Oberfränkischer Fanclub-Vorsitzender:"Geisterspiele sind alternativlos"
Autor: Torsten Ernstberger
Kronach, Donnerstag, 07. Mai 2020
Bundesligaspiele ohne Fans - trotzdem ist die Vorfreude des Vorsitzenden der Fanclub-Vereinigung Oberfranken des FC Bayern groß. Er spart aber auch nicht mit Kritik am Fußball-Geschäft.
Die Entscheidung ist gefallen: Die Bundesliga nimmt am 16. Mai wieder den Spielbetrieb auf - allerdings ohne Fans im Stadion. Für die Anhänger bleiben nur die TV-Übertragungen. Der gebürtige Kronacher Frank Müller, Vorsitzender der Fanclub-Vereinigung Oberfranken des FC Bayern München, befürwortet die Fortsetzung und sieht Geisterspiele als alternativlos an. Zudem hofft der 43-Jährige, dass der Profi-Fußball die Corona-Krise auch nutzt, um einige Entwicklungen der vergangenen Jahre zu hinterfragen.
Was machen Sie am 16. Mai um 15.30 Uhr?
Frank Müller: Wenn das Wetter passt, in der Gartenlaube sitzen und Bundesliga schauen. Endlich mal wieder Fußball. Die Vorfreude ist enorm.Hätten Sie erwartet, dass die Bundesliga so schnell wieder startet?
Normalerweise sind Sie samstags im Stadion und genießen die Stimmung - wie lange macht man als Fan Geisterspiele mit?
Die Saisonfortsetzung ist eine Entscheidung des Geldes gewesen. In der Vergangenheit haben auch die Bayern-Fans immer wieder die Entfremdung des kommerzialisierten Fußballs von der Basis kritisiert.
Die Corona-Krise hat viele auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt und ist auch eine Chance. Obwohl in der Wirtschaft - und da gehört der Fußball dazu - immer alles Angebot und Nachfrage ist, sollte man die jetzige Zeit zum Nachdenken nutzen. Beispiel Trikots: Muss ein Kinder-Trikot 70 Euro kosten? Beispiel Spielergehälter und Ablösesummen: Das hat sich in einer Form entwickelt, die nicht mehr normal ist. Beispiel Eintrittspreise: Bei einem Spiel bei Arsenal London habe ich im Jahr 2015 100 Euro gezahlt, beim Champions-League-Finale in Barcelona 1999 waren es noch 30 D-Mark. Einerseits geben volle Stadien den Vereinen auch recht. Und die Fans werden weiter da sein, die Deutschen lieben den Fußball. Aber anderseits muss sich der gesamte Fußball neu aufstellen, um wieder näher an die Gesellschaft zu rücken. Sonst droht die Blase Fußball irgendwann zu platzen.Gerade bei Geisterspielen ohne Atmosphäre sollten die Vereinsoffiziellen doch merken, wie wichtig die Fans sind und deren Meinung ernst nehmen.
Die Bundesligisten sind eben mittlerweile mehr auf die TV-Gelder angewiesen als auf die Faneinnahmen. Und trotzdem sind die Fans das Salz in der Suppe. Bei Bayern haben wir mit Karl-Heinz Rummenigge und Oliver Kahn ehemalige Spieler in Führungspositionen. Die wissen genau, wie wichtig die Fans sind. Außerdem gibt es über den Arbeitskreis Fan-Dialog einen regelmäßigen Austausch zwischen Verein und Fans. Erst letzte Woche habe ich die oberfränkischen Fanclubs bei einer Videokonferenz mit dem FCB-Vorstand vertreten. Die Bayern-Spitze wollte ein Feedback der Fans zu den Geisterspielen. Bei uns wird das "Mia san Mia" gelebt: Wir sind Fans und nicht Kunden, wie es bei anderen Vereinen teilweise der Fall ist.Zurück zur bald wieder laufenden Saison. Wird da nicht ein Titel vergeben, dessen sportlicher Wert nach der langen Zwangspause fraglich ist? Schließlich können sich neue Dynamiken entwickeln, Spieler haben einen anderen Fitnessstand und auch die Fan-Unterstützung fehlt.