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Rolf Beyers Euroleague-Bilanz: Der Stolz überwiegt bei Brose Bamberg


Autor: Klaus Groh

Bamberg, Donnerstag, 13. April 2017

Trotz der vielen knappen Niederlagen ist der Geschäftsführer mit den Leistungen in dieser Mammutsaison zufrieden. Ein Interview.
Nicolo Melli bot beeindruckende Vorstellungen. Hier bloockt er Krem Birch von Olympiakos Piräus. Fotos: Daniel Löb


30 Schlachten sind geschlagen: Am 1. April endete die Euroleague-Hauptrunde, die den 16 besten Mannschaften in Europa alles abverlangt hatte. Neben der nationale Liga ging eine zweite komplette Saison über die Bühne. "Der Spielplan ist mit der NBA vergleichbar, wobei es Annehmlichkeiten wie die eines Privatjets nicht gibt", hatte Bambergs Erfolgstrainer Andrea Trinchieri schon vor dem Startschuss Mitte Oktober konstatiert.

Auch wenn schon früh feststand, dass der deutsche Meister die Play-offs verpassen wird, meisterte Brose Bamberg die Herausforderung und etablierte sich in der Königsklasse.

Die Erfolge haben aber auch Begehrlichkeiten bei der großen Konkurrenz geweckt: Nicolo Melli und Daniel Theis beispielsweise wurden fast jede Woche von den NBA-Scouts unter die Lupe genommen und haben sich mit tollen Leistungen empfohlen - erschwerend kommt hinzu, dass die Verträge auslaufen. Geschäftsführer Rolf Beyer zieht im Interview Bilanz und wirft einen Blick voraus.

Frage: Wie fällt Ihr sportliches Fazit nach dieser Euroleague-Marathonsaison aus? Überwiegen die Höhepunkte oder die Enttäuschung nach den zahlreichen knappen Niederlagen?
Rolf Beyer: Zunächst einmal überwiegt der Stolz, dass wir als erstes und einziges deutsches Team dieses neue Euroleague-Format mit prägen durften. Wir haben viele tolle Spiele gesehen. In einigen hat uns am Ende das Glück gefehlt, in anderen die Cleverness, wieder in anderen kamen andere Faktoren hinzu, die wir selbst nicht beeinflussen konnten. Alles in allem aber bin ich zufrieden mit dem Erreichten.

Frage: Aufsichtsratsvorsitzender Michael Stoschek hat sich wiederholt über Benachteiligungen durch die Schiedsrichter beschwert und aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten sogar mit einem Verzicht auf die Königsklasse in der nächsten Saison gedroht, falls das Brose-Team als deutscher Meister die Qualifikation schafft. Wie denken Sie darüber?
Antwort: Ich würde nicht sagen, dass er "gedroht" hat. Aber es stimmt, dass wir gemeinsam mit der Euroleague am Tisch saßen und Rahmenbedingungen für zukünftige Teilnahmen diskutiert haben. Wir suchen einen fairen, möglichst gleichberechtigten Wettbewerb mit möglichst offenen Zugangsvoraussetzungen. Dazu gehören die Beteiligung am Marketing-Pool, sportliche Qualifikation und auch ein Standing bei den Referees. Ich kann die Position der Euroleague zur Bindung der stärksten Basketballmarken in Europa zwar nachvollziehen, da sie Planungssicherheit für den Wettbewerb bedeutet. Als Club wünschen wir uns eine ähnliche Planungssicherheit für unsere Investitionen und die sportliche Ausrichtung. All diese Aspekte werden wir zusammen mit dem Aufsichtsrat nebeneinander legen und bewerten. Und dann müssen wir uns ja erst einmal sportlich qualifizieren. Das genießt jetzt Priorität und wird nicht so leicht werden.

