Rasante Wort-Jonglage im Jazzkeller
Autor: Bertram Wagner
Bamberg, Sonntag, 05. November 2017
Mäc Härders neues Soloprogramm widmet sich dem Weg ins digitale Zeitalter: "Wir haben nicht gegoogelt, wir haben überlegt!"
Bei der Premieren-Vorstellung seines neunten Solo-Programms "Wir haben nicht gegoogelt, wir haben überlegt!" präsentierte sich Mäc Härder wieder als fränkische Frohnatur voller Energie und bewies sein künstlerisches Talent nicht nur bei Wortspielen, sondern im besonderen Maßen bei Jonglage-Einlagen, die die Kleinkunst-Freunde im ausverkauften Jazz-Keller von den Sitzen rissen.
Da flogen drei Keulen - als Flaschen mit den Konterfeis von Trump, Putin und Erdogan verziert - durch die Lüfte, wobei diese "falschen" Politiker aufeinander eindroschen, durchdrehten, Schläge unter der Gürtellinie verteilten und Raketen starteten. Eine "Multi-Tasking"-Jonglage der besonderen Art, dies trifft auch auf die stürmisch umjubelte "Zugabe" zu, als Mäc Härder mit einen Medizinball, einem Apfel und einem rohen Ei das Kunststück fertig brachte, mit drei derart unterschiedliche Gegenstände zu wirbeln.
Ansonsten nutzte er als roten Faden eine Zeitreise durch die letzten vier Jahrzehnte bis zu den jetzigen "Google-Gläubigen", teilte dabei kräftig aus und streute immer wieder fränkische und familiäre Anekdoten ein ("Franken haben keine genetische Disposition für Vegetarier"). Die Welt hat sich rasend und hektisch verändert, aber die alte Weisheit "Früher war alles besser" entlarvte er gleich zu Beginn seiner temperamentvollen 120 Minuten Netto-Spielzeit: Man denke nur an die "pissgelben Telefonhäuschen mit Zigarettengestank", an die "VW-Käfer-Heizung" oder die "Besuchszeiten in deutschen Krankenhäusern".
Facebook statt Stammtisch
Die Menschheit ordnete er global in "zwei Sorten" ein: "Die Computer-Ahnungslosen" und "die so tun als ob sie alles wissen!" Nachdenken lohne sich immer, insbesonders für einen "dd" (digitaler Depp), der sein Passwort im Notfall eben nicht auf der Festplatte speichern sollte. Der Heute-Früher-Vergleich hatte es in sich: Facebook statt Stammtisch, Navi statt Autoatlas, Power Point statt Dia-Show, Internet statt Brockhaus und Festplatte statt Leitz-Ordner. Als Härder, der heuer 30. Bühnenjubiläum feiern konnte, seinen blauen Glitzer-Anzug wechselte und im schrillen Outfit nach der Pause erschien, war nicht schwer zu erkennen, dass das frühere ARD-ZDF-Testbild hier Pate stand ("da gab es wenigstens einen Sendeschluss"). Nun bewies er, dass die Menschheit auch früher schon "mit Werbung zugeballert" wurde. Die Werbe-Sprüche der 70-und 80er-Jahre schallten durch den Keller: Härder gab nur einen kurzen Einstieg und das Publikum schmetterte die Oldies vom "uralten Asbach" sowie den Colgate-, Blendamed-, Abflussfrei - und Mars-Sprüchen. Nur die Smartphone-Generation verstummte dabei und bekam ihr Fett ab.
Die Marcumar-Mafia
Wesentlich heftiger "derbleckt" wurden aber die Rentner, neben den Sonntagsfahrern und AfD-lern das "größte Übel der Gesellschaft". Da zündete Härder ein Feuerwerk an Vorurteilen: "Rentner haben Zeit und Geld, sitzen in Cafés, besitzen Laubbläser, klagen gegen Alles, sind eine Marcumar-Mafia, setzen sich immer durch und beherrschen unser Land!" Ob der 57-Jährige noch zehn Jahre diese Nummer sich leisten kann, darf bezweifelt werden!Die Premieren-Gäste wissen nun auch was ein "richtiger Mann" ist ("einer fremden Frau altersmäßig die Wahrheit sagen") und "richtige Deutsche" sind, da sollte man mit den Flüchtlingskinder beginnen, "Bibi und Tina" hören, den Umgang mit der Bastelschere üben und im Zimmer ein Mobile mit den Bundesländern aufhängen!
Googeln ist nicht das Allheilmittel, vor allem wenn es um die fränkische Sprache geht. Dazu gehört die Steigerung "am schönsten", so lässt sich die Sinnhaftigkeit bei "des is ja der Allerschönste" nur durch "daddeln" herausfinden.
Der Abend lebte von der Vielfalt der Beiträge, den Zuschauern wurde gehörig der "Spiegel des fränkischen Alltags" vorgehalten, durften aber auch - siehe Telefonhäuschen, Dia-Abend und Werbung - in bestätigender Erinnerung schwelgen.
Wer für die Premiere kein Härder-Ticket ergattern konnte, der sollte sich den 5. (Theater am Michelsberg) und 6. Januar (Kulturboden Hallstadt) notieren.