Bamberger lassen Biss vermissen
Autor: Peter Seidel
Bamberg, Freitag, 20. November 2020
Am Sonntag muss das Team von Brose Bamberg in Crailsheim mit viel größerer Energie spielen als beim hart erkämpften Heimerfolg gegen die Niners Chemnitz. Sonst droht den Oberfranken die zweite Niederlage in dieser Bundesligasaison.
Schon mehrere Minuten vor Beginn der Pressekonferenz saß Johan Roijakkers auf dem für ihn reservierten Stuhl. Offenbar konnte es der Trainer von Brose Bamberg kaum abwarten, seine Meinung zum hart erkämpften 93:86-Erfolg gegen die Niners Chemnitz abzugeben. Während der Niederländer den Aufsteiger bei dessen Bundesliga-Debüt für seine "großartige Leistung" lobte, hatte er für das eigene Team kaum warme Worte übrig. Besonders hart ins Gericht ging er mit seinen zwei Aufbauspielern.
"Ein Treffer bei elf Versuchen, dazu acht Ballverluste von den Point Guards - damit hast du eigentlich Probleme, gegen Coburg in der ProB zu gewinnen", kritisierte der Bamberger Trainer seine beiden Spieler auf der Position 1. Tyler Larson, der im letzten Viertel überhaupt nicht mehr aufs Feld durfte, war ein Totalausfall: null Punkte bei sieben Würfen, drei Assists standen drei Ballverluste gegenüber. Nur wenig effektiver war Bennet Hundt: ein Treffer bei vier Würfen, fünf Assists, aber auch fünf Ballverluste; zwei davon binnen acht Sekunden, als Chemnitz auf eine Pressverteidigung umstellte. "Bennet hat für 20 Sekunden seine Konzentration verloren. Er ist erst 22 Jahre und darf noch Fehler machen", nahm Roijakkers seinen Zögling, den er aus Göttingen mit nach Bamberg gebracht hatte, in Schutz. Larson leide unter Knieproblemen. "Das tut nicht nur ihm weh, sondern auch uns als Team. Denn ohne Point Guard in der BBL zu spielen, ist schwierig", befand Roijakkers.
Nicht nur die beiden Aufbauspieler müssen sich steigern. Auch Christian Sengfelder, der nur vier seiner neun Würfe traf und lediglich einen von vier Freiwürfen versenkte, ist weiter auf der Suche nach der Form der vergangenen Saison. Konstant punkteten nur Chase Fieler (16), Michele Vitali (15), Devon Hall (14) und David Kravish, der aus diesem Quartett mit 26 Punkten und zehn Rebounds herausragte. Zufrieden war aber auch der Center trotz seines "Double-Doubles" nach dem Bamberger Heimdebüt nicht. "Es ist nicht so, dass wir nicht die gleiche Energie an den Tag legen könnten wie Chemnitz das gemacht hat. Aber wir haben das nicht getan. Wir waren als Team nicht voll da", sagte der US-Amerikaner.
In der Tat schien es so, als ob die Bamberger erst am Sonntag aus zweiwöchiger Teamquarantäne entlassen worden wären und nicht die Sachsen. Denn während die Niners von Beginn an aufs Tempo drückten, fehlte dem Brose-Spiel die nötige Intensität. Aufgrund mangelnder physischer Verteidigung kamen die Chemnitzer immer wieder zu freien Würfen.
Bis kurz vor Ende des dritten Viertels behaupteten die Gäste meist die Führung, ehe ihnen aufgrund des Trainingsrückstands im Schlussabschnitt die Luft ausging, in dem sie ihrem Gegner 27 Punkte gestatteten. "Am Ende waren wir sehr müde, haben einige leichte Fehler gemacht. Man hat aber gesehen, was in der Mannschaft steckt", lobte Niners-Coach Rodrigo Pastore sein Team.
Was im Bamberger Team steckt, werden die Brose-Fans in den kommenden Wochen genau beobachten. Bereits am Sonntag (20.30 Uhr) hat es in Crailsheim die Möglichkeit, den Eindruck zu widerlegen, es mangele einigen Spielern an Kämpferherz. "Jeder einzelne hat es in uns, von Beginn an hellwach zu sein. Es geht nur darum, das zu schaffen. Und ich bin mir sicher, dass wir das schaffen", meinte Kravish.
Bei den Merlins wird die Aufgabe für die Bamberger sicherlich nicht einfacher als gegen Chemnitz. Die Crailsheimer sind mit einem klaren 84:66-Sieg beim Mitteldeutschen BC in die Bundesligasaison gestartet und hatten mit Trae Bell-Haynes den überragenden Mann auf dem Parkett in den eigenen Reihen. Der kanadische Aufbauspieler, der von den Helsinki Seagulls zu den Crailsheimern kam, erzielte 27 Punkte. Zwei Tage zuvor hatte er beim 81:77-Erfolg im Pokal-Nachholspiel gegen Medi Bayreuth zehn Assists aufgelegt. Mit durchschnittlich 18,8 Punkten, 8,8 Assists und 5,8 Rebounds in den bisherigen Pflichtspielen wurde der 25-Jährige von der Internet-Plattform eurobasket.com zum "BBL-Spieler der Woche" gekürt.
Gegen den MBC trumpfte mit Bogdan Radosavljevic (19 Punkte/7 Rebounds) ein weiterer Neuzugang auf. Den Center haten die Merlins erst wenige Tage zuvor verpflichtet. Ohne Korberfolg in dieser Partie blieb der Ex-Bamberger Maurice Stuckey, der in sein zweites Jahr in Crailsheim geht. Mit Elias Lasisi haben die Merlins mittlerweile einen zweiten Spieler unter Vertrag, der schon das Brose-Trikot trug. Der Belgier bestand in Bamberg die Testphase nicht und wurde nach der Verpflichtung von Devon Hall vor drei Wochen aussortiert.