Ein 22-jähriger Mann aus Zeil wurde in die Psychiatrie eingewiesen, weil er gegen seine Mutter, eine Bekannte und Polizeibeamte gewalttätig wurde. Er leidet unter paranoider Schizophrenie und konsumierte Rauschgifte und Alkohol.
In gleich zwei Verfahren musste die 2. Strafkammer des Landgerichts Bamberg in dieser Woche über Straftaten urteilen, die Menschen im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen haben. Beschuldigt waren zwei an Schizophrenie erkrankte Männer, die während eines Krankheitsschubs regelrecht ausgerastet sind. Für einen 41-jährigen Bamberger, der sich am 18. Juli 2011 in seiner Wohnung verschanzt und Polizeibeamte mit einer Armbrust bedroht hatte, war in der Hauptverhandlung am Dienstag die Einweisung in eine psychiatrische Klinik wegen guter Prognosen zur Bewährung ausgesetzt worden.
Einem 22 Jahre alten Mann aus Zeil hingegen, der am Donnerstag vor Gericht stand - im roten Kapuzenpulli mit dem Aufdruck "Turbulence" -, bleibt die Unterbringung im so genannten Maßregelvollzug mindestens vorläufig nicht erspart. Thomas R. (Name von der Redaktion geändert) kann nämlich regelrecht "austicken" und dabei andere in große Gefahr bringen. Im Rückblick auf die Vergangenheit spricht seine Mutter von ihm als das "liebste Kind, das man sich vorstellen kann". Den Zeitpunkt seiner psychischen Veränderung erkennt sie erst in jener Zeit, in der sie selbst eine Berufsausbildung nachholte und sich nicht mehr so intensiv um den jungen Erwachsenen kümmern konnte.
Vieles schief gelaufen
R. hingegen schildert seinen Lebenslauf so, als ob schon in seiner Kindheit vieles schief gelaufen sei: Er ist ohne Vater aufgewachsen, kam häufig zu spät in die Schule, wurde sogar der Schule verwiesen. Seinen Hauptschulabschluss schaffte er erst im zweiten Anlauf. Versuche, eine Berufsausbildung zu beginnen, scheiterten schon im Praktikum. "Seit 2007 habe ich nichts mehr gemacht, habe die Zeit mehr mit Drogen verbracht", sagte er vor Gericht. Mit 14 Jahren begann er, Haschisch zu rauchen, mit 17 nahm er Amphetamin, mit 19 Jahren drei Monate lang Heroin, "das ich mir mit Alkohol wieder abgewöhnt habe".
Zuletzt verkonsumierte er pro Woche Haschisch im Wert von 120 Euro und Crystal für die gleiche Summe. Das Geld dafür kam wohl zum größten Teil von seiner Mutter, die mehr und mehr unter dem Sohn zu leiden hatte. Der junge Mann brachte die Mutter zur Arbeit, holte sie wieder ab und war extrem eifersüchtig. "Er hat sie komplett kontrolliert", sagte im Zeugenstand eine Arbeitskollegin, der sich die Mutter anvertraut hatte.
Am 14. November 2011 - Thomas R. hatte zu diesem Zeitpunkt wegen der Einnahme von Speed zwei Tage lang nicht mehr geschlafen - ging er auf die Arbeitskollegin los. Sie war am Nachmittag in die Wohnung gekommen, um mit ihm und seiner Mutter über die Situation zu sprechen. "Lass' Dir halt helfen", soll sie zu ihm gesagt haben.
In seinem akuten psychotischen Zustand wollte sich R. aber nicht helfen lassen. Als die Bekannte nach einer lautstarken Auseinandersetzung zum Handy griff, um einen Arzt zu rufen, warf er sich auf sie, drückte sie zu Boden und hielt sie am Hals fest, um ihr das Telefon zu entreißen. Während die körperlichen Blessuren schnell verheilten, hatte die Frau noch lange Zeit Angst vor dem Mann wegen seiner unkalkulierbaren Gewaltsausbrüche.
