Wirbel um Asylbewerberteam: Chaos in der Bamberger B-Klasse

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Abgesetzte Spiele, kein geregelter Ligabetrieb und ein neuer Verein mit zweifelhaftem Auftreten: Seit RT Bamberg in der B-Klasse 1 mitspielt, brodelt es gewaltig. Foto: Ronald Rinklef
Abgesetzte Spiele, kein geregelter Ligabetrieb und ein neuer Verein mit zweifelhaftem Auftreten: Seit RT Bamberg in der B-Klasse 1 mitspielt, brodelt es gewaltig. Foto: Ronald Rinklef

Seitdem eine Mannschaft mit Asylbewerbern in der untersten Bamberger Liga antritt, brodelt es gewaltig: Der Kreisspielleiter steht im Kreuzfeuer, der Fußball-Verband sitzt das Thema aus - und der neue Verein geht auf Konfrontation.

"Ich bin das schwächste Glied in der Kette, werde alleine gelassen und sehe mich persönlichen Angriffen durch die RT-Verantwortlichen ausgesetzt." Der BFV-Kreisvorsitzende Manfred Neumeister sendet einen Hilferuf. Ein Hilferuf in einem bayernweit einzigartigen Fall. Seit RT Bamberg in der B-Klasse 1 mitspielt, ist ein geregelter Spielbetrieb in der Liga nicht möglich - weil die Regeln des Verbandes zu Teilen außer Kraft gesetzt sind.

Die "Rasentalente" Bamberg entstammen dem gemeinnützigen Verein "Retten und Teilen", der sich insbesondere für Obdachlose und Asylbewerber einsetzt. Das Fußball-Team besteht zum Großteil aus Bewohnern des Bamberger Ankerzentrums. Das Problem: Asylbewerber unterliegen einer Residenzpflicht. Bedeutet für RT: Zu Auswärtsspielen außerhalb des Stadtgebiets darf ein Großteil des Kaders nicht mit, Spiele müssen abgesagt werden.

Daraus ergibt sich eine verworrene Gemengelage aus Verunsicherung, Vorwürfen und Wut. Die Protagonisten können - oder wollen - das Chaos in der untersten Liga nicht beseitigen. Es gibt nur Verlierer. Im Mittelpunkt stehen Manfred Neumeister, ein unentschlossener Verband und die Verantwortlichen von RT Bamberg:

Der Kreisspielleiter

"Ich bin prinzipiell ein Unterstützer solcher Projekte", sagt Neumeister. "Die Vereine sind aber inzwischen unruhig, es brodelt und sie machen Druck, weil sie eine Entscheidung wollen. Und das zu recht. Mir sind aber die Hände gebunden."

Zu Beginn unterhielt RT eine Spielgemeinschaft mit dem ASV Viktoria Bamberg in der A-Klasse - mit ausreichend Spielern für die Auswärtspartien. Diese Kooperation wurde mit Saisonstart aber im Streit aufgelöst. RT spielte fortan in der B-Klasse 1, der ASV in der Staffel 3. Weil RT aber dadurch nicht mehr genügend Spieler für Auswärtspartien stellen konnte, folgten bald die ersten Absagen. Das Problem: Tritt eine Mannschaft schuldhaft zu einem Spiel nicht an, erfolgt ein Punktabzug plus Geldstrafe. Passiert es drei Mal, wird das Team für diese Saison aus dem Spielbetrieb genommen.

Für RT wurde ein sanfterer Weg beschritten. "Nach der Trennung vom ASV wurde eine Schonfrist eingeräumt und die ersten beiden ausgefallenen Spiele von mir abgesetzt", sagt Neumeister. Da er allen Vereinen gegenüber in der Verantwortung stehe, habe er die beiden nächsten abgesagten RT-Spiele - wie üblich - an das Kreissportgericht gemeldet. "Es gibt Regeln. Und die gelten für alle." Nun sind es vier nachzuholende Auswärtspartien. Der Spielplan ist eng getaktet, die Nachholspiele fast nur unter der Woche zu absolvieren. Das wird für die Gegner zum Problem. Durch die Ungleichbehandlung ist der Druck auf Neumeister gewachsen.

Der Fußball-Verband

Das Verbandssportgericht des Bayerischen Fußballverbandes (BFV) in München hat den Fall "RT Bamberg" vom Kreissportgericht übernommen. Die Beurteilung der abgesagten Spiele mit RT-Beteiligung unterliegt nun einem schwebenden Verfahren. Und dieses läuft bis heute. "Zu diesem konkreten Fall gibt es bayernweit keinen zweiten, der auch nur ansatzweise ähnlich gelagert wäre", erklärt der BFV auf FT-Nachfrage. "Es geht darum, eine sportlich faire Regelung zu finden."

Zudem wurde das Bayerische Innenministerium um eine Einschätzung gebeten. "Es wird hier niemand alleinegelassen. Ganz im Gegenteil. Es geht darum, die Verbandsfunktionäre - gerade auf Kreis- und Bezirksebene - bei ihrer Arbeit bestmöglich zu unterstützen", führt der BFV weiter aus.

