"Selige" Luise Löwenfels?
Autor: Marion Krüger-Hundrup
Bamberg, Samstag, 02. Juli 2016
Die aus Trabelsdorf bei Bamberg stammende Ordensfrau Aloysia Luise Löwenfels, die in Auschwitz ermordert wurde, soll bald selig gesprochen werden.
Stille, Totenstille umgibt diesen Ort am Dorfrand von Lisberg im Landkreis Bamberg. Dichte Baumkronen umschatten den alten jüdischen Friedhof. Eine Mauer um das Geviert grenzt von den Feldern ab. Verwitterte Grabsteine, etwa 140 sind es. Ein verschlossenes Gittertor wehrt ungebetene Eindringlinge ab. Auch heute wohl eine notwendige Vorkehrung. Nazis haben den Friedhof 1938 geschändet.
Die Kinder Malchen (verstorben 1910) und Hedwig (verstorben 1918) Löwenfels ruhen hier. Eine Dorflegende besagt, dass ein Doppelgrabstein für die Mädchen errichtet wurde. Doch eine Namenstafel ist nicht mehr vorhanden.
Die weitere Spurensuche nach dem Weg der jüdischen Metzger- und Viehhändlerfamilie Löwenfels, die im Lisberger Nachbarort Trabelsdorf ansässig war, ist da einfacher. Dank der leiblichen Schwester Luise von Malchen und Hedwig, die am 5. Juli 1915 in Trabelsdorf geboren wurde und in jetziger Zeit viele Menschen umtreibt.
Ihre Lebens- und Leidensgeschichte verdichtet sich am Ende, ohne das an einem Grab um sie getrauert werden könnte: Luise Löwenfels wurde am 9. August 1942 im Vernichtungslager Auschwitz ermordet. Sie starb mit 987 Schicksalsgefährten in der Gaskammer, gerade einmal 27 Jahre alt.
Nach einem wohl lange andauernden inneren Prozess hatte sich Luise Löwenfels aus dem Judentum heraus dem katholischen Glauben zugewandt. Zum Missfallen ihrer jüdischen Familie konvertierte die ausgebildete Kindergärtnerin 1935, wurde in Mönchengladbach getauft und trat zwei Jahre später als Schwester Aloysia in den Orden der Dernbacher Schwestern, der "Armen Dienstmägde Jesu Christi", ein. Da die Ordensniederlassung unter Beobachtung der Gestapo stand, zog Schwester Aloysia in eine Niederlassung in Lutterade-Geelen in den Niederlanden. Nach dem Einmarsch der deutschen Besatzungsmacht in die Niederlande war sie auch dort nicht mehr sicher. Dennoch lehnte die Ordensfrau, die außerhalb des Klosters den Davidsstern tragen musste, ein Angebot des Ordens ab, nach England zu gehen. Auch die dringenden Bitten ihres Bruders, mit dem sie nach dem Bruch mit ihrer Familie noch in Kontakt stand, ihm ins Exil in die USA zu folgen, lehnte sie ab.
Ihr Todesurteil war der an sich mutige Hirtenbrief der holländischen Bischöfe, die am 26. Juli 1942 die Verfolgung der Juden durch die deutschen Besatzer verurteilten. Die Nazis reagierten darauf eine Woche später mit dem Abtransport aller Ordensleute und Priester jüdischer Abstammung sowie anderer getaufter und auch nicht getaufter Juden ins Lager Westerbork - über 40 000 Menschen. Unter den 14 deutschstämmigen Ordensleuten waren Aloysia Luise Löwenfels, Edith Stein und deren Schwester Rosa.
Als die SS-Leute morgens gegen 6.30 Uhr Schwester Aloysia aus dem Kloster holten, "schien sie völlig ruhig zu sein, sie schaute sich nicht um. Eine Mitschwester sagte, dass sie aufrecht schritt und ihr keine Angst anzusehen war", heißt es in einer Lebensbeschreibung. Von Westerbork ging es im Viehwaggon am 7. August 1942 nach Auschwitz. Sofort nach ihrer Ankunft am 9. August wurden die Ordensfrauen ermordet.
