Seit 20 Jahren hilft die Bamberger Tafel
Autor: Jutta Behr-Groh
Bamberg, Sonntag, 18. November 2012
Die Bamberger Tafel entstand vor 20 Jahren aus einer Privatinitiative. Heute ernährt sie wöchentlich einige hundert Menschen, die mit jedem Cent rechnen müssen. Mittwochs und Samstag stehen sie in der Böttgerstraße 8 Schlange.
Janine Müller (Name geändert) ist die erste Kundin, die mit prall gefüllten Einkaufstaschen die Bamberger Tafel verlässt. Mittwochs und samstags ist die Lebensmittelausgabe in der Böttgerstraße 8 geöffnet. Wegen ihres Ex-Lebensgefährten möchte die 29-Jährige nicht ihren richtigen Namen sagen, will aber gern darüber sprechen, wie wertvoll für sie die Tafel ist: "Ich bin froh, dass es so etwas gibt!" Neben der schlanken und gepflegten Frau steht eines ihrer vier Kinder. Der Junge "bewacht" einen Eimer Popcorn, den er für sich und die Geschwister bekommen hat.
Es gibt fast nichts, was es bei der Bamberger Tafel inzwischen nicht auch gibt. Sogar Kaviar und Trüffel. Janine Müller hat frühere Vorurteile abgelegt: "Ich habe gedacht, das seien minderwertige Sachen.
Seit sich der Bamberger Vinzenzverein mit seiner Lebensmittelausgabe dem Bundesverband der Tafeln angeschlossen hat, ist für die Initiatoren die Zeit des "fechtens" vorbei. Im Gegenteil: Die Einrichtung bekommt heute von rund 70 großen und kleinen Geschäften, Supermärkten und Herstellern so viel Ware, dass sie die Außenstelle Burgebrach mitversorgen kann.
Kein Vergleich mit den Anfängen vor 20 Jahren, wenn man Michaela Revelant zuhört, der ehrenamtlichen Tafel-Leiterin: "Wir sind belächelt worden." Mit wir meint sie sich und Ehemann Wilhelm Dorsch, seit Jahrzehnten der Vorsitzende des Vinzenzvereins, der sich der christlichen Nächstenliebe verschrieben hat. Beide riefen 1992 eine private Lebensmittelausgabe ins Leben.
Angefangen hat es eigentlich mit Futter für die Kaninchen und Hühner der Familie, erzählt die 63-Jährige. Sie habe damals bei einem Discounter, der neu in der Nachbarschaft eröffnet hatte, um ein paar Salatblätter für die Tiere gebeten. Bald bekam sie Salat und Wirsing kopfweise. Um die Ware nicht wegwerfen zu müssen, fragte das Ehepaar beim damaligen Pfarrer von St. Otto nach bedürftigen Familien in der Gemeinde.
"Fechten" gegangen
Zunächst waren es vier Familien, die man mitversorgte. Als aus deren Reihen der Wunsch nach Brot laut wurde, sei sie "zum ersten Mal fechten gegangen", so die Bambergerin. Es muss schwer gewesen sein, Spender zu gewinnen. Aber es gelang und die Hilfsaktion in der Dieselstraße sprach sich herum. Sie wuchs und sprengte bald die Möglichkeiten der Familie auf dem eigenen Firmengelände. Trotz ehrenamtlicher Helfer war man personell wie räumlich dem Ansturm bald nicht mehr gewachsen, weil zu den Lebensmitteln auch Kleider- und Möbelspenden dazu kamen.
Mit dem Anschluss an den Bundesverband der Tafeln im Jahr 2005 wuchsen der Bekanntheitsgrad und der Zuspruch beim Vinzenzverein weiter. Nicht nur seitens Bedürftiger, sondern nun auch durch Geldgeber und Sponsoren. "Es war der richtige Schritt", konstatiert Dorsch im Rückblick.
Heute ist die Tafel so üppig bestückt, dass niemand hungern müsste, der nachweislich von wenig Geld leben muss. Für symbolische 2 Euro können Bezieher kleiner Renten, Arbeitslose oder Alleinerziehende wie Janine Müller zwei Mal wöchentlich so viele Lebensmittel holen, wie nötig. Der vierfachen Mutter verschafft das Hilfsangebot zu mehr "Luft" im Alltag. So bleibe doch ein bisschen mehr Geld für die Kinder übrig.