Rettungszentrale wird hellhörig
Zwei Monate später, am 15. Januar 2012, kommt es dann sogar zu einem Polizeieinsatz in der Wohnung von Familie R. Als die Mutter während eines Streits einen Asthma-Anfall erleidet und den Notarzt rufen will, unterbricht der Sohn das Telefongespräch mit der Rettungszentrale. Dort erkennt man die Gefahr und schickt nicht nur Sanitäter, sondern auch die Polizei. Schon vor der Wohnungstür werden die Beamten mit einer "enormen Grundlautstärke und hysterischem Geschrei" auf einen massiven Streit aufmerksam.
Die Polizisten bekommen es mit einem äußerst renitenten Thomas R. zu tun, der sich heftig wehrt und offenbar versucht, ein Küchenmesser zu fassen. Nur mit großer Mühe kann er gefesselt werden. Er habe die ganze Zeit nur wirr geredet und sei für keine Fragen zugänglich gewesen, sagten die als Zeugen vor Gericht vernommenen Beamten.
Staatsanwältin Nora Reim vertrat in ihrem Plädoyer die Auffassung, dass die beiden bekannt gewordenen Fälle nur ein Bruchteil dessen sei, was sich sonst zwischen Mutter und Sohn hinter geschlossenen Türen abgespielt habe. Die Wahrscheinlichkeit sei hoch, dass R. in einem psychotischen Zustand wieder außer Kontrolle gerate und gewalttätig werde. R. sei für die Allgemeinheit gefährlich, resümierte die Staatsanwältin. Deshalb sehe sie für eine Aussetzung der Maßregel zur Bewährung keinen Raum.
Rechtsanwältin Kerstin Rieger, Haßfurt, widersprach: Die Körperverletzungen, derer sich ihr Mandant schuldig gemacht habe, hätten nur minimale Verletzungen zur Folge gehabt. Bei seinem Widerstand gegen die Polizeibeamten sei er unbewaffnet gewesen. Ihr Fazit: "Sämtliche Taten reichen nicht aus, zu sagen, dass von ihm weitere erhebliche Straftaten ausgehen werden."
Außerdem sei R. nie zuvor wegen Körperverletzung strafrechtlich in Erscheinung getreten. In der Klinik, in der er heute untergebracht ist, sei er ansprechbar, vernünftig, einsichtig und umgänglich. Nach Auffassung der Verteidigerin sollte das Gericht erst einmal "alle Möglichkeiten ausschöpfen, bevor es den großen Hammer der Unterbringung herausholt".
Die Kammer holte den Hammer aber doch heraus: Das Urteil lautete auf Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik. Für das Gericht nämlich sind die Straftaten des Thomas R. durchaus erheblich. Vorsitzender Richter Manfred Schmidt gab zu bedenken, dass bei Aggressionsdelikten dieser Art oft nur Sekundenbruchteile darüber entscheiden, wie schwer ein Opfer verletzt wird oder sogar stirbt: "Diese Gefährlichkeit trägt er in sich." Deshalb sei die Aussetzung des Maßregelvollzugs zur Bewährung nicht zu verantworten - zum Schutz der Allgemeinheit.
Falsche Wahrnehmung
Thomas R. hat nach Auffassung des Gerichts immer noch eine falsche Wahrnehmung seiner Situation. Für ihn stehe das Drogenproblem im Vordergrund nach dem Motto "Wenn ich sie nur weglasse, wird alles wieder gut." In Wahrheit aber sei die schwere psychische Erkrankung das Hauptproblem. Für eine sichere Zukunft von Thomas R. in Freiheit seien derzeit keinerlei Vorbereitungen getroffen: Nachdem die Mutter umgezogen sei, habe er keine Wohnung mehr, in die er gehen könnte. Außerdem sei er noch nicht auf die notwendigen Medikamente eingestellt. "Heute kann ich sie also bestimmt nicht rauslassen", sagte Richter Manfred Schmidt. Er empfahl dem 22-Jährigen, jetzt in kleinen Schritten voranzugehen und sich nur Ziele zu setzen, die auch erreichbar sind.
...die gute Prognose auf Dauer?
Nett auch, dass sich Einer erst krank kifft und dann mit 41 Rente bezieht!