Druckartikel: Rittersleut und Räuber

Rittersleut und Räuber


Autor: Werner Baier

, Sonntag, 09. Sept. 2012

An der Pettstadter Fähre fand erstmals ein Mittelalter-Markt statt. Die Besucher - viele davon Fans des Comic-Ritters Zimbus - kamen in Scharen
Fotos: Werner Baier


Seit 551 Jahren dient die Pettstadter Fähre dem Menschen bei der Überquerung der Regnitz. Sie schlägt damit auch eine Brücke ins Mittelalter und so entstand beim Jubiläum im vergangenen Jahr die Idee, einmal rund um die Fährmannsklause ein Mittelalter-Spektakulum zu veranstalten. Der Pettstadter Comic-Autor Michael Kreiner organisierte das Fest und erfreute sich bei schönstem Sommerwetter überaus regen Zuspruchs der nach Tausenden zählenden Fangemeinde seiner Zimbus-Gestalt. Jener edle Ritter kämpft sich mit scharfem Schwert und hellem Köpfchen durch allerlei Fährnisse, wobei ihm fränkische Helden wie Thomas Gottschalk, Gabriele Pauli oder Günther Beckstein begegnen.

Und tatsächlich: Der "Zimbus von Döllnitz" nachempfundene, flott frisierte blonde Minnesänger Bernd Hartmann (von der Sound City Group) und Michael Kreiner im Bodo-Kostüm besingen mit erhobenen Schwertern und inmitten der kleinen Zeltstadt ihre Heldentaten. Vinzenz Dennerlein schlägt dazu die Pauke. Doch es schmettert nicht das Horn, sondern der Synthesizer, als das Trio die Uraufführung des Bamberg-Lieds 2012 intoniert: "Bamberch gibds scho dausnd Johä"... "Ja so sand's!", möchte man sagen, aber das wäre artfremd bairisch.

"Bassd scho", passt besser und ist auch genug des Lobes für einen "schdorgn Frankn". Der zwitschert: "Schdeh ich drom auf dä Aldnburch, donn möchädd ich gern Flügel./ Ich fliech aufs olda Rohdhaus nauf, des in dä Regnidz schdehd,/ und dord no wu aus Wäddshäusä dä Brodwörschddufd nuch wehd." Wer diesen Ohrwurm fortan sein Eigen nennen möchte: Es gibt bereits die CD, allenthalben wohlfeil im gut sortierten Fachhandel der Tausendjährigen, "äbaud aauf siebm Hügl".

Das Mittelalter mit allen Sinnen erleben, das fällt nicht schwer bei dem Fest auf dem Planfeld oberhalb der Fähre. Allerlei Gaukler, Fahrende, Spielleute, Handwerker haben sich nahe dem historischen Flussübergang niedergelassen. Man hört Trommelspiel, den Stadtpfeifer mit seinem Dudelsack. Eine Wahrsagerin orakelt aus den Tarot-Karten; eine Schamanin zupft "wie seit 40000 Jahren" alles Ungelenke aus Muskeln nun Knochen. Gaukler auf Stelzen staken durch die Büsche und heischen Bewunderung; in der Dämmerstunde jonglieren sie auf der Fähre mit Feuer. Die Schiffsbrücke aus Eisen lässt sich's gefallen und die Ortsfeuerwehr passt auf. Ein Jünger Gutenbergs druckt in Handarbeit auf einem über 100 Jahre alten "Boston-Tiegel" Heidelberger Fabrikation einzigartige Bierfilze.

Selbst Robin Hood hat eine Marktlücke gefunden: Pfeil und Bogen, die Armbrust auch en miniature und zunehmend die jedem alten Räuber aus Kindertagen vertraute Zwistel (auch Zwuschel oder Zwille) sind begehrte Kaufobjekte: geeignet für Dekoration oder Kinderspiel. Und die Zwistel? Angler schießen damit allerlei Köder bis zu 50 Meter weit auf die Wasserfläche hinaus und den Haken werfen sie gleich hinterher, erklärt Robin Hood.

Der hat mit der Fertigung von Pfeilen aus Schilfrohr und Holunderzweigen alle Hände voll zu tun, während seine Gespielin ein uraltes Geschicklichkeitsspiel erklärt. Es ist zum Kugeln. Nur einer stört wie ehe und je: Der Papiermacher wendet das höchst anrüchige Sulfatverfahren an, um Cellulose aus Holz zu gewinnen. Das stinkt gewaltig, als hätte der Bauer nebenan gerade das Stoppelfeld geodelt, aber heraus kommt geduldiges Papier.

Dass viel "Drachenblut" fließt, jenes kräftige Gebräu aus Buttenheim, das Zimbus und seinem Erfinder zur Ehre gereicht, liegt am wahrhaft durstigen Wetter, das dem Fest an der Fähre diesmal beschieden war. Michael Kreiner will nächstes Jahr alles noch viel besser machen. Man sollte ihn beim Wort nehmen, denn der historische Flussübergang bietet durchaus einen angemessen Rahmen für ein feuchtfröhliches Fest. Wildpinkeln an der Regnitz ist in der Pettstadter Flur übrigens nicht mit Ordnungsgeld bedroht. Deshalb kann der Gast "Drachenblut" in vollen Zügen genießen, zumal wenn er für die Heimfahrt den Drahtesel sattelt.