Schrille Nacht in Bamberg - mit Frei.Wild?
Autor: Günter Flegel
Bamberg, Donnerstag, 28. November 2013
Schon vor dem ersten Stück sorgt ein Konzert in Bamberg für Misstöne: Die Band "Freiwild" soll beim Rock-X-Mas-Festival spielen. Die Süditroler gelten den einen als Rechtsradikale, den anderen als Patrioten. Was stimmt?
Ach so: Musik machen sie auch. Das könnte man übersehen, wenn man die Aufregung verfolgt, die rund um die Konzerte der Band Freiwild aus Südtirol herrscht. Meist schon lange vor dem ersten gegrölten Ton. In den zweifelhaften Genuss der Jagdszenen um Freiwild kommt jetzt auch Bamberg, wo das Quartett aus Brixen just zur Weihnachtszeit mit dem neuen Album "Still" aufschlagen will. Stille Nacht?
Das "Rock-Xmas-Festival" am 21. Dezember in der Brose-Arena hat eine politische Dimension bekommen: Die Grün-Alternative Liste (GAL) im Bamberger Stadtrat und die Grünen im Landtag fordern die Stadt auf, das Konzert zu verbieten, der Oberbürgermeister Andreas Starke (SPD) verweist zähneknirschend auf die fehlende rechtliche Handhabe, gefälschte Briefe machen die Runde ... Mehr und bessere Publicity kann sich Freiwild eigentlich gar nicht wünschen.
"Musik, keine Politik"
Das wollen die vier "Wilden" aus Südtirol aber gar nicht, wie der Bandgründer Philipp Burger gebetsmühlenartig wiederholt. "Wir machen Musik, keine Politik", sagt Burger, den ähnlich wie den Bamberger Straßenmusiker Moritz Rabe alias Martin Rocktäschel immer wieder die eigene Vergangenheit einholt: Burger war früher Skinhead, spielte in der Rechtsrock-Band Kaiserjäger und machte ein paar Jahre für die "Freiheitlichen" in Südtirol Politik. Die Partei tritt für eine Anbindung Südtirols "an den "deutschen Heimat- und Kulturraum" ein.
Mit all dem, so Burger, habe er abgeschlossen. Dass er zu seiner Heimat stehe, sei "ja wohl nicht verwerflich". Und wer in den Texten von Freiwild rechtes Gedankengut suche, der könne gleich "jeden Interpreten der Volksmusik zum Neonazi stempeln", sagt Burger. "Wir sind keine Neonazis", tönt es auch laut aus "Still", der aktuellen Platte der Band in dem weniger volkstümlich angehauchten "Im Land der Vollidioten".
Marketingphänomen
Aber Freiwild macht ja nicht auf Wildecker Herzbuam. Der Stil gehört in die Ecke der "Neuen deutschen Härte" a la Böhse Onkelz. Ist dieser Teil der Jugendkultur ein Risiko? "Die Musik ist harmlos und Freiwild alles mögliche, aber sicher nicht gefährlich", sagt der Musikwissenschaftler Thorsten Hindrichs aus Mainz. Für ihn ist Freiwild vor allem ein Marketingphänomen, nicht zuletzt auch genährt "durch die gesellschaftliche Abwehrreaktion", die beinahe reflexartig mit jeder Konzertankündigung einsetzt.
Die Provokationen in den Texten der Band träfen auf das Bedürfnis vieler Jugendlicher nach Rebellion. "Es gibt ein Publikum, das einfache Antworten auf einfache Fragen sucht", sagt der Wissenschaftler. Das mache aus Freiwild keine Nazi-Band, aber die Gruppe "ist offen nach rechts". An ihrem Beispiel sehe man eines, und das mache die Auseinandersetzung mit ihrer Musik nützlich: "wie weit rechtes Gedankengut in die Mitte unserer Gesellschaft vorgedrungen ist ". Hindrichs spricht von einer "Sarrazinisierung" in Anspielung auf den Erfolg des rechtspopulistischen Buches "Deutschland schafft sich ab" von Thilo Sarrazin (SPD).
"Nicht willkommen"
Zurück nach Bamberg und zu Freiwild: "Freiwild ist in Bamberg ... nicht willkommen", heißt es im Antwortschreiben der Stadt an GAL und Grüne, aber "der Auftritt der umstrittenen Band sei mit rechtlichen Mitteln nicht zu verhindern." Tatsächlich findet sich Freiwild und ihre Musik auf keinem Index; bei der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien in Bonn liegt, wie auf Nachfrage zu erfahren ist, lediglich ein einziger Text aus dem Repertoire der Band, "Rache muss sein". Thüringens Sozialministerin Heike Taubert (SPD) kritisiert die Gewaltverherrlichung in den Zeilen, die Philipp Burger nach eigenen Worten lieber nie geschrieben hätte. "Das war Blödheit", sagt er, ebenso wie die Anspielung auf den Judenstern in einem anderen Song.
Hindrichs dagegen hinterfragt so viel "Blödheit". Würde diese Band sich tatsächlich aufrecht an einer Debatte über die Inhalte ihrer Texte und deren Wirkung beteiligen, "dann würde sie sich ja womöglich selbst ihres PR-Potenzials berauben."
Simpler Rumpelrock
In der Tat scheint die Band einen nicht geringen Teil ihrer Anziehungskraft aus der Kontroverse zu beziehen, die sie entfacht. Und aus der Missverständlichkeit ihrer polternden Texte. Die Musik jedenfalls kann es nach Ansicht des Musikexperten aus Mainz nicht sein: "Das ist simpler Rumpelrock."
Ein Musiker aus einer Independent-Formation aus Erlangen, der selbst schon einmal mit Freiwild aufgetreten ist, findet die Polarisierung "bescheuert. Wenn man über Bands spricht, sollte man in erster Linie über die Musik reden." Und da bleibe von Freiwild nicht viel mehr hängen als Krawall, sagt der Sänger, der anonym bleiben will. "Ich bin ja kein Kollegenschwein". Musik könne man missbrauchen. "Die Frage muss doch sein, ist die Musik gut, nicht, ob da ein paar Glatzköppe im Publikum stehen."
Sein Fazit: An schlechter Musik geht kein Land zugrunde.
