Vom Kettenraucher zum Extrembergsteiger: Herbert Hellmuth aus Hallstadt besteigt den K2
Autor: Tobias Schneider
Hallstadt, Donnerstag, 05. Sept. 2019
Und plötzlich ohne Sauerstoff: Herbert Hellmuth hat den K2 bestiegen, als erster Deutscher seit 25 Jahren. Und er ist lebend wieder in Hallstadt angekommen.
Auf das Ratsch folgt das Zischen. Das lebensnotwendige Gas entweicht binnen Sekunden. Herbert Hellmuth hängt entkräftet in der Steilwand, nahezu bewegungsunfähig und sieht nur noch Sternchen. "Ich habe gedacht, das war es jetzt”, sagt der Hallstadter. Beim Abstieg vom K2, dem mit 8611 Metern zweithöchsten Berg der Welt, hatte sich an der steilsten Stelle unterhalb des Gipfels der Sauerstoffschlauch verfangen und die Versorgung gekappt.
Wenige Minuten zuvor hatte der 50-Jährige Außergewöhnliches geschafft, als er dieses Ungetüm aus Eis, schroffen Felsen und steil ansteigenden Flanken bezwang und durch das Erklimmen des Gipfels in einen exquisiten Kreis vorgestoßen ist. Er ist der einzige Deutsche neben dem Schwarzwälder Ralf Dujmovits, der auf den drei höchsten Bergen stand. Das Problem: Er muss noch runter. Lebend. Auf 400 Besteigungen am K2 kommen 90 Todesfälle, mehr als die Hälfte davon während des Rückwegs vom "Berg der Berge", wie ihn Reinhold Messner nannte. Und Hellmuth läuft Gefahr, ein Teil dieser traurigen Statistik zu werden.
Keuchend hängt er in der Steilwand, legt die klatschnasse Stirn ans Blankeis und spürt, wie sich der niedrigere Luftdruck in seinem Körper wie ein schleichendes Gift ausbreitet. Nur etwa 14 Prozent des Sauerstoffgehalts auf Meereshöhe stehen hier oben noch zur Verfügung. Die Sinne trüben sich, der Körper ist geschwächt und dehydriert durch das ständige Ausatmen. Jede Bewegung ist ein Kraftaufwand. Und der rettende Sherpa klettert 50 Meter unter ihm. "Da macht sich Panik breit", sagt Hellmuth. Er tastet sich mit winzigen Schritten nach unten, fällt vor totaler Erschöpfung auf die Knie und lässt sich die Ersatzflasche anschließen. "Ich habe mich noch nie so fertig gefühlt", sagt er.
Dabei hätte sich der Hallstadter an diesem 25. Juli schon längst auf dem Heimweg nach Franken befinden sollen. Eine Woche zuvor hatte der 50-Jährige mit weiteren Teilnehmern aus der ganzen Welt den Gipfelsturm auf 8100 Metern abbrechen müssen, Pulverschnee hatte ein Vorankommen unmöglich gemacht. Es sollte wohl wieder so ein Jahr werden, an dem der Berg nicht zu bezwingen ist - wie 2015 und 2016. Auch damals versuchte sich Hellmuth am K2. Und nun wieder keine Besteigung? Im Basislager packten die allermeisten ihre Sachen zusammen und reisten ab. Ein trotziger Rest harrte aber aus. Unter ihnen auch der Hallstadter.
Seit er vor zehn Jahren einen konsequenten Lebenswandel vollzog, als aus dem Kettenraucher ein Extrembergsteiger wurde, hat er viele Abenteuer gemeistert. Er stand auf den höchsten Gipfeln der sieben Kontinente, den "Seven Summits". Und er weiß, dass sich für die kommenden Tage eine Art Heiland im Basislager angekündigt hatte: Nims Purja, ein Nepalese, der alle 14 Achttausender in der Weltrekordzeit von nur acht Monaten besteigen will und mit einer großen Entourage unterwegs ist. Die Gescheiterten hofften, in den Spuren des Rekordjägers eine weitere Chance zu bekommen. Sie sollten Recht behalten. "Und dann beginnt alles wieder von vorn", sagt Hellmuth.