"Aloysia Luise hätte die Möglichkeit gehabt, ihrem Schicksal auszuweichen", betont Pastoralreferentin Andrea Friedrich aus der Pfarrei Priesendorf, die auch Trabelsdorf umfasst. Die Pastoralreferentin beschäftigt sich seit langem intensiv mit der Biografie der Ordensfrau, hält Vorträge über sie. Aloysia Luise habe ihr Schicksal "mit freiem Willen angenommen, das ist für die anstehende Seligsprechung auch ein ganz wichtiger Punkt". Überliefert ist ein Zitat von Aloysia Luise, die sich vierzehn Tage vor ihrer Verhaftung einer Mitschwester gegenüber so äußerte: "Ich fühle, dass etwas geschieht, aber ich habe meine Meinung gemacht und mich ganz dem Willen Gottes ergeben."
Für Andrea Friedrich ist das im vergangenen Jahr eingeleitete Seligsprechungsverfahren für Schwester Aloysia Luise Löwenfels "eine hochaktuelle Chance". Die Chance nämlich, "allen Anfängen einer nationalsozialistischen, rassistischen und fremdenfeindlichen Ideologie entschieden zu wehren!", betont die Pastoralreferentin. Sie ist auch eine von 50 Zeugen und Zeuginnen, die kürzlich von den theologischen und historischen Gutachtern angehört wurden. "Top secret" waren diese Erhebungen, von deren Inhalt erst einmal nichts nach draußen dringen darf.
Gleichwohl gibt es ein zusammenfassendes Ergebnis dieser Befragungen: "Die Zeugen haben das Martyrium von Schwester Aloysia Luise Löwenfels bestätigt. Sie hat als Märtyrerin Zeugnis für ihren Glauben abgelegt", erklärt Schwester Christiane Humpert vom Orden der Dernbacher Schwester, die das Seligsprechungsverfahren gemeinsam mit niederländischen Mitschwestern angestoßen hat. Sie ist die Postulatorin des Verfahrens und ist sich über dessen Ausgang schon recht sicher: "Ja, es wird klappen!" - und der Papst werde Aloysia Luise Löwenfels selig sprechen, zumal bei Märtyrern aus der NS-Zeit die Chancen dafür gut seien. Natürlich "ist der Wille Gottes entscheidend", meint Schwester Christiane. Doch sie hoffe, dass "unsere Papiere, die wir nach Rom schicken, überzeugen". Sie hat als Postulatorin die Aufgabe, den Lebensweg, die Schriften von Schwester Aloysia und die mündlichen Aussagen der Zeugen zusammenzutragen.
Offiziell eröffnet wurde das Seligsprechungsverfahren von Weihbischof Manfred Grothe, Administrator des Bistums Limburg. Ein Gremium aus Theologen und Historikern - unter ihnen der Bamberger Domkapitular Norbert Jung - macht sich nun ein Bild über das Leben und Martyrium der katholischen Ordensfrau mit jüdischen Wurzeln. Bis Ende dieses Jahres wollen die Gutachter die Stellungnahme, die "Positio", erarbeiten. Die römische Kongregation für Selig- und Heiligsprechungen prüft dann diese Positio. Die Seligsprechung selbst erfolgt bei positivem Urteil durch den Papst.
"Eine selige Schwester Aloysia Löwenfels wäre eine zeitgemäße Ergänzung des lokalen Heiligenhimmels", bekundet Domkapitular Jung für das Erzbistum Bamberg. Zumal der Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime von Seiten der Bamberger Kirche sich in Grenzen gehalten habe, "insbesondere was den Einsatz für die verfolgten Juden betrifft". So hält es Kirchenhistoriker und Priester Norbert Jung für "im jesuanischen Sinne angemessen, wenn nicht ein Vertreter der Hierarchie, die damals ihre Kompromisse schloss oder schließen musste, sondern eines der vielen kleinen Opfer zur Ehre der Altäre erhoben würde". Schwester Aloysia sei ein Vorbild, weil sie ihren Weg konsequent verfolgt habe, ohne sich durch Widerstände in der eigenen Familie oder der damaligen Gesellschaft beirren zu lassen: "Sie wusste sich dabei durch den Glauben an Jesus Christus gestärkt." Das Wissen darum könne heute auch in weniger dramatischen Lebensumständen hilfreich sein, sagt Jung.