"Rettet die Reste": Aktion gegen Verschwendung
Autor: Sebastian Martin
Bamberg, Donnerstag, 26. Juni 2014
Zu viele Lebensmittel landen auf dem Müll. Nun gehen 19 Frauen mit dem Projekt "Rettet die Reste" in Bamberg in die Offensive, um das zu ändern. Mit einfachen Tipps, die schon Großmütter kannten.
Angefangen hat alles damit, dass Anneliese Esser ihre Brotchips mitgebracht hat. "Meistens hat man ja noch ein kleines Stück Brot über", sagt die Frau aus Bamberg. Statt die Reste wegzuschmeißen, hat sie sich gedacht: Mach' ich einfach Chips daraus. Die hat sie auf längeren Autofahrten immer dabei, für zwischendrin sei die selbstgemachte Knabberei ein idealer Snack. Ein simples Beispiel für das, was alles möglich wäre mit den Essensresten, die in den Haushalten anfallen.
Dabei sind es nicht nur die Reste: Jedes achte Lebensmittel landet laut dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMELV) in der Tonne. 82 Kilogramm Lebensmittel schmeißt jeder Deutsche jährlich in den Müll.
"Es wird zu viel weggeworfen, falsch oder nicht bedarfsgerecht eingekauft", sagt Ernährungswissenschaftlerin Brigitte Hanf, die Anneliese Esser und 18 andere Frauen an der Landwirtschaftsschule des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Bamberg unterrichtet. Hier lernen die Frauen, die bereits eine Berufsausbildung haben, alles über Hauswirtschaft und Ernährung.
Was machen mit den Resten?
Weil so viel weggeworfen wird, gehen die Frauen, darunter eine Zahnärztin, eine Biobäuerin und viele Bürokauffrauen jetzt in die Offensive. Sie wollen zeigen, was alles möglich ist mit ein bisschen Fantasie. "Rettet die Reste" heißt ihr Motto. Sie zeigen, wie aus altem Obst leckere Smoothies werden, was man mit Bratenresten anfangen kann oder wie mit den Nudeln von gestern ein knuspriger Auflauf gelingt. "Reste sind bei unseren Großmüttern regelmäßig auf den Tisch gekommen", sagt Ernährungswissenschaftlerin Hanf. Müll war Luxus - heute ist es umgekehrt. Doch vieles ist in Vergessenheit geraten. Auch, dass man die eigene Nase einsetzen sollte, um zu beurteilen, ob Lebensmittel gut sind: "Die Menschen müssen wieder mehr Vertrauen in die eigenen Sinne haben", sagt Brigitte Hanf.
"Früher war es üblich, Nahrung anzuschauen, zu riechen, heute gibt es das Mindesthaltbarkeitsdatum", kritisiert ihre Schülerin Daniela Groh. Die Folge: Vieles fliegt auf den Müll, obwohl es noch längst nicht verdorben ist. Die gelernte Maskenbildnerin aus Wiesengiech bei Scheßlitz (Kreis Bamberg) glaubt auch, dass es eine Frage der Gewohnheit ist, welches Essen schmeckt: "Meine Kinder trinken gerne Kuhmilch", sagt die junge Mutter. Sie kennen die Milch frisch vom Bauern nebenan.
Andere Kinder mögen H-Milch. Eine Frage der Lebensmittel-Erziehung? Klar, sagen die Frauen, die aus dem Raum Bamberg, aber auch aus anderen Landkreisen wie den Haßbergen kommen. Sie haben lange überlegt. Nun gehen sie mit ihrem "Retter"-Projekt zu den bayerischen Ernährungstagen auf die Straße. Am Bauernmarkt in Bamberg wollen sie für mehr Sensibilität im Umgang mit Essen werben. Sie zeigen, wie einfach Reste verarbeitet werden können. Und sie geben Tipps zur Haltbarkeit. Etwa: Gekochter Reis schmeckt noch nach Monaten - wenn er direkt nach dem Kochen abgekühlt in den Gefrierschrank kommt. Reste-Rettung im Haushalt spart nicht zuletzt bares Geld: Der Lebensmittelmüll kostet laut BMELV jeden Bürger pro Jahr 235 Euro.
