Politische Eisbrecher im Einsatz vor der Bamberger Wahl
Autor: Sebastian Schanz
Bamberg, Donnerstag, 02. Januar 2020
Bamberger Wähler bei bitterer Kälte erwärmen für die eigene Sache: Diese Herkulesaufgabe haben vier politische Gruppierungen und ein Solokandidat. Für einige dürfte es eine "Mission Impossible" bleiben. Die Hürde ist hoch.
Kalte Füße haben sie alle, doch vom Aufgeben ist keine Rede: Rund ums Ratz findet in diesen Tagen eine Menschenjagd der demokratischen Art statt. Die Partei, Volt, die ÖDP und Bambergs Mitte müssen jeweils 340 Unterstützer dazu bewegen, ins Bürgerrathaus zu marschieren und ihre Unterschriften abzugeben. Da werden Köder ausgeworfen und politische Volltreffer erzielt, so mancher Werbeversuch geht aber auch nach hinten los.
"Sorry, ich habe wirklich keine Zeit", zieht sich eine junge Frau charmant auf der Affäre, als die Macher von Bambergs Mitte sie ansprechen. Nicht jeder ist so höflich. Bei manchem Passanten scheint bei Schneefall nicht nur die Körperwärme, sondern auch die Sozialkompetenz abgekühlt. "Ich gehe davon aus, dass wir es schaffen, aber es ist schwierig", sagt Jürgen Weichlein von Bambergs Mitte. Was ihn so selbstbewusst macht? Am Morgen hatten er und seine Leute "einen Lauf": Knapp 40 Unterstützer haben sich eingetragen.
Genaue Zahlen wissen auch die Werber nicht, sie sind von den Schätzungen der Unterschreiber abhängig, die auf die Listen blicken durften. "Ich muss morgen noch mal kommen, weil ich meinen Personalausweis vergessen habe", erzählt eine Rentnerin. "Danke, ich komme morgen bei euch zum Kaffee vorbei und bau' eure Antenne auf", sagt Elektro-Spezialist Weichlein, der im Schneetreiben nebenbei nagelneue Radios an Stammkunden vergibt. Wer sich einträgt, kann bei einer Verlosung außerdem einen Fernseher gewinnen.
Online oder auf der Straße
Solche Lockmittel hat Solokandidat Gregor Großkopf nicht. Er tritt als "Wunderburger" an: ohne Liste, ohne Verlosung, ohne Straßenwahlkampf. "Ich spreche meine Leute gezielt an, besonders über Facebook", berichtet er. "Aber in der Generation Amazon ist es schwierig, jemanden aus dem Haus und ins Rathaus zu bekommen. Wahlkampf im Sommer wäre einfacher." Wie Großkopf gut gelaunt erzählt, wollte er sich als Unterstützer für Bambergs Mitte eintragen, durfte aber nicht. Ob er das ernst meint, lässt er schmunzelnd offen.
Wie ernst die Satiriker der Partei ihr Ansinnen bei der Wahl meinen, zeigen Cornelia Thielmann und Steffen Pokorny: Sie frieren ebenso. Ihre Zielgruppe: junge Bamberger, die "ein bisschen rebellisch drauf sind". Ihre Wahlkampftrümpfe: die "Bierpreisbremse" und ein "Nazi-Reservoir in der Muna, um den Tourismus zu dezentralisieren", wie Thielmann berichtet. Dass Humor eine Erfolgsstrategie sein kann, haben in Bamberg schon 1994 die Komiker von TBC gezeigt: Mäc Härder hat als CJU (Christlich Joviale Union) fungiert und Helmut Vorndran als BMW (Bloß mich wählen). Beide bekamen laut Stadt die nötigen Unterstützerunterschriften. Im ersten Wahlgang erhielten sie 236 (Härder) und 557 Stimmen (Vorndran). Der Dritte im Bunde (Georg Koeniger) hatte die Zulassung nicht erreicht.
Und heuer? "Insgesamt sind wir noch im niedrigen dreistelligen Bereich für alle acht ausliegenden Listen zusammengerechnet", berichtet Stadtsprecher Steffen Schützwohl. Zum Start hat es im Ratz "kleinere Irritationen" gegeben: "Wir mussten mehrfach darauf hinweisen, dass man sich nicht für mehrere Unterstützerlisten verschiedener Gruppen eintragen kann und dass dann nur die zuerst abgegebene Unterschrift gültig ist und alle anderen für ungültig erklärt werden."