Schrauber aus Leidenschaft
Autor: Markus Häggberg
Zapfendorf, Donnerstag, 05. März 2015
"Zeig mir dein Bike und ich sage dir, wer du bist" - ein markiger Satz. Aber Rico Schaarschmidt aus Zapfendorf scheint auch ein markiger Typ zu sein. Der 36-Jährige schraubt Motorräder auf Bestellung zusammen und geht dabei Risiken ein.
Peter Fonda, Dennis Hopper, Harley Davidson und Amerikas Weite - immer und immer wieder sah sich der damals zwölfjährige Rico Schaarschmidt "Easy Rider" an, so lange, "bis die VHS das Flimmern anfing". Und dann die Viet namesen, die, als er sechs, sieben Jahre alt war und noch "im Osten wohnte", auf verabredete Zeichen glänzende Motorradmagazine aus Koffern zogen. Rico Schaarschmidt hält im Erzählen inne und sein Blick scheint zum Horizont einer goldenen Jugend zu gehen. Aber seine Jugend hat sich der Mann bewahrt, seine ganze Umgebung zeugt davon.
Die gute Stube, in die er einen führt, ist voll mit Jugendträumen. Erfüllten und unerfüllten. Ein Flipperautomat blinkt, ein Geldspielautomat auch, eine Zapfsäule steht im Raum, ein roter Kontrabass, zwei Jukeboxes.
Nicht ohne Risiko
Risiken - die gibt es. Da will einer womöglich einen Motorradrahmen von 1954 und einen Motor von 1978. Gänzlich anachronistisch würde das Motorrad dann durch einen Elektrostarter aus dem Hier und Jetzt. Ein solches Gefährt gibt es nirgendwo auf der Welt, aber überall auf der Welt könnte es Menschen mit solchen Motorradwünschen geben. Was sie am Ende kosten? Hängt davon ab, zu welchem Preis man Ersatzteile bekommt! Wann sie lieferbar sind? Hängt davon ab, wann die Ersatzteile kommen! Tüv-Termin? Hängt davon ab, wann alles beisammen ist! Wohl nicht viele Geschäftsmodelle geben dem Kunden so viele ungefähre Antworten, wie das Custom-Bike. Aber ein nicht repräsentativer Erfahrungswert liegt zwischen drei Monaten und einem halben Jahr. Zweieinhalb Jahre aber hat er für "einen Bock" auch schon gebraucht. Ihn absichernde und zur Abnahme verpflichtende Vorverträge möchte der Mann mit der 50er- Jahre-Schmalztolle dennoch nicht machen. Eigenes Risiko, Rock 'n' Roll.
Diese Szene, so der Mann, sei im Wachstum begriffen. "Man sieht ja jedes Jahr die wachsende Teilnehmerzahl auf Biker-Treffen." Ein halbes Dutzend "Schrauber" wie er einer ist, vermutet Schaarschmidt in Oberfranken. Schrauber - das hat für ihn nichts Abwertendes, sondern strahlt Ehrlichkeit aus. Erlernt hat der 36-Jährige nämlich den Maurerberuf und ist zudem seit 2010 selbständig im Garten- und Landschaftsbau tätig. Aber ein Schrauber ist für Schaarschmidt jemand, "der etwas aus Leidenschaft tut" und nicht, weil er einen einst eingeschlagenen Weg aus Gewohnheit stur weitergeht. Kompetenz, so sagt er, habe damit zu tun, "wenn man dem Kunden das Gefühl geben kann, dass er mitschraubt".
Konkurrenz wächst
Doch diese Szene, so Schaarschmidt, habe auch ihre Schattenseiten entwickelt. "Früher hat man sich ausgeholfen, jetzt nicht mehr", schildert er gewachsenes Konkurrenzverhalten in Bezug auf Material- oder Werkzeugverleih unter Schraubern. Aber es stört ihn noch etwas anderes: An einem Nebentisch sitzend habe er vor Zeiten Hipstern gelauscht, modischen Motorradgecken also, die auf eine Welle aufsprangen, um sich Bikes gestalten zu lassen, um hinterher damit anzugeben. Sonntagsfahrer, Sonntagsrocker.
Eine Absauganlage, eine Ständerbohrmaschine, ein Kompressor, ein Lackierautomat, eine Metallfräse, eine Drehbank, Gewindeschneidesätze, eine Kurbelwellenzentrierbank. Ja, auch Pin-up-Girls an der Wand. Die kleine Garage beherbergt drei Motorräder und jede Menge Arbeit und Schrauber-Flair. Hier baut der Sohn eines Eisenwarenhändlers auch Teile nach und das kann in einzelnen Fällen Nerven kosten. "Ich habe Nächte lang nicht geschlafen, aber gesagt, ich kriege das auch hin." Ein Optimismus, so amerikanisch wie seine gute Stube. Was er hier verbaut, stammt nicht selten von der Veterama, einem riesigen Teile-Markt in Mannheim. "Stell dir zwölf Fußballfelder vor ...", deutet Schaarschmidt die enormen Ausmaße dieser alljährlichen Messe an, bei der Besuchern "die Fragezeichen im Gesicht stehen".
Vor wenigen Wochen hatte Rico Schaarschmidt einen Stand bei einer Motorradmesse in Lichtenfels. Dort stand sein feuerroter Erstling, eine Auftragsarbeit eines Bassisten der Band "Danny and the Wonderbras". Die Geschäftsanbahnung zwecks Moped-Design könnte seitens Schaarschmidt ungefähr so verlaufen sein: "Setz dich her, trink ein Bier und erzähl mir von dir."