Die WM ging ihm unter die Haut
Autor: Maximilian Glas
Bamberg, Donnerstag, 17. Oktober 2019
Für den Venezolaner Michael Carrera war das Basketball-Großereignis in China eine prägende Erfahrung. Auf Vereinsebene will der gläubige Christ nach sieben Stationen in drei Jahren nun in Bamberg sein Glück finden.
BambergAns Reisen ist Michael Carrera gewohnt. In seiner dreijährigen Profikarriere war der 26-Jährige bereits bei sieben Vereinen in sechs Ländern aktiv. Seinen bisher prägendsten Trip erlebte der Venezolaner aber vor einigen Wochen mit der Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in China. "Es war mein erstes großes Basketball-Turnier für mein Heimatland. Eine großartige Erfahrung, die ich niemals vergessen werde", sagt Carrera mit leiser, bedächtiger Stimme. Während des Gesprächs in der Strullendorfer Trainingshalle krempelt Carrera den rechten Ärmel seines Kapuzenpullovers hoch und präsentiert stolz sein neuestes Tattoo: das WM-Logo auf seinem Unterarm. "Einige meiner Teamkollegen waren 2014 bei Olympia in Rio dabei und haben sich die Olympischen Ringe tätowieren lassen. Die WM-Teilnahme bedeutet mir sehr viel und ich liebe Tattoos, also musste ich das jetzt nachholen."
Mit dem Sieg über Gastgeber China und dem Einzug in die Zwischenrunde (14. Platz in der Endabrechnung) gehörte Venezuela zu den positiven Überraschungen des Turniers. "Unsere Mission war es, mit dieser Weltmeisterschaft die Menschen in Venezuela glücklich und stolz zu machen. Es gibt leider einige Sachen in unserem Land, seien es Regierungsgeschichten, Armut oder die gesundheitliche Versorgung, die nicht so gut laufen", erzählt Carrera. "Ich bin froh und gesegnet, jetzt in Deutschland sein zu dürfen und für so einen tollen Verein zu spielen. Es gibt viele Menschen, die gerne in meiner Position wären, aber um hierherzukommen, musste ich auch sehr hart arbeiten."
In die Fußstapfen des Vaters
Carrera ist in der industriell geprägten Küstenstadt Barcelona, rund 300 Kilometer östlich von der venezolanischen Hauptstadt Caracas, als Einzelkind in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen. Sein Vater Luis war ebenfalls Basketballprofi, setzte seinen Sohn aber nie unter Druck, einen ähnlichen Weg einzuschlagen. So kam Carrera erst mit zwölf Jahren mit dem orangenen Leder in Berührung. Zuvor hatte er Fußball und Baseball, den Nationalsport Venezuelas, ausprobiert. "Ich habe Baseball zwar für eine Weile gespielt, konnte mich aber nie so recht damit anfreunden. Ich bin ein sehr aktiver Athlet, immer nur an einem Ort zu stehen und zu warten, ist nicht mein Ding. Ich muss mich einfach bewegen und rennen, also bin ich beim Basketball gelandet", erklärt Carrera.
Vater Luis, der selbst ein Kämpfertyp auf dem Parkett war und als überragender Rebounder galt, ist in seiner Mentorenrolle voll aufgegangen und gab Michael das passende Rüstzeug für eine erfolgreiche Karriere an die Hand. "Mein Dad sagte immer zu mir, wenn du auf dem Basketballfeld stehst, gibt es keine Freunde. Mit dieser Einstellung gehe ich auch heute noch in jedes Spiel rein", sagt der 26-Jährige.
Um die Leistungen und den Einsatz seines Vaters zu würdigen, läuft Carrera seit seiner Zeit an der Highschool (Maryland/USA) in kürzeren Hosen, wie es in den 80er- und 90er-Jahren üblich war, auf. "Ich bin da sehr altmodisch und fühle mich in kürzeren Shorts einfach wohler. Hier in Bamberg versuche ich, die Hose zumindest etwas hochzurollen", sagt Carrera mit einem Grinsen im Gesicht.
Davon abgesehen, dass der passende Schneider noch gefunden werden muss, fühlt sich der Venezolaner in Bamberg schon sehr wohl. "Es ist eine ruhige Stadt, aber gerade das gefällt mir." Ein Spiegelbild seiner Persönlichkeit: "Ich bin außerhalb des Basketballfelds ein sehr ruhiger und schüchterner Typ." Auf dem Parkett sei er dagegen ganz anders. "Basketball ist mein Leben und eine Möglichkeit, meiner Familie etwas zurückzugeben. Daher tue ich alles fürs Gewinnen und bin immer mit ganzem Herzen und voller Leidenschaft dabei", sagt der Südamerikaner.
Der Glaube bringt ihm Energie
Neben seiner Familie zieht Carrera für seine neue Aufgabe auch viel Kraft aus seinem christlichen Glauben, den er vor rund einem halben Jahr für sich entdeckte. "Ich war in meinem Leben nicht immer glücklich. Die Entscheidung, ein Sohn Gottes zu werden, war die beste meines Lebens."