"Es wäre knapp", sagt auch Reinhold Borger. Der Rentner (70) deckt sich im Gegensatz zu der 29-Jährigen nur zwei Mal im Monat ein. Doch auch für ihn ist die Tafel, wie er sagt, "eine wichtige Unterstützung", um über die Runden zu kommen.
Von Verwandten hat er den Tipp bekommen. Janine Müller ging das erste Mal mit einer Freundin hin. Es habe sie Überwindung gekostet. Heute weiß und sagt sie: "Man braucht sich nicht zu schämen." Die familiäre Atmosphäre, der herzliche Empfang und die einwandfreie Ware, die es gibt, würden es leicht machen, das Angebot in Anspruch zu nehmen.
Wie viele das im Lauf der 20 Jahre getan haben, ist nicht dokumentiert. "Wir haben sicher ein paar Zigtausend geholfen", schätzt Michaela Revelant. Obwohl man heuer ein kleines Jubiläum feiern könnte, tut man es nicht. Das koste nur Geld, das anders besser angelegt ist, findet das Ehepaar.
Dank eines großen Helferkreises von 60 bis 70 Ehrenamtlichen und eines Nummernsystems ist die Tafel dem Ansturm am Mittwoch und Samstag gewachsen. Die Menschen stehen Schlange, um ab 13.45 Uhr erst eine Nummer und ab 14 Uhr Lebensmittel zu holen.
Klaus Schönborn ist heute der 26ste. Er steht kurz nach 14 Uhr rauchend etwas abseits, weil er noch warten muss. Seit etwa zwei Jahren komme er zur Tafel, gibt der Mann, der eine blaue Bommelmütze trägt, bereitwillig Auskunft. Er und seine Frau müssten von Hartz IV und einer kleinen Rente leben. Gäbe es die Tafel nicht, "dann hätt' mer net viel zu essen".
Wilhelm Dorsch versüßt den Wartenden die Zeit. Er bietet ihnen Körbchen voll Süßigkeiten an. Der 67-Jährige sucht das Gespräch mit den Menschen, versucht heraus zu hören, wer Hilfe braucht oder über seine Sorgen reden will. Auch das ist etwas, was Janine Müller an der Tafel so schätzt: "Der Herr Dorsch geht wirklich auf jeden ein!"
Ihm sei es einfach wichtig, schnell und unbürokratisch zu helfen. Wenn nötig, auch mit Bargeld. Dorsch lobt seine Helfer und die breite Unterstützung in der Bamberger Bevölkerung, ohne die der Vinzenzverein und die Tafel keine offenen Stromrechnungen begleichen oder dringende Anschaffungen für mittellose Menschen finanzieren könnte. Der "Baum der Hoffnung", der im Advent auch in diesem Jahr wieder am Gabelmann stehen soll, ist zu einer ganz wichtigen Geldquelle der Vereins-Arbeit geworden. 2011 brache er 15 000 Euro ein.
In Euro und Cent lässt sich die Hilfe nicht beziffern, die die Tafel und ihre private Vorgängerin seit zwei Jahrzehnten leistet. Nur ein Anhaltspunkt ist der Wert der Waren, die wöchentlich verteilt werden. Revelant taxiert ihn auf etwa 1000 Euro.
Dank vieler Gönner in Bamberg, darunter Serviceclubs und namhafte Firmen, hat die Bamberger Tafel keine Geldsorgen. Sie kann ihre monatlichen Fixkosten für Mieten und Fahrzeuge von 2500 Euro finanzieren und ist darüberhinaus gut ausgestattet. Auf ihre Kühl- und Gefrierhäuser und den Hygieneraum, in dem große Gebinde portioniert werden, sind Michaela Revelant und Wilhelm Dorsch schon ein bisschen stolz.
Seit etwa drei Jahren betreibt der Vinzenzverein in einer benachbarten Halle auch noch den "Vinzenzladen". Außer Lebensmittel gibt es dort Gebrauchtwaren und Gespendetes aller Art: "Vom Männer-Tanga bis zum Elektrogerät", umreißt Revelant lachend das Sortiment. Im Gegensatz zur Tafel steht der Laden allen Kunden offen, unabhängig vom Einkommen.