Müllberge entstehen freilich bereits, bevor die Lebensmittel überhaupt ins Haus kommen. Der Gesetzgeber und strenge Hygiene-Vorgaben lassen Handel, Industrie und Gastronomie kaum Spielraum: abgelaufenes Haltbarkeitsdatum, zu lange im Wärmebehälter oder in der Kühltheke ...: Ab in die Tonne.
Firmen wie Refood, die eine Niederlassung in Limbach bei Eltmann (Kreis Haßberge) hat, haben in der Wegwerfgesellschaft eine Goldgrube entdeckt: Refood entsorgt nach eigenen Angaben bundesweit mit 800 Mitarbeitern 450 000 Reststoffe vom Schlachtabfall bis zum verpackten Käse aus dem Supermarkt. Hinten raus kommen zwei Produkte: Aus altem Fett wird Biodiesel, aus den sonstigen Reststoffen Futter für Biogasanlagen, die Wärme und Strom erzeugen - immerhin, auch wenn das keine warme Mahlzeit ersetzt.
Infostand
Am Samstag, 28. Juni, geben die Studierenden der Landwirtschaftsschule, Abteilung Hauswirtschaft, nachhaltige Tipps zum Thema "Rettet die Reste". Am Infostand auf dem Bauernmarkt an der Promenade beim Zentralen Busbahnhof in Bamberg stehen sie von 8 bis 13 Uhr, bereiten Smoothies vor und bieten die Brotchips von Anneliese Esser an. Ein Parcours soll die Sinne von Kindern und Erwachsenen für Obst, Gemüse und mehr schärfen.
Rezepte von "Rettet die Reste":
Brotchips
Brotreste (Kanten/Knörzla) in dünne Scheiben schneiden, gelingt am besten mit der Brotschneidemaschine. Anschließend trocknen:
1. Lufttrocknen im Brotkorb, 2-3 Tage liegen lassen mit dünnem Tuch (Baumwolle) abdecken.
2. Im Ofen auf dem Backblech trocknen bei 130 Grad Celsius etwa 15 Minuten und dann auskühlen lassen.
Reste-Dressing
Aus den Resten im Marmeladenglas kann man ganz einfach ein fruchtiges Salat-Dressing mischen. Dafür 2TL Senf, 4 EL Apfelessig, 5 EL Sonnenblumenöl, Salz und Pfeffer in das Glas geben, zuschrauben und gut schütteln. Das Dressing über den Salat geben, das Glas mit wenig Wasser füllen und erneut schütteln. Es schmeckt mit allen Marmeladen.
Spätzle-Nocken (für 4 Personen)
Soßenrest, Bratenrest (Schweinsbraten, Kalbsbraten, Rindsroulade) ca. 2 Scheiben
Spätzleteig: 500 Gramm Mehl, 4 Eier, knapp ein Viertel Liter Wasser, Salz
Zubereitung: Wasser zum Kochen aufstellen, 1 TL Salz dazugeben, Spätzleteig herstellen, Bratenreste zerzupfen und unter den Spätzleteig heben. Mit einem Esslöffel kleine Teignocken in das kochende Wasser geben, aufkochen lassen, mit Schaumlöffel herausnehmen und unter kaltem Wasser abschrecken. Die Teignocken in der Pfanne in Butter oder Öl anbraten, mit der heißen Bratensoße und einem Salat servieren.
Himbeer-Orangen-Smoothie
250 g Himbeeren
200g Natur-Joghurt
300ml Orangensaft (frisch gepresst)
Zucker (nach belieben)
Zubereitung: Die Himbeeren mit dem Joghurt in einen Mixer geben und cremig pürieren
Himbeeren sollten gekühlt sein. Orangensaft dazu geben und alles durchmixen. In Gläsern mit Strohhalmen servieren. Zubereitungszeit 10 Minuten.