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Risikobereitschaft im Raum Bamberg/Forchheim zu Drogen ist groß


Autor: Jutta Behr-Groh

Bamberg, Dienstag, 29. April 2014

Mindestens sechs Menschen bezahlten 2013 im Raum Bamberg/Forchheim ihren Drogenkonsum mit dem Leben. Bei Kripo und Staatsanwaltschaft kann man sich über die Risikobereitschaft der Konsumenten nur wundern.
Staatsanwalt Christopher Rosenbusch (rechts) hält ein Tütchen Heroin in der Hand, das Kommissar Roland Zoeke und seine Leute in der regionalen Drogenszene sichergestellt haben. Auf dem Tisch stehen andere sichergestellte Utensilien zum Drogen-Konsum. Foto: Matthias Hoch


Für Roland Zoeke ist der Mann, der Pilze sammelte, auskochte und sich den Sud gespritzt hat, ein Paradebeispiel im negativen Sinn: Obwohl es ihm beim ersten Mal so schlecht gegangen sein muss, dass er zu sterben glaubte, ließ er nicht davon ab, sondern spritzte sich noch drei Mal - bis die gefährliche Zubereitung aufgebraucht war.

Der Pilze-Sammler ist ein Fall von vielen aus der Praxis des Kommissariats 4 der Bamberger Kriminalpolizei-Inspektion. Zoeke leitet das K 4, das unter anderem für Betäubungsmittelstraftaten (BtmG) zuständig ist.

Menschen, die trotz Todesangst nicht von einem Rauschmittel lassen, oder Substanzen konsumieren, deren Wirkung sie nicht abschätzen können: Auch der für BtmG-Kriminalität zuständige Bamberger Staatsanwalt Christopher Rosenbusch findet die Risikobereitschaft und Arglosigkeit von Konsumenten erschreckend.

Besondere Sorge bereiten dem Strafverfolger die so genannten Kräutermischungen, weil sie auch für Minderjährige problemlos zu haben sind. Er fürchtet, dass sie zur Einstiegsdroge für sehr junge Leute werden können.

Noch gut ist ihm der Fall eines 14-Jährigen aus dem Landkreis Bamberg im Gedächtnis, der nach dem Konsum so einer Mixtur schwere Halluzinationen bekommen hatte und von einem Balkon neun Meter in die Tiefe gesprungen war. Der Jugendliche hatte Glück im Unglück und überlebte mit schweren Verletzungen.

Gefährliche Tütchen

Er und eine Freundin hatten die Räuchermischung im Internet bestellt. Im weltweiten Netz tummelt sich eine unübersichtliche Zahl von Anbietern, die sich einen seriösen Anstrich geben und angeblich legale Ware anbieten.

Sie wird teils zum Rauchen, teils zum Räuchern und Aromatisieren der Raumluft vermarktet. Der Inhalt der zumeist Teebeutel großen, dekorativ aufgemachten Tütchen wird nicht näher angegeben, umso detaillierter und fantastischer der angebliche Effekt beschrieben. "Entspannen, loslassen und die Wirkung genießen" heißt es da beispielsweise.

Oder: "Diese potente Mischung von sechs Kräutern hat einen angenehmen Geschmack und in einer hohen Dosis gibt es ein Opium-ähnliches High - lieblich und relaxed". Noch ein Beispiel aus dem so harmlos klingenden Online-Angebot gefällig? "Mit diesem Produkt strahlt bei Ihnen jeden Tag die Sonne" verspricht ein Internet-Store.

Zwar wird die angeblich legale Ware angeblich nicht an Minderjährige abgegeben, teilweise wird auch vor dem Verzehr gewarnt. Die Erfahrungen von Rosenbusch und Zoeke zeigen aber: Niemand prüfe das Alter der Besteller und die Warnung vor dem Konsum sei reine Masche und werde von Kaufinteressenten auch nicht ernst genommen.

Experten halten den Inhalt der Tütchen für extrem gefährlich. Die Wirkstoffe und Zusammensetzungen wechseln, die Folgen für den Konsumenten seien unberechenbar. Wer eine Kräutermischung raucht, könnte genau so gut "mit verbundenen Augen in die Apotheke gehen und blind etwas einwerfen", warnt Staatsanwalt Rosenbusch.

Von einer lebensgefährlichen Lotterie spricht Zoeke: Die Portionen - meist drei bis fünf Gramm - würden aus großen Betonmischmaschinen abgefüllt; niemand wisse, was in seinem Tütchen sei.

