Für 45 Beschäftigte begann der Mittwoch mit einer Hiobsbotschaft. Sie verlieren ihren Job. Und Bamberg-Ost wird um eine beliebte Anlaufstelle ärmer.
Es ist ein schicksalshafter Tag im Leben der Alexandra Gaulke, doch ihre Kunden merken nichts davon. Schönen Nachmittag wünscht sie jedem Besucher, der den Laden verlässt, und ihr Lächeln wirkt ehrlich. Vor wenigen Stunden hat die freundliche Kassenkraft erfahren, dass ihre Tage im Real-Markt gezählt sind und sie sich einen neuen Job suchen muss. Der Vollsortimenter an der Kirschäckerstraße, einer von zwei Real-Märkten in der Region, schließt zum Ende des Jahres seine Pforten. 45 überwiegend weibliche Mitarbeiter stehen auf der Straße.
Die Nachricht überrascht Kenner der aktuellen Situation nicht. Seit Monaten verhandelt der Metro-Konzern über den Verkauf der Supermarktkette Real an den russischen Investor SCP. Schon vor der letzten Unterschrift unter dem Kaufvertrag ließ der Interessent verlauten, dass er 30 von 276 Märkten in ganz Deutschland schließen will. Rund 650 Mitarbeiter sollen betroffen sein. Immer wieder wurde gemunkelt, dass auch der Standort Bamberg zu den Wackelkandidaten zählt.
Seit Mittwoch steht fest, dass der kleinere der beiden hier befindlichen Real-Märkte ein Verlierer im Milliardenpoker sein wird. Weitere Märkte schließen in Augsburg und Deggendorf.
Aldi und Lidl im Umfeld
Warum gerade Bamberg, die Stadt, deren Einwohnerzahl sprunghaft steigt? Warum gerade die Kirschäckerstraße mitten im verkehrsgünstigen Norden der Stadt? "Hintergrund ist die anhaltende wirtschaftlich schwierige Lage des Standortes", heißt es auf unsere Anfrage in Zentrale von Real. Die wachsende Konkurrenz von Aldi, Rewe, Netto und Lidl im direkten Umfeld, erklären Mitarbeiter vor Ort, hätten dem Markt Besucher gekostet. Im Unterschied zu Real in Hallstadt sei der Markt in der Kirschäckerstraße zwar gut besucht, aber auch nicht brechend voll.
Erst am Mittwoch wurde auch der Betriebsrat von Real in Bamberg über die Pläne der Unternehmens und der neuen Eigentümer unterrichtet. "Wir sind alle hier ziemlich geschockt", beschreibt ein Sprecher, der nicht genannt werden will, die Stimmung im Haus. Der allgemeinen Skepsis zum Trotz hätten viele bis zuletzt gehofft, doch noch von einer anderen Supermarktkette wie Kaufland oder Edeka übernommen zu werden.
Das scheint für die Bamberger Filiale und die dort beschäftigten Mitarbeiter mittlerweile ausgeschlossen. Die Geschäftsführung von Real teilte unserer Zeitung mit, dass das Unternehmen schnellstmöglich mit dem örtlichen Betriebsrat in Kontakt treten werde und die Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan aufnehmen wolle. An der Kirschäckerstraße herrscht Ernüchterung, aber auch noch Hoffnung: "Wir haben hier Leute, die seit über 30 Jahren im Markt arbeiten - schon bei den Vorgängern von Real", sagt der Betriebsrat. Nun hoffe man auf eine gute Abfindung.
Auch für Paul Lehmann, Gewerkschaftssekretär von Verdi in Oberfranken, kam die Hiobsbotschaft am Mittwoch überraschend, selbst wenn es sich bereits seit Monaten abgezeichnet habe, dass umsatzschwächere Märkte zum Opfer des Verkaufs werden könnten. Leider treffe die Filialschließung wieder einmal die Schwächsten der Gesellschaft, meint Lehmann. Viele der Beschäftigten seien Frauen, die häufig in Teilzeit arbeiteten. In Vollzeit liegen die Monatsgehälter laut Lehmann bei 2500 Euro brutto. Wer einen der seit einem Jahr üblichen DHV-Verträge unterschrieben habe, verdiene gar bis zu 30 Prozent weniger.