Druckartikel: Stegauracher Pfarrer Walter Ries berichtet von Flüchtlingen im Libanon

Stegauracher Pfarrer Walter Ries berichtet von Flüchtlingen im Libanon


Autor: Marion Krüger-Hundrup

Stegaurach, Donnerstag, 23. Juli 2015

Der Stegauracher Pfarrer Walter Ries und sein Begleiter Andreas Höllein reisten in den Libanon, um sich von der erschütternden Lage der 1,3 Millionen syrischer Flüchtlinge ein Bild zu machen. Am Freitagabend berichtet er im Pfarrheim über seine Erfahrungen.
Besonders die Lage der Kinder, die nicht zur Schule gehen können, ist prekär. Foto: p


Nur mühsam kann Walter Ries seine Wut auf fremdenfeindliche Zeitgenossen hierzulande unterdrücken: "Die regen sich auf, wenn ein paar Flüchtlinge in ihrem Ort untergebracht werden sollen", sagt der katholische Pfarrer aus Stegaurach. Und fügt hinzu: "Man stelle sich einmal vor, Deutschland nähme für jeweils vier Einwohner einen Flüchtling aus Syrien auf, das wären über zwanzig Millionen Menschen." Allzu schnell würde das hiesige System an die Grenzen kommen: "Im Libanon ist genau diese Situation eingetreten", weiß Pfarrer Ries, der sich jetzt selbst mit seinem Reisebegleiter Andreas Höllein aus Gundelsheim ein Bild von der Lage in diesem Land des Nahen Ostens gemacht hat.

Der Libanon hat rund 4,5 Millionen Einwohner und beherbergt momentan mehr als 1,3 Millionen syrische und 8000 christliche irakische Flüchtlinge, die vor dem seit 2011 tobenden Bürgerkrieg in Syrien und der Verfolgung durch den "Islamischen Staat (IS)" geflohen sind. Die Dunkelziffer dürfte noch höher liegen, da nicht alle Flüchtlinge registriert sind.

"Diese Flüchtlinge leben unter erbärmlichen Umständen in den Bergen, in Wäldern, in Häuserruinen, Zeltverschlägen, verstreut im ganzen Libanon", erklärt der Pfarrer. Sein Studienfreund aus römischen Tagen, der libanesische Pater Abdo Raad, hatte ihn rund um die Stadt Jun südöstlich von Beirut mit syrischen Flüchtlingen in Kontakt gebracht. Der melkitische griechisch-katholische Ordensmann hat den Verein "Annas Linnas" (Menschen für Menschen) gegründet, der versucht, die größte Not von etwa 500 syrischen Familien zu lindern. Die Ehrenamtlichen um Pater Abdo besorgen Lebensmittel, Trinkwasser, Kleidung, Decken, Matratzen, Medikamente. Denn Unterstützung seitens des libanesischen Staates, der selbst mit einer schwächelnden Wirtschaft und sozialen Problemen kämpft, "gibt es für die Flüchtlinge nicht", weiß Pfarrer Ries.

Traumatisierte Menschen

Er hat Menschen getroffen, die völlig traumatisiert sind und selbst keinerlei Perspektiven für sich sehen. "Die Hoffnungslosigkeit ist greifbar", sagt der Priester erschüttert. Vor allem die vielen Kinder berühren ihn zutiefst: "Über 70 Prozent von ihnen besuchen keine Schule." Die Kleinen, die nur arabisch sprechen, hätten keinerlei Chance, dem Unterricht auf Französisch zu folgen. Und die Jugendlichen ohne jedwede Beschäftigung oder gar Arbeit seien anfällig für die Werbung militanter Gruppen wie die al-Nusra oder den IS, die ihr Unwesen in der Region treiben.

Pfarrer Ries ist erschüttert über die zahllosen 14-, 15-jährigen Mädchen in den Camps, die zumeist nach Vergewaltigungen schwanger sind. Über die mangelhafte medizinische Versorgung, die nur "gegen Cash" zu bekommen ist. Über die ausgemergelten Männer, die versuchen, sich bei den einheimischen Bauern als Tagelöhner zu verdingen und selbst der geringe Verdienst den Neid der ebenfalls armen Bevölkerung weckt. Dagegen seien es oft Privatleute, die ihre Habe mit Flüchtlingen teilen. Zumal die internationalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) und das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) den Ansturm der Notleidenden kaum bewältigen können.

Ein Zeichen setzen

Pfarrer Ries will nach seiner Rückkehr jedenfalls nicht tatenlos bleiben, sondern seine Pfarrgemeinde mobilisieren. Schon vor seiner Libanonreise haben Mitglieder ein Zeichen gesetzt und für syrische Flüchtlingskinder Spielzeug wie Stofftiere gesammelt. "40 Kilo konnten wir mitnehmen", freuen sich der Pfarrer und Andreas Höllein. Doch nun soll Geld gespendet werden, dass dem Verein von Pater Abdo Raad zu Gute kommen wird.

Walter Ries hat auch einen Weg gefunden, dass in all den Wirren im Libanon die Spenden sicher bei seinem Freund Abdo ankommen: Das Internationale Katholische Missionswerk missio München, das selbst Projektpartner im Libanon hat, wird das Geld direkt an Pater Abdo weiterleiten. "Und so Gott will, reise ich wieder in den Libanon und überzeuge mich selbst von dem Einsatz der Spenden", betont Pfarrer Ries.

Am Freitag, 24. Juli, wird er mit Andreas Höllein um 19.30 Uhr im Stegauracher Pfarrheim (Schlossplatz) mit Wort und Bildern über seine Erfahrungen im Libanon berichten. "Jeder ist willkommen", sagen die beiden Männer und verweisen auf "Spendenkörbchen" an diesem Abend.

Spenden für den Verein "Annas Linnas" von Pater Abdo Raad können auf das Konto der Katholischen Kirchenstiftung Stegaurach überwiesen werden: IBAN DE 20 770620 1402025 17094. Verwendungszweck: syrische Flüchtlinge. Spendenquittungen werden ausgestellt.