Sandstraßen-Prozess: das Schweigen der Skater-Freunde
Autor: Stefan Fößel
Bamberg, Mittwoch, 03. April 2019
Im Sandstraßen-Prozess berufen sich weiterhin viele auf Nichtwissen und Erinnerungslücken, was die entscheidenden Gewaltszenen angeht.
Wer in diesem Verfahren komplett die Wahrheit gesagt hat, ist weiterhin schwer zu bestimmen. Das fängt bei den Versionen der Angeklagten an, was die Tatbeteiligung von Tom Z. (Namen geändert) angeht. Andi H., der lange für den Haupttäter gehalten wurde, hat später erklärt, dass Z. in den Morgenstunden des 30. Juli 2017 den Geschädigten Christian K. aus vollem Lauf mit angezogenem Knie angesprungen hatte. Er habe ihn so zu Fall gebracht und dem Liegenden noch auf den Kopf getreten. K. erlitt schwere Verletzungen, lag lange im Koma, trägt nun eine Schädelplastik und wird bleibende Schäden behalten. Die Anklage baut nicht zuletzt auf die Aussage H.s auf und wirft Z. versuchten Totschlag vor. Z. räumt zwar ein, dass er den Mann mit angelegten Armen "umgetackled" habe, von Tritten könne aber nicht die Rede sein.
Erzwingungshaft abgelehnt
Von den zahlreichen Zeugen sparen die meisten bis heute Z.s Beteiligung am Geschehen völlig aus, obwohl auch Videoaufnahmen sehr dafür sprechen, dass sie mehr wissen als sie sagen. So müssen sich mittlerweile mehr als zehn Zeugen wegen des Vorwurfs der Falschaussage verantworten und auch im Lichte dieser Ermittlungen kommen neue Widersprüche zutage, die Oberstaatsanwalt Otto Heyder verfolgen lässt.
Mit Spannung erwartet wurde die Aussage des Ermittlers der Kriminalpolizei, der sich nach eigenen Worten mit einer "Mauer des Schweigens" konfrontiert sah. Erst unter dem Druck von Befragungen durch Ermittlungsrichter (die nun auch als Zeugen aussagen müssen), erster Festnahmen vermeintlich lügender Zeugen und der weiteren Aussage H.s, der Z. zunächst nicht belasten wollte, hatten die Ermittlungen einen anderen Fokus bekommen. "Meiner Meinung nach war es so, dass fast alle Zeugen falsche Aussagen gemacht haben. Alle außer den Geschädigten wollen nichts mitbekommen haben." Einige Zeugen hätten von einer Art Ehrenkodex unter Skatern gesprochen, man verrate sich nicht gegenseitig. Darauf bezog sich erst kürzlich wieder eine Zeugenaussage: Ein Mann hätte an zwei andere appelliert, die Wahrheit zu sagen und sich nicht an einen solchen Kodex zu halten. Ironischerweise läuft auch gegen diesen Zeugen mittlerweile ein Verfahren wegen des Verdachts der uneidlichen Falschaussage.
Das wurde nun auch gegen dessen damalige Freundin eröffnet, die im Sandstraßenprozess einige Zusammenhänge verschwiegen hatte. Sie wollte sich nun überraschend auch ans Landgericht wenden, um ihre Aussage hinsichtlich der Tritte gegen K. zu korrigieren: Die habe nach ihrer Beobachtung Andi H. ausgeführt. Das hatte sie schon bei der Polizei ausgesagt, im Zeugenstand war sie sich dessen aber nicht mehr sicher.
Ein anderer Zeuge, der in jener Nacht in der Bar arbeitete, wo sich nahezu alle Beteiligten aufhielten, beruft sich auf Erinnerungslücken. Er lief zwar später mit dem Hund des Barbesitzers durchs Sandbad, als K. dort noch in seinem Blut lag. Doch will er weder in dieser Situation, noch später, als er bei einem Zeugen, der ganz nah dran war, übernachtete, über das konkrete Tatgeschehen gesprochen haben. Und später hätten so viele über die Ereignisse geredet, dass er keinem mehr eine klare Aussage zuordnen könne. Von einem Ehrenkodex wisse er nichts: "Ich sage mal so: Man ist befreundet und ist füreinander da, aber das hat nichts mit Skateboarden zu tun."
So wenig Erinnerung schien Heyder gleichbedeutend mit einer Zeugnisverweigerung. Er beantragte Erzwingungshaft gegen den Zeugen, was Vorsitzender Richter Manfred Schmidt jedoch ablehnte.
Ob nun, wie von Heyder gewünscht, ein weiterer Sachverständiger zu möglichen Tritten gegen K. befragt wird, entscheidet sich spätestens am kommenden Montag. Dann sagen auch die Notärzte und Rettungssanitäter aus, die in jener Nacht zum Tatort gerufen wurden.