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Liveticker: Belastung oder Chance


Autor: red

Bamberg, Mittwoch, 13. August 2014

Mit einem neuen Service will der BFV den Amateurfußball moderner und öffentlichkeitswirksamer gestalten und nimmt die Vereine in die Pflicht. Die sind nicht begeistert.


Immer dann, wenn bei einem Heimspiel des 1. FC Herzogenaurach etwas passiert, ist Klaus Bauer gefragt. Bei jedem Tor, jeder Auswechslung, jeder Gelben oder Roten Karte muss er an den Computer ins Vereinsheim stürmen. Der stellvertretende Vorsitzende des Bezirksligisten ist zuständig für den Liveticker-Service des Bayerischen Fußball-Verbandes (BFV). Höhepunkte des Spiels müssen umgehend online gestellt werden, damit jeder Interessierte nahezu zeitgleich Zugriff darauf hat.

Der Bayerische Fußball-Verband hofft durch diesen Service, der seit Saisonstart von der Bayernliga bis zur Bezirksliga verpflichtend ist, den Amateurfußball moderner und öffentlichkeitswirksamer zu gestalten. Eine Maßnahme, die der breiten Basis der betroffenen Vereine allerdings bitter aufstößt. So auch Klaus Bauer und seinem FCH: "Der Verband schreibt irgendwas vor und die Vereine müssen huschen. Das ist nicht mehr als eine aufgezwungene Zusatzbelastung für uns." Immerhin sei es ohnehin schon schwer genug, freiwillige Helfer für das Alltagsgeschäft eines Sportvereins zu finden. Dass sich zusätzlich noch jemand um einen Livebericht kümmern muss, sei schlichtweg "zu viel des Guten".


Noch keine Strafe ausgesprochen

Bereits am ersten Spieltag hatte es der FCH versäumt, den Ticker zu aktivieren. Durch eine E-Mail habe der Verband darauf aufmerksam gemacht, dass bei weiteren Versäumnissen eine neutrale Person geschickt werden würde, die den Online-Dienst übernehme. Die dafür entstehenden Kosten in Höhe von 30 Euro müsse der Verein jedoch selbst tragen.

Auf Nachfrage des FT entgegnete die Pressestelle des Bayerischen Fußball-Verbandes, dass bislang noch keine einzige "Strafe" vorgesehen und ausgesprochen wurde. Zudem sei die von den Vereinen zu zahlende Aufwandsentschädigung lediglich als eine "kann"-Regelung anzusehen. "Über eine mögliche Umsetzung ist noch gar nicht final entschieden", erklärt Philipp Schmatloch, Mitarbeiter der BFV-Pressestelle. "Entsprechende Richtlinien werden in den kommenden Wochen erarbeitet. Zunächst werden wir uns mit den Vereinen über die Erfahrungen mit dem Liveticker in der Praxis austauschen."


72.000 User nutzten den Dienst

Der Online-Dienst soll die Attraktivität des Amateurfußballs steigern. Und das ist laut Schmatloch mit wenigen Klicks möglich: "Tore und Torschützen, Auswechslungen oder Gelbe und Rote Karten können per Knopfdruck getickert werden, ohne Namen eintippen zu müssen. Der Aufwand erscheint uns also absolut leistbar."
Laut BFV-Angaben haben sich im Juli mehr als 72 000 User über diverse Spiele mithilfe des Ticker-Programms informiert. Zudem betätigten auf Verbandsliga-Ebene 90 Prozent, in den Bezirksligen 64 Prozent der Vereine die Live-Übertragungen.

Dass es durch Funklöcher oder Empfangsstörungen nicht jedem Verein möglich ist, immer rechtzeitig zu tickern, kann BFV-Mitarbeiter Schmatloch nachvollziehen. So möchte der Verband im Dialog mit den Clubs in Zukunft an der Technik und der Umsetzung feilen. "Im Zuge des Austauschs mit den Vereinen wird auch das Thema Empfang für Mobilgeräte zur Sprache kommen", erklärt er.

Ein schwacher Trost für Klaus Bauer vom 1. FC Herzogenaurach. Da er über kein internetfähiges Smartphone verfügt, wird auch in Zukunft kein Weg am Vereins-PC vorbeiführen. "Letztlich bleibt uns eben nichts anderes übrig."


Besorgnis: Bei schlechtem Wetter ersetzt die Elektronik den Fußballplatz

Horst Grasser (Sportlicher Leiter des SV Memmelsdorf): "Diese Liveticker-Pflicht ist natürlich ein Problem für uns. Wir haben uns ziemlich aufgeregt, weil uns noch etwas aufgedrückt worden ist. Wie sollen wir das alles noch schaffen, was der BFV von uns will? So viele Leute haben wir nicht beim SV Memmelsdorf, die diese Aufgaben erledigen. Wir sind strikt gegen die Auflage, einen Liveticker zu führen. Die Folge ist ja, dass die Leute gar nicht mehr auf den Fußballplatz kommen, sondern nur noch woanders den Ticker verfolgen. Kein Mensch will das. Aber die Vereine werden ja gar nicht mehr gefragt. Es interessiert den Verband nicht, dass es praktisch keine Sommerpause mehr gibt. Zudem dürfen wir auch noch für die Sondergenehmigungen zahlen, wenn es um Einsätze von Neuzugängen in Testspielen vor dem Ende der Wechselfrist geht."

