Stadt will Bamberger Schlachthof separieren
Autor: Sebastian Schanz
Bamberg, Donnerstag, 03. Sept. 2020
Im Fleischzentrum geht's ans Eingemachte: Im Rathaus arbeitet man an Plänen, aus dem städtischen Betrieb eine Tochterfirma zu formen, um wettbewerbsfähig zu sein. Kritiker wittern eine Annäherung an Tönnies. Die Stadt wiegelt ab.
Woher stammt das Fleisch auf dem Teller? Diese Frage kann Bauchschmerzen verursachen, seit die Corona-Welle über den Fleischriesen Tönnies geschwappt ist - und Unappetitliches und arbeitsrechtlich Fragwürdiges hochgespült hat. So verwundert es nicht, dass Bamberg eifrig über das Gerücht diskutiert, der städtische Schlachthof solle zur GmbH werden. Kritiker frotzeln bereits: Gerät das Fleischzentrum in die Hände des Tönnies-Imperiums, das hier bereits seit Jahren schlachten lässt?
Nein, versichert Stadtsprecherin Ulrike Siebenhaar: Ja, die Stadt denke darüber nach, den Schlachthof in eine städtische GmbH umzuformen. Nein, Tönnies erhalte dadurch keine leitende Funktionen oder übernehme gar den Laden. "Auch eine GmbH wäre dabei zu 100 Prozent in städtischer Hand."
Dominanter Großkunde
So oder so ist die Abhängigkeit des Bamberger Betriebes von Deutschlands Metzgereiriesen Nummer eins in den vergangenen Jahren stetig gewachsen. Zwar gibt es mehrere Kunden aus der Region. Dennoch ist die Zahl der geschlachteten Schweine an der Lichtenhaidestraße von Jahr zu Jahr gesunken - bis im Juni 2016 die ersten Tönnies-Laster vorgefahren sind. Seither haben sich die Zahlen mehr als verdoppelt. Nie zuvor kamen in Bamberg so viele Schweine an den Haken wie 2019 - insgesamt 326 141, an jedem Arbeitstag rund 1100. Am Standort Bamberg beschäftigt Tönnies jedoch nur einen eigenen Mitarbeiter, die Bamberger Schlachter agieren als Dienstleister für die Firma.
Trotz der Dominanz des Großkunden betont Siebenhaar: "Eine Privatisierung im Sinne eines Verkaufs an einen Dritten oder die Beteiligung von Dritten an dem bestehenden Betrieb ist nicht vorgesehen." Die Stadt behalte die Federführung. "Eine Geschäftsleitung durch Kunden (zum Beispiel die Firma Tönnies) des Schlachthofes oder Dritte ist nicht vorgesehen", stellt die Sprecherin klar. Eine künftige Leitung des Betriebes werde durch einen Gesellschafterbeschluss bestellt. Lediglich eine Änderung der Rechtsform sei derzeit angedacht.
Im Rathaus ist man jedoch schon weit über einen reinen Denkprozess hinausgekommen: Eine Projektgruppe prüft die rechtlichen Voraussetzungen, Anwaltskanzlei und Steuerbüro sind beratend tätig - und auch die derzeit 26 städtischen Beschäftigten im Schlachthof wurden auf einer Personalversammlung über die "Denkmodelle" informiert.
Werksverträge vor dem Aus
Die Mitarbeiter sind ein Kern des "Nachdenkens", man könnte auch sagen: Kern des Problems. Denn neben den 26 Angestellten des öffentlichen Dienstes arbeiten im Schlachthof auch externe Beschäftigte in der Reinigung oder der Kuttelei, wo Rinder- und Schweinedärme gereinigt werden. Werksverträge und Konzessionsrechte bilden die juristische Grundlage dafür. Doch seit die öffentliche Empörung über die Verteilung an Subunternehmen bei Tönnies gewachsen ist, gerät dieses Modell ins Wanken. Die Bundespolitik will Missstände eindämmen: Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will dazu das System der Werksverträge beenden.
Der städtische Schlachtbetrieb müsste für diese Arbeiten also künftig selbst Leute einstellen. Kompliziert. Unflexibel. Auch die Frage der Haftung ist heikel. Europaweite Ausschreibungen, mehrere Angebote einholen, Bürokratie: All diese Zwänge eines kommunalen Betriebes habe eine GmbH nicht, so die Argumentation.
Schlachten ist von Natur aus ein blutiges Geschäft. Ein Arbeiten zwischen Preisdruck und Qualitätsstandards, Effizienz und Beschäftigungsbedingungen, Tierwohl und Tierleid.
"Wir müssen unseren Betrieb zukunftsfähig gestalten, um noch möglichst lange einen kommunalen Schlachthof in der Region zu haben", erklärt Robert Sporer. Der Schlachthofleiter ist künftig an der Spitze des Personalamtes vorgesehen. Als Betriebswirtschaftler sieht er viele Vorteile durch eine Umwandlung in eine städtische Tochter-GmbH. Der größte: Investitionen könnten in einer rentablen Firma sehr viel einfacher getätigt werden, sagt Sporer. Was er nicht sagt: Der von Corona gezeichnete städtische Haushalt müsste nicht belastet werden.
Was sagt der Personalrat?
"Die unternehmerische Entscheidung, den Regiebetrieb Schlachthof auszugliedern und in eine neuzugründende GmbH einzubringen, ist nicht mitbestimmungspflichtig", erklärt Nicole Orf, die Vorsitzende des Gesamtpersonalrates der Stadt Bamberg. Die Entscheidung treffe die Stadtspitze, also konkret der Stadtrat und der Oberbürgermeister. "Sie tragen daher insoweit auch die Verantwortung."
Als erfreulich wertet es Orf, dass die Personalvertretung von Beginn an in der Arbeitsgruppe vertreten ist, die zur "Vorbereitung und Durchführung des Betriebsübergangs" gebildet wurde. "Wir werden uns dafür einsetzen, dass die Beschäftigten, die in die GmbH übergeleitet werden, ihre arbeits- und tarifrechtlichen Besitzstände sowie ihre betriebsrentenrechtlichen Anwartschaften (sogenannte Zusatzversorgung) vollumfänglich behalten und insoweit keine finanzielle Schlechterstellung erfahren", betont Orf. "Wir sind diesbezüglich zuversichtlich und haben bereits ein erstes positives Signal des Arbeitgebers."