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Protest mit kreativer Note: Der OB-Kandidat der Bamberger Linken


Autor: Stefan Fößel

Bamberg, Sonntag, 24. November 2019

Stephan Kettner will für die Bamberger Linke (BaLi) Oberbürgermeister werden. Der 49-jährige Attac-Mann fordert mehr sozialen Wohnungsbau, weniger Autoverkehr in der Innenstadt - und ein grundsätzliches Umdenken.
Stephan Kettner auf dem Gelände der Solidarischen Landwirtschaft - für den OB-Kandidaten der BaLi durchaus ein Zukunftsmodell  Foto: Stefan Fößel


Wir treffen den Oberbürgermeister-Kandidaten der Bamberger Linken Liste (BaLi) auf dem Gelände der Solidarischen Landwirtschaft (Solawi) in der Südflur. Für Stephan Kettner ein in vielerlei Hinsicht besonderer Ort. Seine Frau Heike gehörte zu den Initiatoren von Solawi und Selbsterntegarten. Hier sieht Kettner ein kooperatives Modell, das den Gartenbau in die Zukunft trägt. Und zugleich angesichts der jüngsten Entwicklungen auch Beispiele für mangelnde Bürgerbeteiligung durch die Stadt und weitere Flächenversiegelung.

Es sind und waren viele Felder, die Kettner beackert. Der 49-jährige Sozialpädagoge engagiert sich unter anderem in der Flüchtlingsarbeit ("Die Zustände im Ankerzentrum sind einfach entsetzlich") und hat "Attac" in Bamberg mit aufgebaut. Seit drei Jahren arbeitet er hauptberuflich bundesweit für die globalisierungskritische Organisation.

In Ecuador hat er als Entwicklungshelfer gearbeitet, in Bamberg den Verein Tigersprung für Erlebnis- und Medienpädagogik mitbegründet und mit der Offenen Behindertenarbeit Theaterstücke organisiert. Zudem ist Kettner Musiker - und als dieser beklagt er fehlende Probenräume und schwindende Subkultur in Bamberg. "Bis auf der Lagarde was passiert, vergehen Jahre. Und dann muss man erst mal sehen, was sich dort tut."

Als Mitglied des Elternbeirats der "Blauen Schule" hat er vor drei Jahren einen "Blauen Brief" an den Stadtrat verschickt. Der dortige Sanierungsbedarf sei seither noch dringlicher geworden: "Manche Räume lassen sich nicht anständig beheizen, obwohl der Hausmeister tut, was er kann."

Hier kündigt sich nun allerdings Abhilfe an: Der städtische Haushaltsplan 2020 sieht für die energetische Sanierung der Graf-Stauffenberg-Schulen 1,47 Millionen Euro vor. Doch auch an den anderen Schulen geht für den Linken-Kandidaten viel zu wenig voran.

"Steuer-Oase" in der Regnitz

"Als ich festgestellt habe, dass sonst keine wirklich linke Politik vertreten wird, war mir klar, dass auch wir einen OB-Kandidaten stellen müssen. Ich habe meinen Hut in den Ring geworfen, weil ich es für absolut notwendig halte, dass auch unsere Themen vertreten werden", sagt der BaLi-Bewerber.

Was zum Beispiel den Umgang mit Investoren vom Kaliber einer German Property Group angeht, "könnte die Stadt noch ein bisschen nachlegen", findet Kettner. Denn wenn durch schlichtes Nichtstun Kultur- und Mietraum vernichtet und auch die Nachbarn beeinträchtigt würden, sei auch aufs letzte Mittel der Enteignung hinzuwirken. "Auch die Stadtbau müssten wir stärken, damit wir weniger abhängig von Investoren werden."

Für Stephan Kettner ist es spannend, den öffentlichen Raum politisch zu bespielen: "Vielen gerade jungen Leuten fehlt manchmal das Bewusstsein, was da alles möglich ist." Kettner ist schon mit einer aufblasbaren "Steuer-Oase" an der Unteren Brücke entlanggeschippert, er hat sich am Domplatz wie ein gefällter Baum fallenlassen und erst kürzlich war er auch an der Blockade Bamberger Tiefgaragen beteiligt.

Gut sei diese Aktion gewesen, auch wenn die Bamberger Protest in dieser Form noch nicht gewohnt seien. "Ich wollte auch dagegen protestieren, dass mit der Werbung für kostenloses Parken noch mehr Autos in die Stadt gelockt werden. Warum nicht mal Null Euro für öffentlichen Nahverkehr?" Die BaLi setze sich für ein Sozialticket ein, das Menschen mit geringem Einkommen Monatskarten für den Stadtbus zum Preis von 15 bis 25 Euro ermöglicht. Mit einem Sozialpass sollen zudem Schwimmbad- oder Theaterbesuche nur die Hälfte kosten.

Gegen Flächenversiegelungen

Wo aber soll das Geld für Schulsanierungen, Wohnungsbau und Sozialpässe herkommen? "Der Kämmerer macht gute Arbeit, aber können wir wirklich stolz auf keine Neuverschuldungen sein, solange einige Schüler frieren?" Angesichts der anhaltenden Niedrigzinsphase müsse auch über neue Kredite diskutiert werden, wenn die Stadt ihre nötigen Aufgaben sonst nicht erfüllen könne.

"Die Unterstützung von Bürgerbeteiligung ist für mich ein ganz zentrales Thema", sagt der 49-Jährige. Auch der Kampf gegen noch mehr Flächenversiegelung sei aktueller denn je. Das zeige nicht nur das Beispiel der Solawi, wo nun wertvoller Ackerboden überbaut werde. Und für das neue Sperber-Gelände habe unter anderem ein Bolzplatz für die Kinder aus dem Malerviertel weichen müssen. "Wo sind da die Ausgleichsflächen?", fragt Kettner. Er sieht die BaLi als "Interessenvertreter der Menschen ohne Lobby".

Bei den Stadtratswahlen 2014 erzielte seine Liste 3,26 Prozent. Kettner ist aber optimistisch, dass im kommenden Jahr "mindestens ein zweiter Stadtratssitz, wenn nicht sogar Fraktionsstärke" drin ist.

Er wolle bürgerliches Engagement und Initiativen stärken, dann mit den Bürgern gemeinsam Lösungen entwickeln. "Aber was nutzen uns die besten Bürgerforen, wenn sich am Ende die Investoren nicht daran halten, weil sie auch nie an den Gesprächen teilgenommen haben?"