Enorme Gewinnspannen

Die Gewinnspannen der einschlägigen Händler müssen enorm sein. Ein Laden in Erlangen machte laut Zoeke im Monat nur mit Kräutermischungen um die 50 000 Euro Umsatz. Weil damit schnell viel Geld verdient ist, würden die Betreiber häufig wechseln. Das erschwere die Ermittlungen und Zugriffe für Polizei und Staatsanwaltschaft.

2013 gelang es ihnen, dem Betreiber eines so genannten Headshops im Landgerichtsbezirk das Handwerk zu legen. Der Mann und seine Lebensgefährtin erhielten wegen des Verkaufs so genannter Kräutermischungen Freiheitsstrafen von 21 und 15 Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurden.

Das Rauschgift, mit dem Fahnder und die Kripo im Bamberger Raum am häufigsten konfrontiert werden, ist seit einigen Jahren Crystal Meth. Der Markt profitiert von der Nähe zu Tschechien und den illegalen Drogenlabors jenseits der Grenze.

Im Jahr 2006 hatte Roland Zoeke zum ersten Mal mit dem synthetischen Rauschgift Crystal zu tun - in seiner Eigenschaft als Ermittler. Heute steht es an der Spitze der Drogen, die ihn als Leiter des zuständigen Kommissariats 4 beschäftigen. "Man kommt zu leicht 'ran", erklärt sich Zoeke die zunehmende Verbreitung.

Umschlagplatz Asia-Märkte

Auch nach den Erkenntnissen von Staatsanwalt Rosenbusch kann mehr oder weniger jedermann problemlos Mengen bis etwa 100 Gramm im Nachbarland kaufen. Man müsse sich offenbar nur mit Geldscheinen in der Hand auf einem der Asia-Märkte aufhalten: "Dann wird man schon angesprochen und gefragt, was man will", so Zoeke.

So leicht die Beschaffung zu sein scheint, so schwer scheint es, die Leute zu erwischen, die Crystal nach Deutschland bringen und hier verkaufen. Es sei ein Glücksfall, wenn man jemanden gleich mit 700 Gramm aus dem Verkehr ziehen kann, wie es 2013 ein Mal gelang, sagt Zoeke. Die Schwierigkeit ist nach seinen Worten: "Sie erkennen die Dealer nicht!"

Umso mehr ist es den Konsumenten anzusehen, wenn sie über längere Zeit Crystal nehmen. Der körperliche Verfall setzt schnell ein, ausfallende Zähne sind für Experten ein erstes Indiz.

Die große Gefahr dieser Droge, die gern als Aufputschmittel genommen wird, sei ihr hohes Suchtpotenzial, warnen Roschenbusch und Zoeke. Wie aus dem jüngsten Bericht der Drogenbeauftragten der Bundesregierung hervor ging, sind es zunehmend "ganz normale Menschen", die Crystal nehmen, um leistungsfähiger zu sein.

Der Wirkstoffgehalt hat in den wenigen Jahren, seit es dieses synthetische Rauschgift gibt, enorm zugenommen. Er liegt nach Angaben des Bamberger Kommissars inzwischen bei 70 bis 80 Prozent. Er glaubt, eine noch "bessere Qualität" könnten die illegalen Labore kaum erreichen.

Hohe Strafen

Mit dem Wirkstoffgehalt steigt nicht nur das Gesundheitsrisiko derer, die den Stoff konsumieren. Auch die Strafe für Händler erhöht sich, wenn sie erwischt werden.

Zwei Jahre Mindeststrafe droht laut Rosenbusch bereits für Leute, die 7,2 Gramm Crystal nach Deutschland einführen und/oder damit handeln. Diese geringe Menge entspricht etwa drei Würfeln Zucker.

Die hohen Strafen scheinen die Dealer bisher allerdings nicht wirklich zu schrecken. Nach der Kriminalitätsstatistik des Polizeipräsidiums Oberfranken wurden im vergangenen Jahr 3263 Rauschgift-Straftaten aufgedeckt, was einer Zunahme um 233 Fälle oder 7,7 Prozent entspricht.

Mindestens sechs Menschen bezahlten 2013 im Raum Bamberg/Forchheim ihren Drogenkonsum mit dem Leben - so viele wie noch in keinem Jahr seit der Jahrtausendwende. In zwei der sechs Fällen brachten Gutachten zu Tage, dass die Personen vor ihrem Tod unterschiedlichste Suchtmittel konsumiert hatten, so Zoeke.

Er hat dafür nur eine Erklärung: "Ihnen ist der Selbstschutz abhanden gekommen." Da ist sie wieder, die große Risikobereitschaft, vor der der Fahnder und der Kriminalbeamte dringend warnen.