Druckartikel: Psychiatrie statt Gefängnis für Sohn, der Mutter im Wahn getötet hat

Psychiatrie statt Gefängnis für Sohn, der Mutter im Wahn getötet hat


Autor: Jutta Behr-Groh

Bamberg, Donnerstag, 06. August 2015

Es ist kaum nachvollziehbar, was im Kopf von Torsten G. vorgegangen ist, als er im Januar seine Mutter getötet hat. Fest steht, er ist schwer psychisch krank. Bamberger Richter verhängten nun seine weitere Unterbringung in der Psychiatrie.
Rechtsanwalt Thomas Drehsen und sein Mandant im Gerichtssaal Foto: jb


Ein Mann fühlt sich verfolgt, spielt im Kopf - wie auch immer - den "dritten Weltkrieg" durch, sieht ein Raumschiff, mit dem er weg will, und folgt einer innerer Stimme, die ihm sagt, er dürfe nur an Bord gehen, wenn er den Kopf seiner Mutter mitbringt.

Was sich wie die blutrünstige Fantasie eines Krimi-Autors liest, ist im Leben von Torsten G. (Name von der Redaktion geändert) furchtbare Wirklichkeit geworden: Am 15. Januar hat der 45-Jährige aus Gochsheim (Landkreis Schweinfurt) seine Mutter umgebracht, weil er an den beschriebenen Wahnvorstellungen litt.

Auf viererlei Weise versuchte er am Nachmittag jenes Wintertages, die demente Frau (68) zu töten. Das rekapitulierte Vorsitzender Richter Manfred Schmidt, als er am Donnerstag Mittag für die Zweite Strafkammer des Landgerichts Bamberg das Urteil gegen G. verkündete.

Der Mann, der seine Mutter im Zustand der Schuldunfähigkeit umgebracht hat und daher bis auf Weiteres in der Psychiatrie untergebracht wird, hat zuerst versucht, ihr das Genick zu brechen. Als das nicht gelang, hielt er ihr den Mund zu.
Schließlich schlug er mit einem Holzprügel wenigstens zehn Mal auf ihren Kopf ein und würgte sie so lange, bis sie kein Lebenszeichen mehr von sich gab. Nur vor dem letzten Schritt, den ihm die innere Stimme befohlen habe, schreckte der 45-Jährige offenbar zurück, so Schmidt.

Torsten G. leidet an einer paranoiden Schizophrenie, die mal mehr, mal weniger ausgeprägt auftritt. Der Psychiater Jörg Groß aus Würzburg sprach in seinem Sachverständigen-Gutachten von "psychotischen Episoden", die der Mann seit beinahe 20 Jahren habe. Die Thematik sei immer dieselbe gewesen.

Am zweiten Verfahrenstag kam auch zur Sprache, dass es schon Ende der 1990er Jahre unheimliche Vorfälle gab, in denen der Gochsheimer zwei wildfremde Frauen auf der Straße anging - weil er ihren Kopf haben wollte.

Passiert ist den Frauen zum Glück nichts, sie kamen mit dem Schrecken davon. Konsequenzen für den kranken Mann gab es keine: Die Staatsanwaltschaft Schweinfurt stellte die Ermittlungsverfahren gegen G. laut Schmidt wegen Schuldunfähigkeit ein.

Die Bamberger Richter halten G. für allgemeingefährlich. Auch deshalb ordneten sie seine weitere Unterbringung im Bezirkskrankenhaus Schloss Werneck an.

Der Arzt, der ihn dort seit 16. Januar betreut und nun als Zeuge aussagte, war sich mit dem Sachverständigen einig, dass dem 45-Jährigen längerfristig mit Medikamenten geholfen werden kann. Bis auf Weiteres brauche er aber das stabilisierende Umfeld in der Klinik.

Dem schlossen sich Staatsanwalt Christian Schorr und Verteidiger Thomas Drehsen in ihren Plädoyers an. Die weitere Unterbringung entspricht anscheinend auch dem Wunsch des Beschuldigten. "Ich bin froh, dass mir mit Medikamenten geholfen wird", sagte er in seinem Schlusswort, und fügte nach einem kurzen Zögern hinzu: "Damit nichts mehr passiert."

Wie zu Prozessbeginn bedauerte G. am Ende der Beweisaufnahme erneut, was er getan hat. Er habe seine Mutter geliebt.

Die 68-jährige Frau verbrachte die letzten drei Lebensjahre in einem Bamberger Senioren- und Pflegeheim. Aus diesem hatte G. sie am Nachmittag des 15. Januar abgeholt. Statt sie im Rollstuhl durch den Garten des Hauses zu fahren, hatte er sie in sein Auto gepackt, in ein Wäldchen bei Ebelsbach (Landkreis Haßberge) gefahren und auf grausame Weise getötet. Zurück in Bamberg hatte er sich anstandslos von der Polizei festnehmen lassen. Die Tote lag im Kofferraum.

G.s Lebensgefährtin, die als letzte Zeugin aussagte, hat den Mann in 17 gemeinsamen Jahren angeblich nie gewalttätig erlebt. Wahnhafte Vorstellungen, in denen auch innere Stimmen und Gott vorkamen, kannte sie dagegen bei ihm.
Sie hat nur eine Erklärung dafür: eine extrem religiöse Erziehung durch die Großeltern, bei denen er seine ersten fünf Jahre verbracht hat. Das Verhältnis zwischen Sohn und Mutter soll gut gewesen sein. Er habe die demente Frau wenigstens einmal im Monat im Heim besucht.

Als er am 15. Januar zur Mutter kam, durchlebte Torsten G. gerade eine akute Psychose. Auch wenn er sich später bei der Polizei genau erinnern konnte, was er getan hat, sei er nicht in der Lage gewesen, das Unrecht seines Tuns zu erkennen, versicherten die Mediziner, die im Gerichtssaal zu Wort kamen. Das sei sogar typisch für dieses Krankheitsbild.

Seiner Lebensgefährtin zuliebe hatte G. um die Jahreswende 2001/2002 aufgehört, Drogen zu nehmen. Ende 2014 hatte er wieder gelegentlich Rauschgift konsumiert, um leistungsfähiger zu sein.
Für die Tat spielten die Betäubungsmittel laut Manfred Schmidt nicht die entscheidende Rolle. Auch die Frage einer Entziehung war für das Gericht daher kein Thema.