Frage: Bei den Heimspielen gegen Roter Stern Belgrad und zuletzt gegen Galatasaray Istanbul gab es Sachbeschädigungen durch die Gästefans. Wer kommt für die nicht unerheblichen Kosten auf? Muss man das Sicherheitskonzept noch einmal überdenken?
Antwort: Unser Sicherheitskonzept, das wir nach den Vorfällen gegen Belgrad installiert haben, hat definitiv gegriffen. Gegen Galatasaray gab es ja keine Ausschreitungen oder dergleichen. Die türkischen Fans standen und hüpften allerdings auf den Stühlen. Das ist dann natürlich trotzdem über das Ziel hinausgeschossen, da hierdurch wiederum Kosten entstanden sind. Wir sind im Austausch mit dem Hallenbetreiber, den Sicherheitskräften, der Polizei und der Euroleague - übrigens auch zum ersten Fall gegen Roter Stern. Eines ist für mich klar, selbst bei einem inzwischen funktionierenden Sicherheitskonzept, bei dem sich kein Heimfan unsicher fühlt, brauche ich solche Gästefans nicht. Auch dazu werden wir für die nächste Saison eine grundlegende Entscheidung treffen.

Frage: Wie stark ist die Personalplanung für die neue Saison von der Euroleague-Teilnahme abhängig? Gibt es auch einen Plan B, falls das Brose-Team nicht im Konzert der europäischen Topteams dabei ist?
Antwort: Wir haben einen Plan B, einen Plan Bb und einen Plan Bbb (lacht). Nein, ernsthaft, natürlich will jeder Spieler Euroleague spielen, will sich jeder mit den besten europäischen Teams messen. Das Planen in Alternativszenarien ist ja nichts Neues für uns. Wir würden aber dennoch eine Mannschaft mit zwölf Spielern ins Rennen schicken, wenn es mit der Euroleague-Teilnahme nicht klappen sollte.

Frage: Gibt es Bestrebungen, eine Wildcard zu bekommen?
Aktuell stellt sich diese Frage nicht.

Frage: Nach dem Heimspiel gegen Berlin am Sonntag ist das Team - das dann schon 63 Pflichtspiele absolviert hat - aufgrund des Rückzugs von Phoenix Hagen 13 Tage lang nicht im Einsatz. Wie wird diese lange Pause genutzt?
Antwort: Die Mannschaft bekommt dreieinhalb Tage frei. Das nutzen viele, um in die Heimat zu fliegen oder einfach einmal den Kopf freizubekommen und die Beine hochzulegen. Die letzten sechs Monate waren enorm kräftezehrend. Am Donnerstagabend bittet Andrea Trinchieri dann wieder in die Halle. Da steht in den Anfangstagen jedoch in erster Linie Athletiktraining auf dem Programm. Am Wochenende beginnt dann die Vorbereitung auf die entscheidende Saisonphase.


Kommentar: Langen Weg durch die Hölle gemeistert

Andrea Trinchieri hat diese mörderische Euroleague-Saison mit 30 Spielen in sechs Monaten mit einem Zitat von Winston Churchill umschrieben: "Wenn du durch die Hölle gehst, dann lauf weiter."

Und das taten die Brose-Basketballer bei ihrem Höllen-Trip quer durch Europa. Manchmal sind sie zwar gestolpert, einige Male auch hingefallen. Doch Nicolo Melli & Co. standen immer wieder auf, obwohl sie viele knappe Niederlagen, aber auch derbe Pleiten verdauen mussten. Manchmal wirkte der Maestro vor der Spielerbank auch machtlos ob der Entscheidungen der "Unparteiischen", die in entscheidenden Phasen ZSKA Moskau, Real Madrid oder den Teams aus Istanbul Vorteile verschafften, die mit guten Leistungen auf dem Spielfeld nicht zu kompensieren waren.

Auf der anderen Seite durfte sich Freak City aber auch über beglückende Momente, wie beispielsweise die Heimsiege über Mailand, Piräus und den FC Barcelona, den Triumph in Nürnberg gegen Anadolu Efes Istanbul oder die Auswärtserfolge in Tel Aviv und bei Galatasaray Istanbul freuen.

Die Basketball-Hauptstadt Bamberg bekam Spiele von allerhöchster Gute serviert, wobei der achtmalige deutsche Meister den Topklubs des Kontinents immer auf Augenhöhe begegnete. Das macht Lust auf mehr, auch wenn am Ende oftmals eine Portion Abgezocktheit fehlte.

Die Erfahrungen aus diesen Schlachten werden dem deutschen Aushängeschild nach überwundenem Substanzverlust in den Play-offs sicher helfen, den nächsten Titel zu holen - denn nur dann geht das Abenteuer Euroleague auch in der neuen Saison weiter.