plädiert dafür, alle betroffenen Wirte in das Boot zu holen, wo bisher Verordnungen diktiert worden seien. Nach einem langen Lockdown seien die wirtschaftlichen Einbußen der Wirte erheblich. Für diskussionswürdig hält er die Uhrzeiten der Beschränkung, ebenso den Geltungsbereich der Verfügung. Müller fordert zudem eine großzügige Freischankflächenregelung auch 2021.