Rudi Kehl bastelt verrückte Fahrräder in Strullendorf
Autor: Anna Lienhardt
Strullendorf, Montag, 23. Juni 2014
Rudi Kehl haben die Fahrräder nie ganz los gelassen. Früher hat er sie verkauft, heute baut er sie selbst - einmalige Kreationen, wie ein Doppeldecker-Rad, ein Rückwärts-Tret-Rad oder eines mit zweiter Kette statt Lenker. Wie sie funktionieren, zeigt er in einem Video.
Manchmal ist die Antwort so einfach: "Mir war langweilig". Das sagt Rudi Kehl auf die Frage, warum er angefangen hat, verrückte Fahrräder zu bauen. Er stemmt die Hände in die Hüften und lacht. Der Mann ist 80, war sein Leben lang ein Bastler, ein Handwerker. Die Hände wollten auch im Alter etwas zu tun haben, genauso wie der Kopf.
Den braucht Rudi Kehl, wenn er über verwinkelten Seilzügen, gegensätzlich verlaufenden Ketten oder einem Lenker brütet, der das Rad nach links fährt, wenn nach rechts gelenkt wird. Denn: Jedes Rad, das er baut, fährt tatsächlich. Ob es auch einen Fahrer findet, das ist eine andere Frage. "Viele trauen sich nicht, sich drauf zu setzen", sagt der Strullendorfer.
Davon abgesehen lässt er auch gar nicht jeden drauf. Schließlich setzen alle seine Räder ein gutes Körpergefühl und Koordinationsfähigkeit voraus. "Ein Bekannter von mir fährt die immer, der kann das und hat keine Angst", sagt Rudi Kehl.
Zum Beispiel das rote "Übereinander-Fahrrad", wie er es getauft hat. Ein Herrenrad unten, ein Damenrad oben, beide miteinander verschweißt. Um auf den Sattel des oberen Rades zu kommen, muss der Fahrer von einer erhöhten Position aufsteigen - und aufpassen, dass er beim Losfahren nicht gleich umkippt.
Das passiert beim "Parallel-Tandem" nicht. Dieses Exemplar hat der Strullendorfer Bastler aus zwei Fahrrädern zusammengetüftelt. Sie stehen parallel nebeneinander, "schauen" aber in unterschiedliche Richtungen. In der Mitte sind sie über ein Gestänge verbunden. Das Besondere: "Jeder tritt in seine Richtung", erklärt Rudi Kehl. Die Räder würden also eigentlich auseinander fahren - tun sie aber nicht, da Kehl die Ketten überkreuzt hat.
Wie kommt er eigentlich auf Ideen wie diese? "Das fällt mir einfach so ein, ganz spontan habe ich die im Kopf", sagt er. So wie vor gut einem Jahr. "Mit 79 wollte ich es noch einmal wissen und ein besonderes Rad nach meinen alleinigen Vorstellungen konstruieren." Es war die Geburtsstunde des knallgelben "Hüpfrades", oder "Kängurus". Warum er es so getauft hat, zeigt sich, sobald das Hinterrad in Bewegung gerät: wegen unterschiedlich langer Speichen "eiert" das Rad im Lager herum, macht kleine Hüpfer.
"Nach dem ersten Rad war es wie eine Sucht", sagt der 80-Jährige, "da sind mir immer mehr Ideen gekommen. Zehn außergewöhnliche Räder hat er im vergangenen Jahr bereits zusammen gebastelt. An manchen werkelt er zwei Wochen, an anderen zwei Monate.
"Wenn einer fit ist und geschickt, der schafft das auch an einem Tag. Aber ich kann aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr so gut schweißen." Deswegen wird Rudi Kehl "auch nicht mehr ewig weitermachen", wie er ankündigt.
"Rückwärts-Treter"
Aber jetzt erklärt er erst mal den "Rückwärts-Treter", bei dem man, wie der Name schon sagt, rückwärts treten muss, um vorwärts zu kommen. Und wie bremst man? Genau, mit einer Vordertritt-Bremse.
Bremsen, Antrieb, damit kennt sich Rudi Kehl aus. Der gelernte Kfz-Meister hat von 1956 bis 1989 eine Tankstelle in Strullendorf betrieben, inklusive Autowerkstatt und Handel von Fahrrad- und Kleinkrafträdern. Nach 32 Jahren war Schluss, wegen der Gesundheit. Tankstelle und Werkstatt hat er abgegeben, der Fahrradladen besteht bis heute weiter. Sohn Otto hat das Fahrrad-Geschäft an anderer Stelle im Ort weitergeführt, feiert dieses Jahr 25-jähriges Bestehen.
Vielen Kunden, die auf das Geschäft zugehen, fällt gar nicht auf, dass manche Räder im Hof irgendwie anders aussehen. Doch wer im Eck mit den zehn Rädern von Rudi Kehl hängen bleibt, der entdeckt einiges Kurioses. Vielleicht den gelben "Richtungs-Verdreher"? Nicht genug, dass anstelle eines normalen Lenkers ein kleiner Fahrradreifen angebracht ist. Damit zu lenken, wäre ja fast schon langweilig. Deswegen hat Kehl das Rad so konstruiert, dass es genau in die entgegengesetzte Richtung fährt, als gelenkt wird.
Wer sich jetzt schon mit so einem Spaß-Rad auf dem nächsten Parkplatz herum düsen sieht: Daraus wird wohl nichts. "Die Fahrräder sind allesamt unverkäuflich, und auch nicht ganz ungefährlich", sagt Rudi Kehl. Er baue sie einzig und alleine, weil es ihm Spaß mache. So sehr, dass er ein wenig traurig wirkt, als er erzählt, dass er bald aufhören wird mit dem Basteln. Die Gesundheit mache einfach nicht mehr mit, zum Schweißen brauche man ruhige Hände.
"Ideen hab' ich noch für zehn Räder!" Aber sein realistisches Ziel sind zwei. Ein "Rad aus Bambusrohren" schwebe ihm noch vor. Wie ein "Seilrad", also ein Fahrrad aus Seilen, dagegen aussehen soll, da fällt einem die Vorstellung schon schwerer. Aber nicht Rudi Kehl. Er weiß schon genau, wie er die Seile spannen wird.