Druckartikel: Seemannsgarn reinsten Wassers

Seemannsgarn reinsten Wassers


Autor: Sebastian Schanz

Bamberg, Dienstag, 07. August 2018

Der Bamberger Hafenmeister Harald Holzschuh geht in Rente und hinterlässt viele Anekdoten zur Geschichte und der Entwicklung des Anlegeplatzes - von betrogenen Kapitänen und verirrten Passagieren in Unterhose.
Ein Arbeitsplatz mit einem ganz eigenen Charme: Der Bamberger Hafen hat sich mit den Jahren stets gewandelt.  Foto: Matthias Hoch


Dieser Mann hat viel Wasser die Regnitz hinabfließen sehen: Unter der Kontrolle von Hafenmeister Harald Holzschuh sind in Bamberg unzählige Tonnen Fracht umgeschlagen worden. Nun geht er nach 34 Jahren in Rente und hinterlässt einen Schatz an alten Matrosengeschichten - Seemannsgarn reinsten Wassers.
"Wir haben einmal einem Kapitän geholfen. Er musste seine Frau schnell ins Krankenhaus fahren. Zur Entbindung. Als das Kind auf der Welt war, hatte es aber eine andere Hautfarbe. Die eines seiner Matrosen."
Es sind Anekdoten wie diese, die eine Rundfahrt mit Harald Holzschuh so spannend machen. Am Steuer seines neuen Einsatzfahrzeuges muss er zwar ziemlich lange herumprobieren, bis er es schafft, den Scheibenwischer wieder auszuschalten, aber er freut sich über jeden Mitarbeiter der Schiffsbesatzungen, der ihm brav Platz macht. Denn sein neues Dienstfahrzeug hat Signalleuchten. Gelblicht. "Wenn das die Schiffsbesatzungen sehen, da stehen sie stramm", sagt er und lacht.
Diese Matrosen kommen aus aller Herren Länder. Früher waren die Holländer sehr stark vertreten. Heute sind es häufig Leute vom Unterlauf der Donau: Rumänen und Bulgaren. Auch haben die Schiffe heute andere Fracht geladen. Als Holzschuh in den 80ern anfing, wurden Granitstein und Kaolin, Speckstein, Stahl und Schrott transportiert. Heute vor allem landwirtschaftliche Erzeugnisse, wie Futtermittel oder Gerste aus Frankreich. "Das ist ein Kreislauf. Im Frühjahr kommt der Dünger hier durch, im Sommer kommt das Getreide zurück."
In Holzschuhs Amtszeit fiel auch eine der größten Veränderungen des Bamberger Hafens: 2006 legte an Kai 5 das erste Flusskreuzfahrtschiff an. 2007 wurde für die Touristen eigens eine Anlegestelle geschaffen. Heute steuern 800 Kreuzfahrtschiffe mit einer Kapazität von über 130 000 Passagieren jedes Jahr Bamberg an.
Das erweiterte das Panoptikum der Menschen im Hafen - und brachte neue Anekdoten: Der Hafenmeister muss selber lachen, als er von einem verirrten Holländer erzählt, der nur mit Unterhose und Bademantel bekleidet von seinem Schiff zurückgelassen worden war. Ob absichtlich oder aus Versehen konnte nicht geklärt werden. "Wir haben ihn in ein Taxi nach Schweinfurt gesetzt, damit er wieder an Bord gehen kann."
Holzschuh hat Taufen auf Schiffen und Schiffstaufen gefeiert, Schlägereien geschlichtet, Umweltsünder geschnappt und fahrerflüchtige Frachtkapitäne überführt. "Es war ein diesiger 1. Mai. Da ist ein Schiff mit voller Fahrt gegen die Kaimauer gekracht."
Eine Geschichte ist ihm besonders in Erinnerung geblieben: "Das war 1998 oder 1999, vor zwanzig Jahren, als im Winter ein Kind mit vier Jahren von einem jugoslawischen Tankschubleichter ins eiskalte Wasser gefallen ist." Der Vater habe nicht schwimmen können. Ein Schiffsführer mit Namen Mannack sei ins Wasser gesprungen und habe den leblosen Buben nach draußen gezogen, Matrosen halfen mit Seilen. "Das Kind war schon fast tot, aber es hat überlebt."
Holzschuh deutet über Hafenbecken 3: "Das war genau hier." Jeden Meter seines Reviers kennt der 63-jährige Bamberger genau. Ob er den Hafengeruch vermissen wird? "Ich habe vier Enkel, einen großen Garten und ein E-Bike", antwortet er grinsend.
Doch wenn er in den Urlaub fährt, dann zieht es ihn ans Wasser. An die großen Häfen dieser Welt. Um mit sachkundigem Blick den Kollegen bei der Arbeit zuzusehen.

Sebastian Schanz