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Selbstverteidigung im Stadtbus


Autor: Sebastian Schanz

Bamberg, Sonntag, 17. Juni 2018

Nach brutalen Attacken auf ihr Personal rüsten die Bamberger Stadtwerke auf: mit Kameras, Alarmknöpfen und einem Deeskalationstraining für die Fahrer.
Trainer Jens Salomon zeigt Handgriffe der Selbstverteidigung. Foto: Schanz


Bespuckt, beleidigt, attackiert: Die Bamberger Busfahrer berichten von einer zunehmenden Respektlosigkeit. Nach fünf körperlichen Attacken und Verletzungen im vergangenen Jahr reagieren die Stadtwerke mit Videoüberwachung, Alarmknöpfen und Trennscheiben. Jeder Fahrer nimmt außerdem an einem Deeskalationskurs teil.
Wer hat schon einmal eine bedrohliche Situation im Bus erlebt? Auf die Frage des Trainers Jens Salomon heben fast alle der acht Busfahrer die Hand. "Die Respektlosigkeit ist erschreckend und nimmt immer mehr zu", berichtet Fahrdienstleiter Jens Eske von den Stadtwerken. "Es gibt Tage, da kannst du es keinem recht machen", erzählt Erwin Krops. Seit 27 Jahren sitzt er am großen Lenker, da könnte man meinen, er sehe es den Menschen an, ob sie Probleme machen. Doch Krops und seine Kollegen schütteln den Kopf. "Von der Klientel her geht das quer durch die ganze Gesellschaft", berichtet Karl-Heinz Krausert, seit 28 Jahren im Fahrdienstgeschäft. "Vom Krawattenträger bis zum Normalo wie du und ich", ergänzt Ludwig Kestel, 39 Jahre am Steuer. Und Enrico Klix betont: "Bei Fahrgästen, die nicht aus Deutschland stammen, gibt es weniger Probleme. Da hört man sogar mal ein Danke."
Was sind die Ursachen für die Verrohung an der Bushaltestelle? Da zucken die Fahrer mit den Schultern. Sie erleben nur, dass es diese zunehmende Respektlosigkeit, diese Grundaggression gibt. "Wir hatten 2017 insgesamt fünf Übergriffe auf Fahrdienstpersonal, drei davon richtig heftig, bis hin zu Verletzungen", berichtet Koordinator Eske. Drogen und Alkohol seien im Spiel gewesen. Einem Fahrer wurden die Zähne ausgeschlagen. Auch er nahm am Deeskalationstraining teil. Er fährt wieder.
"Sei freundlich zu unfreundlichen Menschen, denn sie können es am meisten gebrauchen", steht auf einem Poster, das Trainer Salomon mitgebracht hat. "Sich aus der Situation lösen", rät er den Teilnehmern. "Macht dem Gegenüber klar, dass ihr nicht gewillt seid, euch darauf einzulassen." Körperspannung halten, ruhig aber bestimmt bleiben, ehrlich erklären, warum etwas nicht so funktioniert, wie sich der Gast das vorstellt. "Der Ton macht die Musik", sagt Salomon. Sein Rat: Immer freundlich bleiben. "Es gibt keine freundlichen Bamberger Busfahrer", scherzen die Teilnehmer und lachen.
Weil es nicht immer bei verbalen Auseinandersetzungen bleibt, lehrt der Coach auch ein paar einfache Tricks und Kniffe für die Selbstverteidigung. Erwin Krops lässt schauspielerisches Talent aufblitzen, als er einen aggressiven Betrunkenen mimt und Trainer Salomon angreift, bis der sich gekonnt aus dem Würgegriff löst.
"Alle unsere 160 Fahrer erhalten nach und nach dieses Deeskalationstraining", erklärt Astrid Rosenberger von den Stadtwerken, die bayernweit als Vorreiter ein solches Sicherheitskonzept einführen. Neben der Schulung des Fahrdienstpersonals umfasst es auch Videoüberwachung in den Bussen und eine Trennscheibe zwischen Fahrer und Kunde. Versteckte Alarmknöpfe am Fahrersitz sind direkt mit einer Leitstelle verbunden. "Außerdem wollen wir die Zusammenarbeit mit der Polizei verbessern und miteinander Abläufe abstimmen", sagt Eske. Nach und nach soll die Busflotte mit der neuen Ausrüstung ausgestattet werden.
"Es beruhigt ein bisschen", sagt Fahrer Karl-Heinz Krausert zu den neuen Hilfsmitteln. Besonders von der Videoüberwachung verspricht er sich einen abschreckenden Effekt. "Außerdem ist es gut, wenn man hier mal zusammenkommt, denn da draußen sind wir Einzelkämpfer", sagt Peter Keidel.
Bei einer weiteren Trainingseinheit muss nun Fahrer Athanasios Karanikas den Angreifer spielen. Zack, hängt er im Schwitzkasten. Nach der Übungseinheit wollen die Fahrer dann aber noch eine Lanze für den größten Teil ihrer Kundschaft brechen. Da erzählen die Männer von Frauen aus Gartenstadt, die zu Weihnachten mit der Fahrkarte Pakete mit Plätzchen reichen. Von kostenlosen Bratwürsten nach Feierabend in Drosendorf. Oder von brabbelnden Kindern, die den ganzen Bus zum Lachen bringen. "Wir kommen, wenn es regnet und wenn es schneit. Wir sind auch nur Menschen und machen unseren Job", sagt Krops.

Sebastian Schanz