Das Innenministerium

Die Anfrage des BFV an das Innenministerium ist einige Zeit her. "Soweit ich weiß, steht eine Antwort noch aus. An mich wurde nichts herangetragen. Und das seit etlichen Wochen", sagt Neumeister. Eine Anfrage unserer Redaktion beantwortete das Bayerische Innenministerium hingegen innerhalb von 24 Stunden und ließ in seiner allgemein verfassten Erklärung wenig Interpretationsspielraum. Die Einbeziehung und Integration von Schutzsuchenden sei zwar wichtig, der Sport leiste dazu einen großen Beitrag, aber "im Fall von abgelehnten Asylbewerbern, soweit sie vollziehbar ausreisepflichtig sind, haben die Aufenthaltsbeendigung und damit verbundene Regelungen und Maßnahmen Vorrang".

Was hat sich durch die Einschätzung des Innenministeriums am Fall "RT Bamberg" geändert? Gar nichts. Auch künftig ist eine Aufhebung der Residenzpflicht nur nach Einzelfallprüfung durch die Regierung in Bayreuth möglich. Ein Fußballspiel in der B-Klasse stellt aber offenbar keinen triftigen Grund dar. "Von der Regierung wurde es mir persönlich bestätigt. Das habe ich RT und dem Verband auch mitgeteilt. Mir scheint man aber nicht zu glauben", sagt Neumeister. Damit liegt der Ball wieder beim Verbandssportgericht. Lösungsansätze sind aber nicht in Sicht.

"Ich werde im Stich gelassen, bekomme keine Informationen und muss die Misere ausbaden. Es wirkt, als nehme der Verband meine Ehrenamtstätigkeit nicht ernst. So kann es nicht weitergehen", sagt Neumeister.

RT Bamberg

RT Bamberg versteht sich nach eigener Aussage als für "jedermann offenen Sportverein". Die Residenzpflicht stelle "aber gleichwohl ein unerwartetes Problem dar", zumal dem Verein von behördlicher Seite zugesichert worden sei, dass an Spieltagen die Residenzpflicht temporär aufgehoben werden würde. Bei den Spielen in Bischberg und Mürsbach hat der Verein "durch vielfältigste Bemühungen" weitere Spieler rekrutieren können - und die Partien fanden statt. RT hoffe auf weitere Neuzugänge in der Winterpause und dass es nach behördlichen oder gerichtlichen Entscheidungen möglich sei, "unseren gesamten Kader für Spiele außerhalb Bambergs zu nominieren".

Der Verband begrüßt diese Entwicklung grundsätzlich. "Es zeigt, dass es unabhängig von Sportgerichtsurteilen und den Entscheidungen des Bayerischen Innenministeriums Lösungsmöglichkeiten gibt. Das hilft natürlich im konkreten Fall." Ob das allerdings die Situation im Kreis Bamberg befriedet? Eine Zusammenarbeit zwischen Neumeister und den RT-Verantwortlichen ist kaum mehr möglich. RT bestätigt, Neumeister beim Sportgericht angezeigt zu haben. "Davon weiß ich aber nichts", sagt Neumeister.

Für den Kreisspielleiter gibt es mit RT Bamberg keine gemeinsame Zukunft: "Was die Verantwortlichen tun, ist bodenlos und beschämend. Ich habe keine Angst vor diesen Personen und lasse mich nicht einschüchtern. RT Bamberg ist für mich als Fußball-Mannschaft gescheitert. Mir tun die Spieler leid, aber ich sehe überhaupt keine Möglichkeit, mit den handelnden Personen auf einen Nenner zu kommen."

Kommentar von Redakteur Tobias Schneider

Der Bayerische Fußball-Verband hat sich mit der Aufnahme von RT Bamberg in den geregelten Spielbetrieb ins Abseits manövriert. Er kann das aufgetretene Problem lösen, tut es aber nicht - und zündet stattdessen Nebelkerzen. Dass das Bayerische Innenministerium überhaupt um eine Einschätzung gebeten wurde, ist Zeitspiel. Denn die Gesetzeslage ist klar. Der Verband möchte offensichtlich nicht als Integrationsverhinderer dastehen und hat sich mit der Taktik des Hinhaltens und Wegschauens in die lange Winterpause gerettet. In München wird man froh sein, in Bamberg ist man es nicht. Im Sinne aller anderen Vereine ist eine Entscheidung über die Zukunft von RT in dieser Saison unumgänglich. Entweder erhält RT einen Sonderstatus und darf weiter am Spielbetrieb teilnehmen - oder der Verein muss nach drei nicht angetretenen Auswärtsspielen aus dem Spielbetrieb genommen werden. So, wie es jedem Verein widerfahren würde.

Der Fall "RT Bamberg" ist aber nicht nur politisch komplex, sondern mittlerweile extrem emotional aufgeladen. Im öffentlichen Auftreten ist RT Bamberg sehr speziell - und bisweilen aggressiv. Woche für Woche erscheinen Spielberichte auf der Facebook-Seite von RT: Es wechseln sich Unterstellungen an den Gegner, den Schiedsrichter, den Verband oder die Politik mit persönlichen Diffamierungen ab. Selbstkritische oder versöhnliche Töne gibt es nur selten. RT hat ein "rasendes Talent" dafür, Menschen vor den Kopf zu stoßen. Unserer Redaktion erging es bei einem RT-Heimspiel nicht anders. Der Redakteur wurde des Sportgeländes verwiesen und am Telefon angeschrien. Auf zuvor schriftlich eingereichte Fragen folgte - ohne Rücksprache - auf der Facebook-Seite des Vereins eine neunseitige Antwort samt Unterstellungen.

RT ist ein Integrationsprojekt, scheitert aber daran, sich in ein bestehendes System einzugliedern. Wer unbequem ist, wird niedergebrüllt und in die rechte Ecke gestellt. Das ist Ausgrenzung, keine Integration.