Michael Krusche (Sprecher der DJK Don Bosco Bamberg): "Wir sind auch nicht für den verpflichtend eingeführten Liveticker. Das kommt einfach so vom BFV. Wir sind nicht gefragt worden, das ist ein Unding. Für diesen Liveticker bräuchten wir noch einen Mann, da haben wir einfach nicht die Leute dafür bei der DJK. Es hat recht unschöne Worte gegeben seitens der Spielleitung in unsere Richtung, weil wir das anfangs nicht gemacht haben. Nun machen wir das halt auf den Druck hin, der auf uns ausgeübt wird."

Hubert Walter (Schriftführer der SpVgg Germania Ebing): "Wir halten überhaupt nichts von dem Liveticker. Wir haben bei uns niemanden, der das macht. Da fehlt uns das Personal, das wird bei den meisten Vereinen nicht anders sein. Wir haben die Zuschauer und die Fans lieber am Fußballplatz, um das Geschehen direkt zu verfolgen, statt am Handy zu hängen, um zu schauen, wie es woanders steht. Bei schlechtem Wetter jetzt im Herbst und Winter werden die Leute dann ganz daheim auf dem Sofa bleiben wegen des Livetickers. Wir sind der Meinung, der elektronische Spielberichtsbogen, den der Schiedsrichter gleich nach der Partie ausfüllt, reicht. Die 30 Euro, die der BFV berechnet, wenn er eigens für den Liveticker einen Mann für die Vereine abstellt, sind nichts anderes als eine Strafgebühr."

Thomas Häublein (Abteilungsleiter des TSV Ebensfeld): "Das Thema wurde bei uns schon kontrovers diskutiert. In unseren bisherigen zwei Heimspielen haben wir uns geweigert. Der BFV hat auch niemanden geschickt und uns deshalb auch keine 30 Euro berechnet. Ich sehe den Service für die Vereine als schädlich an. Es bleiben vielleicht Zuschauer aus, die das Spiel - vor allem auswärts - lieber vom Computer aus verfolgen. Mit dem Liveticker generiert der BFV ja Werbeeinnahmen. Es wäre vielleicht denkbar, dass der Verein für den Ticker 30 Euro vom Verband erhält, wenn er die Arbeit macht. Ich denke, wir werden uns beugen müssen, doch bis dahin erzeugen wir etwas Gegenwind und schlucken nicht alles, was uns vorgesetzt wird."

Uwe Schüttlinger (Abteilungsleiter der SpVgg Jahn Forchheim): "Ich habe bereits in der vergangenen Saison Erfahrungen mit dem Liveticker in der Bayernliga gesammelt. Es ist ein Service für Interessierte, bei dem lediglich grobe Daten zum Spielverlauf eingegeben werden müssen. Aber macht das unterhalb der Bayernliga Sinn?"

René Hoffmann (Betreuer des Baiersdorfer SV): "Prinzipiell ist die Idee okay. Wir machen das schon seit Jahren für andere Internetportale. Lediglich die Art und Weise, wie der Verband die Vereine dazu drängt, ist maßlos übertrieben."

Jürgen Beierlein (Abteilungsleiter des SV Buckenhofen): "Ich befürchte weitere negative Folgen für den Amateurfußball. Ich glaube, das Ganze wird mit Sicherheit auch Zuschauer kosten, gerade bei schlechterem Wetter."


Kommentare von Johannes Höllein

Die Vereine unter Strafandrohung - auch wenn es der BFV ausdrücklich nicht so nennt - zur technischen Revolution zu zwingen, ist dreist. Zumal der Liveticker überflüssig ist, weil es solche Angebote anderswo ja bereits gibt. Die Vereine, die eh schon nicht mit ehrenamtlichen Helfern im Übermaß gesegnet sind, brauchen jemanden, der sich der Sache annimmt, und müssen sich oft auch die Frage stellen, wie sie das Ganze überhaupt umsetzen können. Anders als im Großraum München, wo der BFV die Neuerungen kreiert, gibt es hier noch weiße Flecke in Sachen Mobilfunk. Ist der Handyempfang am Sportplatz mau, gehen die Probleme los.
Wo tickern, wenn nicht direkt am Spielfeldrand? Die Lösung kann nur eine WLAN-Verbindung sein. Und die - sofern überhaupt vorhanden - reicht meist nicht vom Geschäftszimmer bis auf den Rasen. Die Vereine müssen also aufrüsten - sprich Geld ausgeben. Spielerwechsel, Sportgerichtsfälle, Schiedsrichterkosten: Damit oben die Millionen fließen, werden die Kleinen unten zur Kasse gebeten. Weiterer (finanzieller) Aufwand für die Vereine bringt dem Verband wohl keine Sympathiepunkte.


Kommentar von Michael Schwital

Geht's ums Geld, um Macht? Wohl um beides. Schon vor Jahren, als nicht nur für Kanzlerin Merkel das Internet noch Neuland war, ließen die Verbandsoberen die Medienwelt wissen: Eines Tages gehe das nicht mehr, dass das aktuelle Fußballergebnis per Telefon im Vereinsheim abgefragt werde. Die Resultate gebe es dann direkt vom Verband - gegen Bezahlung. Dazu kam es (bislang) nicht. Der DFB, als reichster Sportverband der Welt apostrophiert, sieht sich als Vermarkter, der die Regeln aufstellen kann. Das undenkbare Extrem auf der anderen Seite: Die Medien würden Geld verlangen für ihre Berichterstattung. Nur die Fußball-Gewaltigen meinen, das Miteinander diktieren zu können. In keiner anderen Sportart ist das der Fall. Ob Basketball, Schwimmen oder Bogenschießen - jeder Sportler in der Region freut sich, wenn über seine Erfolge vor Ort berichtet wird - zum Wohle jeder Sportart, zur Freude der Fans und Journalisten. Wird auch der Amateursport dem Kommerz geopfert, bleibt der Sportsgeist endgültig auf der Strecke.