Schickes Labor: Testwohnen für die Seniorenzukunft
Autor: Jutta Behr-Groh
Bamberg, Samstag, 06. April 2013
An der Villachstraße steht ein ganz besonderes Musterhaus. Seine Bewohner erproben technische Hilfen und Möglichkeiten, wie Senioren in Zukunft möglichst lange und selbstbestimmt in den eigenen vier Wänden leben können.
Immer, wenn Schnee lag, hat Anton Zahneisen "gesehen, wie viele Neugierige hier waren". Hier - das ist ein Grundstück am nördlichen Ende der Villachstraße, am Rand der Gärtnerflur.
Seit Mitte Dezember steht in dem aufgelassenen Schrebergarten ein schickes Fertighaus, in drei Tagen aus zwei Containern entstanden. Es ist für zunächst fünf Jahre das Zuhause von Anton Zahneisen und Sabine Brückner-Zahneisen. Neugierige sind den beiden durchaus willkommen, aber nur nach Voranmeldung.
Das Ehepaar bewohnt eine Art Labor oder, wie beide es nennen, einen "Showroom": Sie erproben im eigenen Alltag alle möglichen technischen Hilfen, die Senioren von morgen das Leben in den eigenen vier Wänden erleichtern können.
Interessierte sind eingeladen, sich selbst ein Bild davon machen.
Hilfstechnik im Alltagstest
Die 52-jährige Diplom-Sozialpädagogin und der 61-jährige Diplom-Soziologe sind als Tester prädestiniert. Sie führen die Geschäfte der Sophia living network GmbH, einem Tochterunternehmen der Bamberger Joseph-Stiftung, das seit etwa zehn Jahren Konzepte für ein selbstständiges Leben im Alter oder mit Behinderung entwickelt und dabei auf die Integration technischer und sozialer Hilfen setzt.
Das so genannte AAL-Smarthouse Sophia an der Villachstraße ist das jüngste Projekt, ein ständig bewohntes Musterhaus. Die drei Buchstaben stehen für ambient assisted living - was ins Deutsche übersetzt so viel heißt wie ein durch vielfältige unsichtbare technische Helfer unterstütztes Leben.
Tür geht wie von alleine auf
Wer das Ehepaar besucht, erlebt dies gleich beim Betreten. Die Haustür öffnet sich wie von Geisterhand; die Gastgeber können sie per Knopfdruck von überall aus bedienen.
Im Flur könnte dem Gast gleich ein Mini-Monitor in der Wand auffallen. Er zeigt auf einen Blick, ob im Haus Stromverbraucher laufen oder draußen Glatteis herrscht. Damit beim Verlassen der Wohnung alles tatsächlich im "grünen Bereich" ist, reicht wiederum ein Knopfdruck. Der Weg zum vielleicht noch geöffneten Fenster oder eingeschalteten Herd erübrigt sich.
Das sind zwei von vielen Beispielen, die in der Villachstraße 13 auf ihre Funktionalität ausprobiert werden. Die Technik sieht und spürt man nicht, wenn Sabine Brückner-Zahneisen und Anton Zahneisen nicht eigens darauf aufmerksam machen.
Alles im Haus ist digital vernetzt. Das technische Herz nennt sich Sophital und ist eine auf dem Internet basierende Entwicklung der Sophia living network GmbH. Jedes marktgängige Endgerät (Tablet PC, smartphone oder TV-Gerät) kann zur Bedienung und Visualisierung genutzt werden. Sämtliche Funktionen und Zustände können auch von der Ferne eingesehen und gesteuert werden.
"Privatsphäre bleibt gewahrt"
Gläsern seien die Bewohner trotzdem nicht. Diese Feststellung ist den beiden Geschäftsführern wichtig. Niemand soll um seine Privatsphäre fürchten müssen, der eines Tages mit dem Sophital-Konzept lebt: Die Bewohner selbst würden entscheiden, welche Informationen nach draußen gehen.
Vernetzt sein könnten zum Beispiel der Hausarzt oder weit entfernt lebende Kinder. Die könnten dann sogar vom anderen Ende der Welt via PC oder TV-Gerät sehen, ob es den alten Eltern gut geht.
Sicherheit, Komfort, Kommunikation, Energieverbrauch und Gesundheit - das sind nach einer europaweiten Studie die Themen, die für ältere Menschen in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen werden. Die Erfahrungen aus dem Bamberger "Living Lab" fließen ein in eine internationale Wissensplattform, an deren Aufbau seit dem vergangenen Jahr 15 Unternehmen und Hochschulen in Deutschland, Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Großbritannien arbeiten. Das Förderprojekt hat den Namen "I stay@home" und wird nach Angaben der Joseph-Stiftung von der Europäischen Union mit 2,6 Millionen Euro unterstützt.
Barriere arme Fertighäuser werden nach Einschätzung des Ehepaars Zahneisen noch eine große Rolle für künftige Senioren-Generationen spielen. Vor allem für den ländlichen Raum sehen sie viel Potenzial: Weil sich dort einerseits Investoren rar machen und andererseits die Grundstücke erschwinglich sind, auf denen gemeinschaftliches oder betreutes Wohnen verwirklicht werden kann.
Ein erstes Projekt dieser Art plant die Sophia living network GmbH gerade in Fichtelberg. Sie besitzt dort bereits ein Grundstück. Es soll eine Wohnanlage für Demenzkranke entstehen; die Häuser will man in der Art einer Wagenburg um ein en gemeinsamen Hof gruppieren. Brückner-Zahneisen rechnet für das Vorhaben auch mit Mitteln aus dem öffentlich geförderten Wohnungsbau.
Apropos Kosten: Auch in finanzieller Hinsicht halten die Sophia-Geschäftsführer Fertighäuser für eine erschwingliche Alternative. Sie sind in Größe und Ausstattung variabel. Nicht alle müssen alles haben wie das Bamberger Musterhaus, das 200.000 Euro gekostet hat. Auf die Wohnfläche umgerechnet entspricht das 2000 Euro pro Quadratmeter.