In der Neuen Residenz arbeiten Restauratoren daran, die Räume der "schönen Amalie" wiederherzustellen: Ein Ambiente wie vor 150 Jahren lebt auf, als König Otto I. mit seiner Gemahlin und einem 50-köpfigen griechischen Hofstaat exotisches Flair in die Domstadt brachte.
"Größere Massen Volkes und größeren Jubel hat man an diesem Platze wohl nie gesehen", schwärmte das Bamberger Tagblatt am 7. Juli 1863 zur Ankunft Ottos I. von Griechenland. Welchen Glanz brachte der gestürzte König der Stadt an der Regnitz, in der er mit seiner Gemahlin die letzten Jahre verbrachte. Ein Kapitel Bamberger Geschichte begann, das mit dem Tod der "schönen Amalie" - wie die Hellenen die gebürtige Herzogin von Oldenburg getauft hatten - 1875 endete. Otto war nach nur vier Jahren im Exil an den "Masern" gestorben.
40 Spezialisten In der Neuen Residenz können Besucher in einigen Monaten wieder die Privatgemächer der Monarchin betreten - befreit von den Spuren der Zeit. Schlaf- und Ankleideräume zeigen sich dann erstmals wieder in der kurzen Phase, als das Königspaar in Bamberg inmitten seines griechischen Hofstaates lebte.
Nach einer umfassenden Bestands- und Zustandserfassung hatten im vergangenen Frühjahr die Arbeiten an den "König-Otto-Zimmern" begonnen: Amalies Refugium, ein Stockwerk unter dem von ihrem Gatten bewohnten Kaiserappartement, dessen Restaurierung 2009 abgeschlossen wurde. Um die 40 Spezialisten verschiedenster Fachbereiche wirken dem Verfallsprozess entgegen, der Farben im Lauf der Jahre verfälschte, abblättern ließ, Textilien verschliss und für Risse in den Holzvertäfelungen sorgte.
"Unansehnlich wurden die Räume", meint Klaus Häfner als Fachrestaurator der Bayerischen Schlösserverwaltung bei einem Rundgang und blickt an die Decke des früheren Schlafzimmers Amalies, wo dank Reinigung und Retusche Farben und Formen wieder deutlich zum Vorschein kommen.
In die Zeit um 1860 datierte Häfner die Malerei, "der Stuck ist um 100 Jahre älter".
Jede Epoche ab der Rennaisance prägte mit ihrem speziellen Charakter den einstigen Sitz der Fürstbischöfe, der im 17. Jahrhundert entstand. Bis heute erhalten blieben Stuckdecken, Wirkteppiche und Möbel des 17. und 18. Jahrhunderts, ja fast die gesamte Raumdekoration. Vieles wurde bei Um- und Neugestaltungsmaßnahmen aber auch zerstört oder verschwand, um bei Restaurierungsarbeiten neu entdeckt zu werden.
"Wie Detektive gehen Restauratoren auf Spurensuche und stoßen zuweilen auf Funde, die neue Erkenntnisse bezüglich der Baugeschichte, Gestaltung oder Nutzung von Räumen bringen", sagt Häfner.
Beispielsweise kamen unter der Holzvertäfelung in Amalies Gemächern Wandmalereien zum Vorschein, die Besuchern künftig gezeigt werden können - als "Fenster in eine andere Zeit". An anderer Stelle entdeckte man hinter einer textilen Wandbespannung, die zur Reinigung abgenommen werden musste, eine barocke Tapete: Ein Fund, der einen völlig neuen Blick auf die Ausstattung des Raumes in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zulässt.
Abgenommen wurde auch die Tapete, die derzeit noch gereinigt wird. Aus Griechenland stammte die gesamte textile Ausstattung des Appartements. Drei Jahrzehntelang regierte der Wittelsbacher ja, bis die Griechen das Vertrauen in die "Bavarokratia" verloren, die über einheimische Köpfe hinweg herrschte, und Otto ins Exil zwangen. Was das Königspaar nicht daran hinderte, sich ins schöne Hellas zurückzusehnen. So wurde zwischen 18 und 20 Uhr in der Neuen Residenz nur Griechisch gesprochen.
Wie der gesamte Hofstaat, der auf rund 50 Begleiter geschrumpft war, trugen Otto und Amalie auch griechische Tracht, die die Monarchin auf kreative Weise interpretierte. Für besonderes Aufsehen sorgte in Bamberg natürlich der "griechische Mohr": Marcos Abessinios, der in der Leibgarde des Königs gedient hatte.
Aber zurück in die heutige Zeit, wo das ursprüngliche Ambiente der Gemächer Ihrer Majestät wieder spürbar wird. Vom Schmutz befreit ist schon ein Teil des Parketts, das für Amalie neu gelegt wurde. Wie hell wirkt jetzt auch die Wandvertäfelung an einigen Stellen im Gegensatz zum olivebeigen Schmuddelton, der bislang die gesamte Atmosphäre prägte! "Es wird nichts abgeschliffen oder gar neu gestrichen", betont Bernhard Mintrop als Diplom-Restaurator: "Wir festigen die Substanz, reinigen Oberflächen und retouchieren entstandene Schäden." Womit sich gerade Pauline Schöner als angehende Vergolderin
befasst, die auf einem Gerüst am Rahmen eines Wandspiegels arbeitet, ohne sich von der Führung durch die Räume beirren zu lassen: ehemals königliche Zimmer, in denen diverse Teile der Rokokoaustattung wie die Wandspiegel - und Pfeilerspiegel der Vertäfelung ebenso wie die Stukkaturen einer Ofennische in die Neugestaltung für das griechische Herrscherpaar übernommen wurden und lediglich im Stil der Zeit neu gestrichen wurden.
Reist man weiter zurück in die Vergangenheit bis unmittelbar nach der Fertigstellung des Schlosses, um 1703, verwandelt sich Amalies Ankleidezimmer in einen Raum der Dienerschaft mit Schlafgelegenheiten und Abort. "Von hier aus wurden die Öfen befeuert, die die angrenzenden herrschaftlichen Räume beheizten", berichtet Klaus Häfner. Eine Erkenntnis, zu der die "Detektivarbeit" der Restauratoren in Raum 26 führte.
In den kommenden Monaten werden aber wohl noch etliche andere Kapitel der Vergangenheit erschlossen und dokumentiert.
Auf rund 446 000 Euro schätzte Thomas Rainer, Pressesprecher der Schlösserverwaltung, die Kosten - "acht Jahrzehnte nach der letzten großen Restaurierung der ,König-Otto-Zimmer'". Sie erfolgt im Rahmen der umfassenden Instandsetzung und Sanierung der Residenz, deren erster Teil mit Gesamtkosten von rund 2,88 Millionen Euro auch die laufende Fassaden- und Dachsanierung des Schönbornbaus und die Vorplanung der Restaurierung der fürstbischöflichen Wohnräume umfasst. Ende 2014 wird dieser erste Abschnitt der Gesamtsanierung fertig, für den zweiten Teilbauabschnitt wurde im vergangenen Oktober bereits der Planungsauftrag erteilt. Schließlich zählt die Neue Residenz zu den bedeutendsten bayerischen Schlössern, die im Gegensatz zur Würzburger, Aschaffenburger und Münchner Residenz vom Krieg verschont blieb."