Schlaflosigkeit bei Vollmond? Damit hat der Mond nichts zu tun
Autor: Irmtraud Fenn-Nebel
Bamberg, Samstag, 26. Sept. 2015
"Der Mond wird überschätzt": Da gibt es für Jürgen Zulley keinen Zweifel. Seit über 40 Jahren beschäftigt sich der Professor für Biologische Psychologie mit Schlafforschung - und lässt Zusammenhänge zwischen Vollmond und Nachtruhe nicht gelten.
Zulley nennt zwei Gründe: Die Anziehungskraft des Mondes beeinflusse zwar Ebbe und Flut, habe aber nichts mit der Mondphase zu tun. Die Helligkeit wiederum sei viel zu niedrig, als dass sie beim Menschen eine biologische Wirkung zeigen könnte.
"Ein passiver Zeitgenosse"
Zulley ist seit über 40 Jahren in der Schlafforschung tätig, war vor seinem Ruhestand Leiter des Schlafmedizinischen Zentrums und Leitender Psychologe an der Uniklinik Regensburg, er gründete die erste Schlafschule Deutschlands, verfasste Bücher und Studien zum Thema und wurde mehrfach für seine Arbeit ausgezeichnet. Seine Schlaf-Untersuchungen in chronobiologischen Isolationsexperimenten untermauerten die Zusammenhänge zwischen dem Schlaf und biologischen Rhythmen.
Zulley hat eine klare Meinung zum Mond: "Er ist ein ausgesprochen passiver Zeitgenosse."
Was man erwartet, trifft ein
Deshalb gebe es weder mehr oder weniger Komplikationen bei Operationen, nicht mehr Unfälle oder medizinische Notfälle, nicht mehr Geburten während des Vollmonds - und zu einer bestimmten Mondphase geschlagenes Holz faule genauso wie anderes. Warum trotzdem manche Menschen glauben, sich bei Vollmond durch die Nacht quälen zu müssen - Zulley nennt es die selbst erfüllende Prophezeiung. "Viele erwarten, dass sie schlecht schlafen und dann schlafen sie auch schlecht." Eine Rolle spiele außerdem die selektive Wahrnehmung: Nach einer durchwachten Nacht werde nach einer Erklärung gesucht, "und die bekommt man, wenn gerade Vollmond war. Das merkt man sich, auch weil es die bisherigen Annahmen bestärkt. Die schlechten Nächte, die man nicht bei Vollmond erlebt, vergisst man geradezu", erklärt der Schlafforscher. Das sei ein allgemein psychologisches Phänomen, das auch in vielen anderen Lebensbereichen wirksam ist und zur Entstehung von Aberglauben beiträgt.