Selbstfindungstrip am Polarkreis
Autor: Tobias Schneider
Bamberg, Donnerstag, 03. Januar 2019
Carsten Unger aus Bamberg verwirklicht seinen Lebenstraum mit der Teilnahme am Nordenskiöldsloppet, dem längsten Skirennen der Welt.
Adolf Erik Nordenskiöld konnte sagen, was er wollte, sie glaubten ihm nicht. Als der Polarforscher 1884 von einer Expedition zurückkam und berichtete, wie weit seine Männer doch auf das Inlandeis Grönlands vorgedrungen seien, verwies man seine Erzählungen ins Reich der Fabeln. Es sei nicht möglich, eine solch lange Strecke auf Skiern zurückzulegen. Um eben das zu beweisen, organisierte Nordenskiöld ein Rennen über 220 Kilometer im Norden Schwedens, in Jokkmokk, oberhalb des Polarkreises. Und er sollte recht behalten: Nach 21:22 Stunden kam der erste Teilnehmer ins Ziel. Der Beweis war erbracht. Und das Rennen? Es verschwand wieder - für 132 Jahre. Bis 2016 die Extremsport-Sparte von "Red Bull" den Mythos wieder aufgriff. Seither messen sich Ende März rund 350 Teilnehmer im klassischen Stil über 220 Kilometer beim "Nordenskiöldloppet" - es ist das mit Abstand längste Langlauf-Rennen der Welt. Die Bedingungen in der kargen Landschaft sind brutal, nur die Härtesten kommen durch.
Zu ihnen will auch Carsten Unger aus Bamberg zählen: Der leitende Ingenieur hat sich eine mehrmonatige Auszeit vom Beruf genommen, ist zur Vorbereitung nach Schweden gezogen und erzählt von seinem Lebensprojekt.
Manche Menschen wollen im Leben eine Weltreise machen. Ihr Traum ist es, 220 Kilometer am Stück auf Skiern zu stehen. Warum tun Sie sich das an?
Carsten Unger:
Sie gönnen sich eine fünfmonatige Auszeit vom Beruf, leben seit Dezember in Schweden und bereiten sich vor. Ist das denn überhaupt nötig? Schließlich geht es in erster Linie doch um Ausdauertraining...
Es geht nicht nebenbei, sich auf eine so extreme Belastung vorzubereiten, es ist eine Vollzeitaufgabe. Dass ich in den Schnee ziehe, war mir sehr schnell klar. Da das Rennen neben der körperlichen Herausforderung auch eine große mentale Belastung sein wird, wollte ich mich irgendwie darauf vorbereiten. Mir war es wichtig, mich ganz auf mich selbst zu konzentrieren und neue Eindrücke zu sammeln. Und dafür war ein harter Schnitt notwendig. Schnee gibt es zwar auch in Österreich, der Einschnitt wäre aber nicht groß genug gewesen. Ich wollte auch meinen Horizont erweitern und eine neue Sprache lernen. Außerdem "atmen" die Skandinavier den Langlaufsport, ich hoffe, davon etwas abzubekommen. Darüber hinaus findet das Rennen ja in Schweden statt - all diese Faktoren haben dazu geführt, dass ich mich so entschieden habe.
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